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Pfarrberuf und Gemeinde: ein Blick in die Zukunft

3.4.2017

In einer Pfarrkonferenz im Haus Nordhelle haben die Pfarrerinnen und Pfarrer aus den Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein über die Zukunft ihres Berufs und des Gemeindelebens diskutiert. Gekommen waren auch Präses Annette Kurschus und Vertreter der Landeskirche.

Klar ist bereits: Es wird Veränderungen geben. Denn bis  2025 werden 40% der Pfarrerinnen und Pfarrer in den Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein in den Ruhestand gehen. Längst nicht alle frei werdenden Stellen werden Nachfolger finden – in sieben Jahren wird also absehbar ein deutlicher Mangel bestehen. Zusätzlich steigen die Unterhaltungskosten von Kirchen und Gemeindehäusern. Sinken wird hingegen die Zahl der Gemeindeglieder.

"Unsere Kleider sind zu groß geworden."

„Unsere Kleider sind zu groß geworden“ – so formulierte es Annette Kurschus, Präses der Ev. Kirche von Westfalen. Zusammen mit anderen Verantwortlichen der Landeskirche traf Kurschus sich jüngst mit den Pfarrern aus den Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein. Im Ev. Tagungshaus Nordhelle in Meinerzhagen-Valbert wollte man gemeinsam diskutieren, welche Ideen Kirche entwickeln kann (muss), um ihre Aufgaben weiterhin erfüllen zu können. Diese Konferenz mit der Präses fand oder findet auch in den anderen westfälischen Kirchenkreisen statt.

Diskussion in moderierten Gruppen

In moderierten Gruppen beschäftigten sich die Pfarrer mit den Themen:

- kirchliche Orte: Kann Kirche öfter außerhalb traditioneller Gebäude leben? Wenn ja, wo und wie?

- Teamarbeit: Wie bewältigen wir den personellen Engpass, der sich bis 2025 verschärfen wird?

- persönliche Ressourcen: Was können wir tun, damit Pfarrer 2025 diesen Beruf noch gern ausüben?

In jeder Gruppe wurden zunächst positive Erlebnisse zum Thema aufgegriffen, anschließend negative Aspekte besprochen und zum Schluss die Frage gestellt: Wohin könnte ein guter Weg führen und was können wir tun, damit er gelingt? Wie kann die Landeskirche dabei helfen?

Zukunft von Kirchen und Gemeindehäusern

In der Gruppe „kirchliche Orte“ wurde klar, dass eine Balance gefunden werden muss: Auf der einen Seite steht der Wunsch, jede Kirche/jedes Gemeindehaus zu erhalten, auf der anderen teilweise nicht mehr tragbare Kosten dafür.

Als positive Beispiele für alternative Glaubensorte wurden Klinik-, Altenheim- und im Freien stattfindende Stadtfestgottesdienste ebenso genannt wie die aus England stammenden Fresh Expressions, bei denen Gemeinden innovative kirchliche Angebote ins öffentliche Leben tragen. Hier und da könnten solche Angebote ein nicht mehr finanzierbares Gebäude ersetzen.

„Der Erhalt denkmalgeschützter Kirchen ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, stellte Präses Kurschus später im Plenum klar. „Allein aus Kostengründen sollten sie nicht aufgegeben werden. Sie haben eine Bedeutung, sogar für kirchenferne Menschen.“  

Gemeindeleben im Team gestalten

Die Gruppe Teamarbeit hob positiv hervor, dass Teamarbeit in der Gemeinde heute schon selbstverständlich sei. Angesichts des Pfarrermangels müsse man aber noch mehr darüber nachdenken, für welche Aufgaben Theologen unersetzbar seien – und für welche nicht. Hier fiel immer wieder das Stichwort Verwaltung.

Mögliche Ideen wären z.B. hauptamtliche Gemeinde-Geschäftsführer, Reaktivierung von Pfarrern im Ruhestand oder Stellen für Springer. „Wem eine dieser Ideen in seinem Bereich vielversprechend erscheint, der soll sie aufgreifen“, sagte dazu die Präses und versprach ggf. die Unterstützung der Landeskirche bei der Detailplanung.

Junge Menschen fürs Theologiestudium gewinnen

Die Gruppe „persönliche Ressourcen“ beschäftigte sich u.a. mit fehlenden Karrierechancen für Pfarrer, mangelnder Wertschätzung, wenig Freizeit und komplizierter Urlaubsplanung. „Viele junge Leute studieren auch deshalb lieber Psychologie als Theologie“, hieß es. Mehrfach geäußert wurde auch der Wunsch nach mehr Qualitätssicherung in der Pfarrers- und Gemeindearbeit.

„Die Organisationsstruktur unserer Kirche ist sehr offen“, sagte Kurschus. Sie ermutigte die Pfarrerinnen und Pfarrer, flexibel zu denken. „Wenn z.B. ein Dienstwagen  tatsächlich hilft, einen Nachwuchspfarrer für Wittgenstein zu gewinnen, dann könnten wir das als Projekt ein paar Jahre ausprobieren.“

Ausprobieren statt für Jahrzehnte planen

In der Vergangenheit sei oft für Jahrzehnte im Voraus geplant worden. Das gehe nicht mehr. Für einzelne Orte maßgeschneiderte Projekte auszuprobieren und aus deren Gelingen oder Scheitern zu lernen – das könnte der neue Weg der Kirche sein.

 

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Foto: Intensiv diskutierten die Pfarrerinnen und Pfarrer über die Zukunft ihres Berufs.                                                   

Text und Foto: Stefanie Bald

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