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Was bleibt von Weihnachten übrig? - Andacht von Superintendentin Kerstin Grünert
22.12.2025
Nach den Feiertagen wird es stiller im Haus.
Der Baum verliert seine Nadeln, der Glanz der Kugeln ist stumpf geworden. Das Papier der Geschenke ist längst entsorgt, und im Kühlschrank warten noch die Reste: ein Stück Braten, etwas Rotkohl, drei Plätzchen, die keiner mehr mag. Aus Resten wird manchmal das Beste – ein Auflauf, eine Suppe, etwas Schlichtes, aber gut. So schmeckt Alltag nach Festzeit.
Was bleibt von Weihnachten übrig?
Wenn der Glanz vergangen ist, die Kerzen heruntergebrannt, die Krippe wieder im Karton liegt – was bleibt dann von der Heiligen Nacht? Vielleicht genau das: dass Gott bleibt. Nicht nur in der großen Feier, sondern im Kleinen, im Gewöhnlichen, im „Reste-Essen“ unseres Lebens. Er bleibt in unseren Gesprächen, in einem guten Wort, das man aufgehoben hat, in einem Blick, der freundlich bleibt, in einem Moment, in dem man sich erinnert: Ich bin nicht allein.
„Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit.“
(Johannes 1,14)
Ein Satz, so schlicht und so gewaltig zugleich: Gott hat sich aufgemacht, um bei uns zu wohnen. Nicht als kurzer Gast, der nach den Feiertagen wieder geht, sondern bleibend – mitten im Leben. Mitten im Lärm der Welt, mitten in unseren Sorgen, mitten im Alltag. Das ist das, was übrigbleibt. Und was uns trägt. Doch so einfach ist es nicht. Denn oft genug fühlt sich der Alltag nach Weihnachten ernüchternd an. Der Jahresbeginn ist voll von Aufgaben, Terminen, Entscheidungen. Die Welt bleibt laut und unruhig, Kriege hören nicht auf, die Spannungen in der Gesellschaft verschwinden nicht, und viele Menschen tragen Fragen und Unsicherheiten mit sich. Auch die Kirche spürt das: Sie ist im Wandel, mitten in einem großen Transformationsprozess. Manches, was lange selbstverständlich war, verändert sich. Gemeinden werden kleiner, Strukturen neu geordnet, und nicht alles, was uns vertraut war, wird bleiben. Das tut weh, denn Kirche war für viele ein Stück Zuhause. Und nun muss dieses Zuhause neu eingerichtet werden – einfacher, offener, vielleicht unbequemer, aber auch ehrlicher.
Gerade deshalb ist die Weihnachtsbotschaft so kostbar: Gott wird Mensch, wo das Leben brüchig ist. Er sucht sich nicht die glänzenden Orte, sondern die einfachen. Nicht die lauten Bühnen, sondern die stillen Räume. Vielleicht passt diese Botschaft besser denn je in unsere Zeit:
weil sie uns lehrt, das Kleine nicht zu verachten und das Gewöhnliche als heilig zu erkennen.
Weihnachten bleibt also – nicht als Fest, das man abhakt, sondern als Haltung, als Blick auf die Welt. Vielleicht ist es das, was Kirche in ihrer Veränderung neu lernen darf: Gott bleibt nicht im Besonderen, sondern im Alltäglichen. Er ist da, wo Menschen miteinander reden, einander zuhören, sich gegenseitig tragen. Er ist da, wo wir das Leben teilen – die Freude und das, was übrigbleibt. So gesehen, ist der Glaube ein wenig wie das Kochen mit Resten: Nichts ist zu gering, um daraus etwas Gutes entstehen zu lassen. Ein Wort, das tröstet. Eine Geste, die Frieden stiftet. Eine Entscheidung, die gerecht ist. Ein Moment, der Licht bringt. Aus Wenigem kann genug werden. Weihnachten erinnert uns daran, dass Gott selbst mit Wenigem auskommt. Ein Stall. Ein Kind. Eine Handvoll Menschen, die sich auf den Weg machen. Mehr braucht es nicht, damit Himmel und Erde sich berühren. Wenn die Kerzen heruntergebrannt sind, bleibt das Licht, das sie geschenkt haben. Wenn die Festtage vorbei sind, bleibt der Gedanke, die Gewissheit, dass Gott mitten unter uns wohnt. Und wenn unsere Kirche sich wandelt, bleibt die Verheißung, dass Gott neue Wege findet, mit uns und durch uns.
Ich wünsche Ihnen, dass dieses Licht Sie begleitet durch die stilleren Tage nach Weihnachten,
durch den Jahresanfang und die Veränderungen, die kommen. Dass Sie im Alltäglichen das Heilige entdecken und im Kleinen den Glanz, der bleibt.
Denn Gott bleibt. Mitten im Wandel. Mitten im Leben. Mitten unter uns.
Ihre
Kerstin Grünert, Superintendentin



