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Von Ausländern und Deutschlanddeutschen
28.4.2017
In ihrer jüngsten Pfarrkonferenz haben sich die Pfarrerinnen und Pfarrer des Kirchenkreises Siegen mit dem Thema Integration und Umgang mit Fremden beschäftigt. Als Referent war Pfarrer Edgar L. Born aus Hamm zu Gast. Er ist Aussiedlerbeauftragter der Ev. Kirche von Westfalen (EKvW) sowie Mitglied der EKvW-Arbeitsgruppe Migration, Flucht und Integration.
Welches Ziel hat Integration eigentlich – und wer entscheidet, wann es erreicht ist? Schon bei diesen einfachen Fragen wurde klar, dass Integration nicht leicht zu erklären ist. Die einen fordern ein völliges Anpassen an die Kultur im aufnehmenden Land, andere geben sich mit einem geduldeten Nebeneinander zufrieden und wieder andere denken an ein partnerschaftliches Miteinander, in dem die eine Seite nicht mehr gilt als die andere.
Wie integriert sind Deutsche selbst?
Einen ungewohnten Aspekt warf Born mit seinem Begriff Deutschlanddeutsche auf. Mit dieser Bezeichnung für Deutsche ohne ausländische Wurzeln wollte Born verdeutlichen, dass bei der Integration gleichberechtigte Personen und Kulturen aufeinandertreffen – und man dabei nicht nur an Einwanderer denken dürfe: „Eine erhebliche Aufgabe wird es sein, Deutschlanddeutsche in die moderne Vielfaltsgesellschaft zu integrieren. Es gibt Leute, die haben den Knall noch nicht gehört.“ Eine Einschätzung, die einige Pfarrer aus der Arbeit in ihren Gemeinden bestätigen konnten – die Einstellung mancher Gemeindeglieder sei „erschreckend“.
„Wir können davon ausgehen, dass in rund 20% der Köpfe eine braune Grundschlacke vorhanden ist“, sagte Born. „Die kann jahrzehntelang ruhen, aber in Phasen der Unsicherheit aktiviert werden.“ Oft handele es sich nicht um gefestigte rechte Weltbilder, sondern um „Schutzschildmechanismen“.
Viele Deutsche seien erschrocken und völlig verständnislos, welche Begeisterung ihre ausländischen Mitmenschen für demokratiefeindliche Machthaber wie Erdogan oder Putin entwickelten. Doch diese Begeisterung habe vielfältige Ursachen. Für viele Zuhörer überraschend: „Neben Trotz spielt ein schlechtes Gewissen eine große Rolle. Ausgewanderte haben oft das Gefühl, ihre Heimat im Stich gelassen zu haben, als es der Heimat gerade sehr schlecht ging. Jetzt baut jemand scheinbar diese Heimat wieder auf – stellvertretend für sie.“
Der Rückzug aus der deutschen Gesellschaft, den manche Zugewanderten derzeit vollzögen, sei ein Rückzug auf Zeit. „Das Signal ,Es ist gut, dass du da bist‘ darf deshalb nicht verschwinden.“
Hoffnungsträger Ehrenamt
Ermutigend seien die kreativen und unkonventionellen Ehrenämter, die sich rund um die Flüchtlingswelle seit 2015 entwickelt hätten. „Für mich ist dieses Engagement ein Garant dafür, dass populistische Tendenzen in Deutschland nicht die Mehrheit bekommen.“
Integration dauere mindestens eine Generation. Und funktioniere nur, wenn Migranten eine Chance hätten, wirklich in Deutschland anzukommen. Als Person mit Geschichte, Beruf und Familie. „Ich kann mich nirgends integrieren, wenn mein Herz dauernd woanders ist.“
Keine Angst vorm Kirchenasyl
Zum Schluss sprach Born das Thema Kirchenasyl an und ermutigte die Gemeinden, diese Hilfsmöglichkeit zu gewähren. „Viele Asylverfahren werden von nicht dazu ausgebildeten Sachbearbeitern unter Druck entschieden. So entstehen Fehler. Das Kirchenasyl ist eine völlig legale und sehr wichtige Möglichkeit, dem Staat die Zeit zu geben, einen solchen Fehler zu revidieren.“ Solange die betroffene Gemeinde ein Kirchenasyl mittrage, spreche nichts dagegen.
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Foto: Referent Pfarrer Edgar L. Born aus Hamm sprach in Siegen über Integration.
Text und Foto: Stefanie Bald