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Den Preis bezahlen ausgebeutete Näherinnen und ihre Familien
Änderung im Konsumverhalten und Kontrolle der Produktionsketten gefordert

21.9.2016

Von einem produzierten T-Shirt erhalten in El Salvador Näherinnen 0,6 %, die Handelsspanne liegt bei 59 %.  464 Euro monatlich werden benötigt, um die Grundversorgung einer Familie sicherzustellen. Der gezahlte Mindestlohn beträgt jedoch nur 130 Euro. Diese Zahlen erfuhren am vergangenen Samstag (17. September 2016) interessierte Besucher im Evangelischen Gemeindehaus Altstadt in der Siegener Oberstadt von Canan Barski von der Christlichen Initiative Romero. Der Namensgeber der Initiative, Oscar Arnulfo Romero, Erzbischof von San Salvador, wurde am 24. März 1980 am Altar erschossen. Er war zur Stimme der Stimmlosen geworden, deren Rechte er gegen die Reichen und Mächtigen des Landes verteidigte. Die Christliche Initiative Romero mit Sitz in Münster setzt sich seit 1981 für Arbeits- und Menschenrechte in Ländern Mittelamerikas ein.

Barski zeigte in ihrem Vortrag auf, woher die Kleidung kommt, welche Arbeitsschritte in welchen Ländern erfolgen und wie hoch die Verdienste der jeweiligen Arbeitsschritte bemessen sind. Geringe Löhne, geringe Steuern, lockere Sozial- und Umweltauflagen, mangelnde Sicherheits- und Gesundheitsstandards, ausbeuterische Kinderarbeit und nicht vorhandene gewerkschaftliche Vereinigungen kennzeichnen viele untragbare Produktionsbedingungen. Dies ist mittlerweile erkannt und erste Schritte zur Abhilfe sind gegangen. In den Blick genommen sind nicht nur  beispielsweise der Anbau von Bio-Baumwolle, sondern ganze Lieferketten. Etliche Gütesiegel mit unterschiedlicher Aussagekraft wurden entwickelt und kennzeichnen Kleidung. Oft fehle aber die notwendige unabhängige Kontrolle. Die ist bei dem Siegel der „Fair Ware Foundation“, eine Non-Profit-Organisation, die die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Kleidungs- und Textilindustrie zum Ziel hat, gegeben. Barski: „Unternehmen sollten es sich nicht aussuchen können, ob sie dem Bündnis beitreten oder nicht.“ Barski plädierte für ein bewusstes und informiertes Einkaufen: „Lassen Sie sich nicht von kurzlebigen Modetrends lenken. Entscheiden Sie bewusst, wie oft Sie einkaufen und was Sie wirklich brauchen.“ Auf billige Schnäppchen solle verzichtet werden und bei Baumwolle seien Textilien aus biologisch angebauter und fair gehandelter Baumwolle vorzuziehen. Kleidung, so die Referentin, sei keine Wegwerfware. Daher solle sie so lange wie möglich getragen werden. Auch im billigsten T-Shirt steckten natürliche Ressourcen und harte Arbeit. Informationen zu sozial- und umweltverträglichen Produkten seien unter gruenemode.org zu finden.

Eine Podiumsdiskussion brachte das Thema in die Region. Unter der Moderation von Miriam Heinz  diskutierten Marco Butz (IHK Siegen), Mechthild Boller-Winkel (verdi) Sven Bergmann (hessnatur) und Canan Barski (Christliche Initiative Romero) über fair und umweltverträgliche Kleidung. Boller-Winkel, zuständig bei verdi Siegen für Altenheime, Pflegedienste, kirchliche Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände spricht sich für faire Beschaffungen in den eigenen Betrieben aus. In Krankenhäusern beispielsweise würden große Mengen an Berufskleidung und Bettwäsche benötigt.

Butz bemerkte, dass die IHK zurzeit mit der Initiative „Heimatshopping“ den Einzelhandel in der Region stärke. Er empfahl, konkret nach fair gehandelten Waren zu fragen. Butz: „Wenn die Nachfrage nicht da ist, werden die Produkte nicht ins Sortiment aufgenommen. Die Sensibilität für solche Produkte muss bei den Konsumenten ankommen.“ Canan Barski betonte, dass auch die Firmen über die gesamte Produktionskette in die Verantwortung genommen werden müssten. Hierzu bedürfe es auch „Druck von oben“. Sven Bergmann von der Firma hessnatur macht deutlich, dass nachhaltige Mode und Chic sich nicht widersprächen. Hier habe seine Firma eine 40-jährige Erfahrung. Wenn große Firmen sich für soziale und ökologische Textilien einsetzten, lasse sich mehr erreichen. Hier sei das Textilbündnis ein wichtiges Instrument.

Canan Barski machte darauf aufmerksam, dass die Stadt Dortmund sich bei ihren Beschaffungen an sozialen und ökologischen Standards orientiere. Marco Butz ist sich sicher, dass die heranwachsende Generation hierfür ein Empfinden habe. Sie interessiere schon, ob sich ein Unternehmen sozial engagiere.

Deutlich wurde in der Diskussionsrunde, dass informieren und sensibilisieren angesagt ist. Es bedarf sowohl gesetzlicher Regelungen als auch ein verändertes Konsumverhalten, damit fair produzierte und gehandelte Waren in die Regale kommen. Nur Bio ist zu wenig. Hinzukommen muss ein reduzierter Verbrauch, verbunden mit einer langen Nutzung der Textilien.

Butz sagte zu, das Thema mit in den Einzelhandel zu nehmen. Erika Denker, Vorsitzende des Bezirksverbandes der Siegerländer Frauenhilfen merkte an, dass kein Vertreter des Einzelhandels aus der Region bereit gewesen wäre, sich der Thematik auf dem Podium zu stellen. Deutlich wurde auch, dass in der Stadt Siegen ein Geschäft mit speziell fair produzierten und gehandelten Textilien fehle.

In der Mittagspause zeigten Mitarbeitende des Kleiderladens des Bezirksverbandes der Siegerländer Frauenhilfen in einer Modenschau ausgesprochen preisgünstige Second-Hand Kleidung aus der aktuellen Herbstkollektion, die in dem Laden für kleine Euro-Beträge an Menschen mit geringem Einkommen abgegeben werden. In den Pausen konnten fair gehandelte Produkte der beiden Weltläden erworben werden.

In einem geistlichen Impuls in der Nikolaikirche ging Pfarrer Martin Ahlhaus vom Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung  (MÖWe) in der Evangelischen Kirche von Westfalen auf die Bergpredigt ein, in der Jesus deutlich gemacht habe, dass das Leben mehr sei, als Kleidung und Nahrung. Im Kolosserbrief zeige Paulus auf, welche „Kleider“ für den Lebensstil der Christen wichtig seien.  Ahlhaus: „Tiefes Mitgefühl, Sympathie und Empathie, Freundlichkeit und Bescheidenheit, Rücksichtnahme und Geduld sind demnach die vornehmsten Kleider der Christenmenschen.“ 

 

Organisiert wurde die Informationsveranstaltung von der Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen in Kooperation mit dem Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen, den Weltläden Weidenau und St. Michael, dem Eine-Welt-Forum Siegen, dem synodalen Frauenausschusses im Evangelischen Kirchenkreis Siegen sowie der Nikolai-Kirchengemeinde.

kp

 

Text zum Bild: (Fotos Karlfried Petri)

Canan Barski informiert über skandalöse Arbeitsbedingungen in der globalen Kleiderproduktion.

 

 

 

 

In einer Modenschau zeigen Mitarbeitende des Kleiderladens des Bezirksverbandes der Siegerländer Frauenhilfen chice Kleidungsstücke, die für wenige Euro erworben werden können.

 

Fair gehandelte Kleidung sollte stärker in der Region angeboten werden, wurde in der Podiumsdiskussion gefordert. Es diskutierten v. li. Mechthild Boller-Winkel (verdi), Sven Bergmann (hessnatur), Miriam Heinz (Moderatorin und Öffentlichkeitsreferentin bei der dzm, die mobile Mission), Marco Butz (IHK Siegen) und Canan Barski (Christliche Initiative Romero)

 

Marco Butz: „Der stationäre Handel hat eine Chance, wenn er als Nischenprodukt angeboten wird und gleichzeitig im Internet agiert.“

 

Miriam Heinz: „Wenn die Nachfrage größer wird, sinkt der Preis.“

 

Mechthild Boller-Winkel: „Es darf nicht lebensgefährlich sein, in der Textilproduktion zu arbeiten.“

 

Sven Bergmann: „Nur Bio-Baumwolle ist zu wenig. Hunderte von Einzelfragen spielen eine Rolle. Das Verfahren muss vom Anbau bis zum Kleiderbügel fair sein.“

 

Canan Barski: „Die Firmen müssen in die Verantwortung genommen werden für die gesamte Produktionskette.“

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