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Der Segen bleibt
Nenkersdorf nimmt Abschied von Kapelle
17.6.2020

Um 11.51 Uhr läuteten am Sonntag ein letztes Mal die Glocken der evangelischen Kapelle in Nenkersdorf. Die Tür öffnete sich, und aktive und ehemalige Presbyterinnen sowie Pfarrerin Helma Land und Pfarrer Tim Winkel trugen die Taufschale, Bibel und Kerzen vom Abendmahlstisch sowie das große Holzkreuz heraus. Erwartet wurden sie – in sicherem Abstand auf der anderen Straßenseite – bereits vom Posaunenchor Beienbach, Grissenbach und Nenkersdorf, der den letzten Gottesdienst in der Kapelle mit drei Liedern abschloss.
Bild: Der Posaunenchor erwartete die Gottesdienstbesucher draußen. Foto: Maxwell-Klein
Noch im April hätten die Glocken in Nenkersdorf jeden Abend um 19.30 Uhr geläutet, um zum gemeinsamen Gebet in der Corona-Pandemie aufzurufen, erinnerte Pfarrerin in Ruhestand Helma Land im Entwidmungsgottesdienst. „Und es tut mir in der Seele weh, wenn sie nun schweigen müssen.“ Auch die Entwidmung fand unter den besonderen Umständen der Corona-Schutzvorkehrungen statt: Gut 25 Gottesdienstbesucher saßen auf Abstand und mit Mundschutz in der kleinen Kapelle, gesungen werden durfte nicht. Emotional war der Abschied für die Bürger aus Nenkersdorf und dem benachbarten Walpersdorf dennoch, so manche Träne floss im Gottesdienst. Das Presbyterium der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Deuz hatte mit sich gerungen, ob und wie die Entwidmung, die ursprünglich schon für April geplant war, in Zeiten von Corona stattfinden kann. Da zurzeit aber völlig unklar ist, wann Gottesdienste wieder unter normalen Bedingungen stattfinden können, und die Kaufinteressentin bereits in Planungen für den Umbau der Kapelle steckt, war eine weitere Verschiebung nicht möglich.
1956 wurde die evangelische Kapelle an der Sieg-Lahn-Straße erbaut und 1957 eingeweiht. Gottesdienste wurden dort jedoch bereits seit 2018 nicht mehr regelmäßig gefeiert. Die Kirchengemeinde Deuz konzentriert sich seitdem auf ihre beiden Kirchen in Deuz und Rudersdorf – mehr ist mit 1,5 Pfarrstellen nicht zu leisten. In ihrer Predigt erinnerte Pfarrerin Land an 63 Jahre geistliches Leben in Nenkersdorf: Gottesdienste wurden in der Kapelle gefeiert, die Sonntagsschule fand dort ebenso statt wie Konfirmationsunterricht, Übungsstunden von Chören sowie Treffen der Frauenhilfe. Viele Gemeindeglieder könnten sich vielleicht noch aus ihrer Kindheit an den Bau der Kapelle erinnern, sagte Land. „Sie erinnern sich vielleicht, dass der Vater beim Bau geholfen hat oder die Eltern Geld für den Kapellenbau gespendet haben.“ Doch auch wenn die Entwidmung nun traurig mache und vielleicht frustriere, seien die Arbeit, die Liebe und Opferbereitschaft, die viele Menschen einst in die Nenkersdorfer Kirche steckten, nicht vergeblich, betonte Land: „Der Segen, der hier den Ehepaaren zugesprochen wurde, er bleibt ja. Der Segen, der hier den Kindern bei der Taufe zugesprochen wurde, er liegt auf ihrem Leben, auch weiterhin.“ Sie bat die Nenkersdorfer und Walpersdorfer, mit dem Werk Gottes weiterzumachen und sich in die Deuzer Kirchengemeinde einzubringen. „Hauptsache wir bleiben in der Gemeinschaft mit den anderen Christen.“ Auch Pfarrer Tim Winkel betonte, in Nenkersdorf gehe zwar eine wichtige Zeit zu Ende, „aber als Gottes Gemeinde stehen wir zusammen und sind weiter auf dem Weg. Sein Segen begleitet uns, bei allen Aufbrüchen und an allen Orten, an denen wir sind.“
Bild: Pfarrer Tim Winkel übergibt die Kerzen vom Abendmahlstisch an die ehemalige Presbyterin Brigitte Klöckener. Foto: Christoph Flache
Auch wenn die Kapelle nun zu einem Wohnhaus umgebaut und in diesem Zuge kernsaniert wird – ihren ortsbildprägenden Charakter wird sie behalten. Die Käuferin Heike Dilling aus Geisweid stellte sich im Entwidmungsgottesdienst den Nenkersdorfern vor und erklärte, dass sowohl der Glockenturm als auch die Buntglasfenster auf der Straßenseite erhalten bleiben. Und auch die Orgel der Kapelle wird einer neuen Bestimmung zugeführt: Sie zieht um in die katholische Kapelle auf der anderen Straßenseite. Ein kleiner Trost für die evangelischen Nenkersdorferinnen und Nenkersdorfer: Dort können sie weiterhin einmal im Jahr an Karfreitag einen evangelischen Gottesdienst mit ihrer Orgel feiern.
Jasmin Maxwell-Klein
Bild oben: Pfarrer Tim Winkel trägt das Kreuz aus der entwidmeten Kapelle in Nenkersdorf. Foto: Maxwell-Klein