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Ein Leben ehrenamtlich für die Kirche
Dieter Gerhard scheidet mit 75 Jahren aus allen kirchlichen Ehrenämtern aus

18.8.2015

Wenn Dieter Gerhard aus Neunkirchen-Salchendorf Mitte September dieses Jahres Geburtstag feiert, ist er per Kirchengesetz nicht mehr Mitglied des Presbyteriums der Ev. Kirchengemeinde Neunkirchen. Für Gerhard ein ungewohntes Gefühl. Hatte er doch das Amt ununterbrochen 47 Jahre, 6 Monate und 10 Tage inne. Damit ist Dieter Gerhard mutmaßlich der dienstälteste Presbyter der Evangelischen Kirche von Westfalen. Auch im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld kann sich niemand entsinnen, dass ein Presbyter jemals dieses Amt länger ausgeübt hat.

Seit 35 Jahren ist Dieter Gerhard zudem in der westfälischen Landeskirche als Laienprediger tätig. Auch diese Aufgabe endet mit Erreichen des 75sten Lebensjahres. Er gehörte im Ev. Kirchenkreis Siegen zu den ersten drei Laienpredigern, denen eine solche Aufgabe nach einer Ausbildung übertragen wurde.

An die Anfänge seiner ehrenamtlichen Tätigkeit erinnert sich Dieter Gerhard noch gut. In Siegen Sieghütte aufgewachsen, wurde er dort von Pfarrer Werner Kötz, dem späteren Superintendenten, konfirmiert. Seine Ehefrau Anneliese stammt aus Neunkirchen-Salchendorf, wo sich das Ehepaar dann auch niederließ. Er engagierte sich im örtlichen CVJM und übernahm 1967 die Leitung der Jungenschaft, die er noch bis 1972 innegehabt hat. In dieser Zeit hat er auch etliche CVJM-Freizeiten als Mitarbeitender begleitet. Gerhard: „Im Jahr 1968 wurde ich von dem Gemeindeglied Erich Schäfer aus dem Ortsteil Salchendorf gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mich in der Kirchengemeinde Neunkirchen in das Presbyteramt wählen zu lassen. Das Gemeindeglied Erich Schäfer kannte ich damals nicht.“ Gerhard wurde aufgestellt und ist Presbyter geworden. Ob eine Wahl stattgefunden hat, ist ihm nicht mehr erinnerlich. Für acht Jahre wurden die Presbyteriumsmitglieder damals gewählt. Seit 2004 sind es nur noch vier Jahre. Gerhard: „Als Presbyter ist mir immer das vertrauensvolle Miteinander von Kirchengemeinde, CVJM und Ev. Gemeinschaft wichtig gewesen. In Ämter und Aufgaben habe ich mich nie gedrängt. Ich bin immer gefragt worden.“ Als Last und Bürde hat er das Amt nie empfunden. „Es war mir immer ein wichtiges Anliegen, mich in der Gemeinde Jesu zu engagieren. Mein Weg führte mich ins Presbyterium und in die Aufgabe des Laienpredigers.“ Der Gemeindeaufbau lag ihm besonders am Herzen und, dass die Gemeinde geistlich reflektiert geleitet wird. Dazu gehört für ihn auch, dass eine Presbyteriumssitzung mit einer Bibelarbeit beginnt. Das wird in der Kirchengemeinde Neunkirchen in den letzten Jahren so gehalten.

Es gab in den Jahrzehnten seiner Presbyteriumszugehörigkeit nicht nur Zeiten des fröhlichen Miteinanders. Es ging auch schon mal kontrovers zu. Das galt es dann eben auszuhalten. Heute freut er sich darüber, dass in den letzten Jahren die Pfarrer und das Presbyterium gut miteinander können. Es belastet ihn aber, dass die Gemeinden kleiner werden. Auch wenn der Gottesdienstbesuch in den Neunkirchener Bezirken noch erfreulich hoch ist, muss sich die Kirchengemeinde vom Gebäude auf dem Raßberg  trennen. Die demographische Entwicklung hinterlässt ihre Spuren. Und auch drei Pfarrer wird die Gemeinde auf Dauer nicht verfügbar haben. Für dieses kleiner werden stellt das Presbyterium schon jetzt die Weichen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Arbeit eines Presbyteriums einiges verändert, wenngleich die Aufgabenstellung, nämlich die Gemeinde zu leiten, auch geistlich zu leiten, geblieben ist. Gerhard: „Vor fast 50 Jahren saßen nach meinem damaligen Empfinden im Presbyterium nur gestandene Männer und es ging recht förmlich zu.“ In seinen Anfängen wurde noch per Brief zu den Presbyteriumssitzungen eingeladen. Sitzungsunterlagen, die über die Inhalte informierten, gab es kaum. Man konnte sich nicht wirklich vorbereiten. Der Schriftführer verfasste in der Sitzung eine Protokollaufzeichnung, die der Vorsitzende Pfarrer anschließend in das sogenannte Protokollbuch übertrug. Später wurde seitens der Landeskirche ein Protokoll in loser Blattsammlung zugelassen. Heute werden die Einladungen per Mail verschickt und die Protokolle kommen wenige Tage nach der Sitzung ebenfalls per Mail nach Hause. Das ermöglicht ein anderes Arbeiten, sagt der fast 75-Jährige.

Während seiner Presbyteriumszeit wurden neue Kirchen und Gemeindehäuser gebaut. Dadurch dauerten Sitzungen auch mal länger. Einige wenige Male sogar von 18.30 Uhr bis nach Mitternacht. Heute wird das Sitzungsende zu Beginn festgelegt. Was dann nicht erledigt ist, wird vertagt.

Für das Presbyterium hält er es als hilfreich, wenn Mitglieder gewählt werden könnten, die auch ihre unterschiedlichen Berufserfahrungen einbrächten. Das wäre für ein Presbyterium ein Gewinn, so der gelernte Maschinenbau- Konstrukteur.

Für Dieter Gerhard kamen in der Kirche weitere Aufgaben hinzu. Er war einige Jahre Finanzkirchmeister der Kirchengemeinde und  43 Jahre Mitglied der Kreissynode sowie einige Jahre stellvertretendes Mitglied des Kreissynodalvorstandes, Delegierter im Krankenhausverein sowie im Diakonischen Werk. 2004 wurde er in den Nominierungsausschuss der Kreissynode gewählt.

Vor allem aber war ihm seine Aufgabe als Laienprediger wichtig. Ein Herzensanliegen des überzeugten Christen. Immer wieder hatte Gerhard für seine CVJM-Andachten den damaligen Pfarrer Joachim Erlbruch nach Vorbereitungsunterlagen gefragt. Eines Tages kam der Pfarrer auf ihn zu mit den Worten: „Ich habe da was gefunden, das ist genau das, was du brauchst.“ Erlbruch war im Haus Villigst, dem Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der westfälischen Landeskirche, gewesen und auf die Möglichkeit der Laienpredigerausbildung aufmerksam geworden. Mit der Folge, dass nach einer Ausbildung Dieter Gerhard am 20. Januar 1980 durch Superintendent Ernst Achenbach die Vocation zum Laienprediger erhielt und in der Ev. Kirche Neunkirchen in diese Aufgabe in einem Gottesdienst eingeführt wurde. In den ersten Jahren hielt Gerhard jährlich bis zu 25 Gottesdienste, auch in anderen Gemeinden des Kirchenkreises. Aus gesundheitlichen Gründen hat er diese Anzahl in den letzten Jahren auf acht bis zehn reduziert. Seine vermutlich letzte Predigt wird er am 30. August in der Erlöserkirche in Neunkirchen-Salchendorf halten.

„Wenn es die 75er-Grenze nicht gäbe wäre ich vermutlich erst nach 50 Dienstjahren aus dem Presbyterium ausgeschieden. Aber es ist auch gut, dass ich jetzt loslassen darf“, sinniert Gerhard. „Ich merke, dass ich gesundheitlich nicht mehr so fit bin und mir manche Tätigkeit schwerer fällt als noch vor Jahren. Und auch meine Frau, die mich in diesen Tätigkeiten immer unterstützt hat, sagte in den letzten Jahren deutlich, dass es nun genug sei. Ich konnte mich in der jetzigen Wahlperiode, die eh im nächsten Frühjahr endet, mit dem Gedanken anfreunden, aufzuhören. Die nächste Kirchenwahl in der westfälischen Landeskirche ist ja schon am 14. Februar 2016.“

Die neu gewonnene freie Zeit werden andere Tätigkeiten ausfüllen. Wie die bessere Wahrnehmung des Stellvertretenden Vorsitzes im Förderverein „Jugend braucht Hoffnung“ e.V. im CVJM-Kreisverband Siegerland e.V.

Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin sucht derweilen die Kirchengemeinde.

kp

 

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)

Superintendent Peter-Thomas Stuberg (rechts) gratuliert dem Presbyter und Synodalen Dieter Gerhard aus Neunkirchen herzlich. Er nahm am 24. Juni 2015 zum letzten Mal an einer Synode des Ev. Kirchenkreises Siegen teil. Mitte September, zu seinem 75sten Geburtstag, scheidet er wegen Erreichens der Altersgrenze aus allen kirchlichen Ehrenämtern aus.

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