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Ökumene – gemeinsam Gesicht zeigen

9.12.2016

Welche Gemeinsamkeiten entdecken Evangelische und Katholische Kirche im anstehenden Jahr des Reformationsjubiläums? Vor welchen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen Christen beider Konfessionen?

 

Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Jahresempfangs des Evangelischen Kirchenkreises Siegen, zu dem sich kürzlich rund 150 geladene Gäste in der evangelischen Johanneskirche auf dem Rödgen trafen. "Diese Kirche passt zum Thema, denn sie hat nur einen Turm, aber ein evangelisches Schiff und ein katholisches. Sie befinden sich im evangelischen", stellte Superintendent Peter-Thomas Stuberg zur Begrüßung augenzwinkernd fest.

 

Nichtsdestotrotz sprach als Gastreferent ein prominenter Katholik: Prof. Dr. Thomas Sternberg, bis vor Kurzem Direktor der Katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus und heute im Ruhestand ehrenamtlich Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

 

Christen - nicht mehr selbstverständliche Mehrheit

 

Wo also finden Evangelische und Katholiken ihre Gemeinsamkeiten – und warum sollten sie überhaupt danach suchen? Kirche im 21. Jahrhundert stehe vor neuen Herausforderungen. "Christliche Überzeugungen werden nicht mehr selbstverständlich von der Mehrheit der Gesellschaft getragen", konstatierte Sternberg. Die Zeiten der Volkskirche seien vorbei. "Wie können wir also unsere christlichen Überzeugungen in gesellschaftliche Formen packen, die auch für Menschen mit anderen Überzeugungen akzeptabel sind?"

 

Seien in seiner Kindheit im sauerländischen Dorf die größten Fremdheitserfahrungen noch evangelische Klassenkameraden gewesen, so würden heutige Kinder in einer deutlich vielfältigeren Gesellschaft groß: mit Christen beider Kirchen, Freikirchlern, Muslimen, Buddhisten und einer großen Menge an Nicht-Gläubigen. Meinungen bis hin zu "Religion an sich ist schädlich" kursierten.

 

"Ängste aus dem Bauch in den Kopf holen"

 

Da sei es wichtig, christliche Alltagsimpulse der Humanität zu setzen. Dafür einzustehen, dass Christen entschieden dafür stehen, Glauben und Vernunft zu verbinden. Sich zu hinterfragen und auch hinterfragen zu lassen. "Ängste müssen vom Bauch in den Kopf geholt werden. Nur dort sind sie behandelbar", sagte Sternberg. Wenn das nicht gelinge, verlören irgendwann auch die grundlegendsten Gesetze ("Die Würde des Menschen ist unantastbar.") den gesellschaftlichen Rückhalt und damit ihre Gültigkeit.

 

Das richtige Mittel, solchen Bewegungen und gesellschaftlichen Tatsachen zu begegnen, seien Dialog, gegenseitiges Kennenlernen – und eine überzeugte Grundhaltung. Wer seine eigenen Überzeugungen kenne, könne am fruchtbarsten mit Menschen anderer Überzeugungen diskutieren. Und auch eine Position finden gegenüber Menschen, deren Überzeugungen nicht hinterfragbar sind. "Die Botschaft der Gnade gegen das Gnadenlose" habe es Bundespräsident Joachim Gauck genannt.

 

Christen dürften sich als gesellschaftlich relevante Gruppe nicht aus dem Diskurs heraushalten. Hier hätten sie eine große Aufgabe – gemeinsam, als Evangelische und Katholische. Er, Sternberg (selbst MdL), erlebe die politischen Erwartungen an die Kirche als sehr hoch: Kirche müsse "doch etwas zu sagen und auszurichten haben" gegen die Verrohung der Gesellschaft.

 

"Wenn wir etwas bewegen wollen, müssen wir zusammenstehen"

 

Sicher sei: Wollten Christen heute noch politisch etwas bewegen, müssten sie gemeinsam auftreten. "Ich bin sehr froh, dass die Evangelische Kirche in ihrem kommenden Jubiläumsjahr einen so großen Akzent auf die Ökumene setzt." Denn Reformationsjubiläen seien immer auch eine Standortbestimmung der Kirche. "In einer entchristlichten Gesellschaft werden Evangelische und Katholische Kirche oft als eins wahrgenommen. Statt die Moralkeule zu schwingen, soll Kirche sich einmischen. Statt aufzutrumpfen Überzeugungen vertreten. Und statt Autorität Partnerschaftlichkeit leben", schloss Sternberg.

 

Nach dem ersten Teil in der Kirche klang der Jahresempfang im benachbarten Gemeindezentrum mit Gesprächen, einem reichhaltigen Buffet und Musik des Duos Martin Reuthner/Werner Hucks an Trompete und Gitarre aus – bis zum gemeinsamen Schlusslied.

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