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Die heilige, ängstliche, gnädige Frau
24.1.2017
Gefühlt ganz nah dran an den Menschen hinter der Reformation waren die Zuschauer jetzt in der evangelischen Kirche in Niederschelden. Dort wurde das Kammermusical „Wenn Engel lachen – die Liebesgeschichte(n) der Katharina von Bora“ aufgeführt. Jener Frau, die 1504 als kleines Mädchen ins Kloster kam, 24-jährig inspiriert von den Ideen der Reformation floh und später Martin Luther heiratete.
Ein beeindruckender Ein-Frau-Abend: Miriam Küllmer-Vogt steht als Katharina die vollen zwei Stunden allein im Rampenlicht, nur unterstützt von sparsamen Requisiten und ihrem Pianisten Peter Krausch. Alle anderen Figuren spielen nur in der Phantasie mit: in halben Dialogen, auf leeren Stühlen oder als Porträt.
In dieser auf eine Person konzentrierten Atmosphäre liefert die Sängerin, Schauspielerin und Pfarrerin aus dem Taunus eine starke schauspielerische und gesangliche Leistung. Sie spielt diese "heilige, ängstliche, gnädige Frau" (Zitat aus einem Brief Luthers an Katharina) unterhaltsam, kraftvoll, witzig und stimmlich wunderschön. Das Publikum lachte und litt mit ihr.
Die menschlichen Seiten Luthers
Während sie Schlüsselsituationen ihres Lebens mit Gebet und Pragmatismus meisterte, öffnete Katharina den Zuschauern auch die Augen für die Person Luther – der Mensch, der er im realen Leben war, bevor sich Jahrhunderte von Verehrung und Interpretation über ihn legten. Katharina, die Luther zunächst mit äußerster Ehrerbietung gegenübertritt, erkennt bald auch dessen schwache Seiten. Sein Zaudern, das ihn immer wieder gute Gelegenheiten verpassen lässt – nicht zuletzt eine mögliche Ehe mit seiner großen Liebe Ave.
Katharina selbst hat viel riskiert, um ihren Traum zu verwirklichen und kümmert sich ungern darum, was andere von ihr erwarten. Sie wünscht sich einen Mann, aber nicht nur als Versorger oder Beschützer. Als Luther ihr nach ihrer gescheiterten Liebe zu Hieronymus Baumgartner einen anderen Ehemann vermitteln will, macht er seine erste Bekanntschaft mit Katharinas Temperament: "Lieber Jungfrau, als mit diesem... Pferd zusammenleben!"
Enttäuschung und Desillusionierung
Die junge Frau kommt zurecht, doch es kommt der Moment, in dem sie erkennen muss: Die Reformation, diese Idee, für die sie brennt und für die sie ein zwar verhasstes, aber ehrbares und sicheres Klosterleben aufgegeben und den Tod riskiert hat... diese Idee steht kurz vor dem Scheitern. Die Euphorie ist verflogen, Erwartungen enttäuscht und sogar der früher aus der Ferne strahlende Held Luther hat offenbar den Mut verloren.
Der Verlust ihres Helden ermöglicht Katharina aber erst den Blick auf dessen Person. Ohne den Respekt vor ihm zu verlieren, macht sie sich mit der für sie typischen Tatkraft und ihrem Feinsinn daran, ihn wieder aufzubauen. Seine Schwächen kompensiert sie dabei mit eigenen Stärken: Weil sie aus Erfahrung weiß, dass er vor einer Verlobung zögert, macht sie ihm kurzerhand selbst einen Antrag. Luther nimmt an.
Historie und Persönlichkeiten
Miriam Küllmer-Vogt gelang es, einer ganzen Kirche voller Menschen nicht nur unterhaltsam historisches Hintergrundwissen zu vermitteln, sondern auch echte Persönlichkeiten lebendig werden zu lassen.
Organisiert hatte die Aufführung der Förderverein der Kirchengemeinde Niederschelden als Teil der Feierlichkeiten zum Reformations-Jubiläumsjahr. Weitere Veranstaltungen im ganzen Kirchenkreis immer aktuell unter www.zum-leben-befreit.de
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Fotos: Miriam Küllmer-Vogt spielte Katharina von Bora in einer beeindruckenden Ein-Frau-Vorstellung.