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Kirche geht auch digital
Junge Vikare beginnen Ausbildung im Siegerland
5.6.2020

Es war ein Berufsstart unter besonderen Vorzeichen für Oliver Kallauch, Angelika Mayer-Ullman und Jan Nagel: Vor kurzem haben sie ihr Vikariat in den Gemeinden Weidenau, Neunkirchen und Nikolai des Evangelischen Kirchenkreises Siegen begonnen – inmitten der Corona-Pandemie. Nach dem Theologiestudium ist das zweieinhalbjährige Vikariat die praktische Ausbildungsphase zum Pfarrberuf, ähnlich dem Referendariat bei Lehrern. In einem Beruf, der vom Kontakt zu Menschen lebt, müssen die drei jungen Theologen zurzeit vor allem auf eins achten: Abstand. Wie sie den Berufseinstieg erlebten und worauf sie sich noch freuen, erzählen sie hier.
Jan Nagel, Nikolai-Kirchengemeinde Siegen
In seiner Abizeitung nannte Jan Nagel als Berufswunsch noch Deutschlehrer. Dass er nun doch Pfarrer wird, liegt vor allem an dem Freiwilligen Sozialen Jahr, das er nach dem Abitur unter anderem in einer Hagener Kirchengemeinde absolvierte. „Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich alle Pläne über den Haufen geworfen und in den sauren Apfel gebissen habe, im Theologiestudium erst mal Griechisch und Hebräisch zu lernen“, erinnert sich der 28-Jährige. Bereut hat er seine Entscheidung nie: „Es ist toll, dass ich das, was ich im christlichen Glauben für mich entdeckt habe, als Beruf leben kann.“ In den ersten Monaten seines Vikariats kam Nagel seinem ursprünglichen Wunschberuf dann zumindest wieder nahe: Alle Vikare der westfälischen Landeskirche absolvieren nämlich in den ersten Monaten ein Schulpraktikum und unterrichten unter Anleitung Religion. Nach dem Vikariat haben Pfarrer dann auch die Befähigung, Religionsunterricht zu geben. Im Februar begann Nagels Zeit in der Nikolai-Kirchengemeinde. „Ich kenne anderthalb Wochen normales Gemeindeleben“, erzählt der Theologe – dann kam das Corona-Virus und mit ihm die umfangreichen Beschränkungen des kirchlichen Lebens. Viel Krisenmanagement habe er in dieser Zeit erlebt, aber auch, dass er und seine Kollegen trotz aller Beschränkungen etwa bei Beerdigungen weiterhin Menschen
Trost spenden konnten, sagt der Vikar. Wie viele andere Kirchengemeinden produzierte auch die Nikolai-Gemeinde zudem Audio-Andachten und Video-Gottesdienste. Und auch wenn er sich für sein weiteres Vikariat vor allem wünsche, Gemeindeglieder wieder ganz analog treffen und begleiten zu können, sagt Nagel: „Corona ist auch eine Chance zu lernen, dass man Kirche auch digital leben kann.“
Angelika Mayer-Ullmann, Kirchengemeinde Neunkirchen
Auch Angelika Mayer-Ullmann sieht die Corona-Pandemie für ihren Berufseinstieg nicht nur als Belastung, sondern auch als „bereichernde Herausforderung“. Nach ihrem Schulpraktikum in Burbach begann im Februar ihre Ausbildungszeit in der Kirchengemeinde Neunkirchen. „Ich bin begeistert davon, wie aktiv die Gemeinde zu dieser Zeit bleibt“, sagt die 28-Jährige. Zwar sei die Gemeinde sich immer der staatlichen Vorgaben bewusst gewesen, habe aber den Willen bewahrt: „Die Kirche soll leben. Dann eben digital.“ Pfarrer Martin Schreiber, Mayer-Ullmanns Mentor im Vikariat, bat sie bald, eine Online-Andacht zu gestalten und weitere Ideen einzubringen. Zu Ostern erarbeitete die Vikarin einen Ostergarten, den Gemeindeglieder zuhause nachbauen konnten, ohne extra einkaufen zu gehen. An ihrer Gemeinde schätze sie, dass Tradition und Moderne zusammenkämen, sagt Mayer-Ullmann: „Zum Beispiel ist die Gemeinde technisch super ausgestattet, legt aber gleichzeitig viel Wert darauf, dass jeden Sonntag der Heidelberger Katechismus im Gottesdienst vorkommt.“ Dieser Eindruck bewog die gebürtige Wittgensteinerin, die aus Banfe kommt, dazu, sich für ihr Vikariat die Kirchengemeinde Neunkirchen auszusuchen. Auch die Stadt Neunkirchen gefällt ihr. Ähnlich wie in Wittgenstein gebe es in den Dörfern das Gemeinschaftsgefühl, dass jeder jeden kennt, sagt Mayer-Ullmann. „Aber gleichzeitig hat Neunkirchen städtische Strukturen, was die Einkaufsmöglichkeiten, die kulturellen und kirchlichen Angebote angeht.“
Oliver Kallauch, Kirchengemeinde Weidenau
Vom Siegerland hat Oliver Kallauch anfangs vor allem die Natur kennengelernt. Im April zog der 28-Jährige für sein Vikariat von Bochum nach Siegen-Weidenau – mitten im Corona-Lockdown. In einer Zeit, in der das städtische Leben nahezu zum Erliegen gekommen war, habe er die Siegerländer Wälder umso mehr schätzen gelernt, erzählt er. Ebenso wie seine Vikariatsgemeinde Weidenau: Weil Kallauchs Schulpraktikum wegen der Schließung der Schulen erst deutlich verspätet beginnen konnte, arbeitete er schon in der Gemeinde mit, wo es ging. So brachte er sich etwa in die Planungen für das Ersatzprogramm für das ausfallende Konfi-Camp ein. „Ich habe eine große Offenheit erlebt, konnte zum Beispiel im Open-Air-Gottesdienst zu Himmelfahrt Musik machen“, berichtet Kallauch. Dass der Vikar auch in Zukunft in Gottesdiensten in der Christus- oder Haardter Kirche Klavier oder Gitarre spielen wird, ist abzusehen: Ursprünglich wollte er nämlich mal professioneller Musiker werden, bevor er sich für den Pfarrberuf entschied. Daran schätzt Kallauch vor allem die vielfältige Kommunikation mit verschiedenen Menschen - vom Einzelgespräch über Sitzungsleitung, die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bis hin zum Gottesdienst: „Man ist permanent im Gespräch mit der Gemeinde, mit Alt und Jung“, sagt Kallauch. „Das finde ich aufregend.“ Das in der Zeit nach Corona wieder von Gesicht zu Gesicht und hoffentlich auch wieder ohne Abstand zu tun – darauf freut er sich schon jetzt.
Jasmin Maxwell-Klein
Bild (v.l.n.r.): Neue Gesichter im Kirchenkreis: Vikare Jan Nagel, Angelika Mayer-Ullmann und Oliver Kallauch. Fotos: Kirchenkreis/privat