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Auswirkungen der Reformation
in der heutigen Kirche
Superintendent Peter-Thomas Stuberg
zieht eine kreiskirchliche Bilanz

17.8.2017

Das Reformationsjubiläum ist deutlich durch vielerlei Veranstaltungen in den evangelischen Kirchengemeinden zu vernehmen. Im Evangelischen Kirchenkreis Siegen wurden die Kirchengemeinden Referate, Ausschüsse und Beauftragte gebeten, darzulegen, wie sich das Anliegen der Reformation auf ihre Arbeit heute auswirkt. Auf der vergangenen Kreissynode zog Superintendent Peter-Thomas Stuberg anhand der Berichte eine kreiskirchliche Bilanz.

Doch zunächst ging er auf das zentrale Grundanliegen der Reformation ein. Er zitierte aus einer Tischrede Martin Luthers: „Ein Christ sein ist, das Evangelium haben und daran glauben. Dieser Glaube bringt Vergebung der Sünden und Gottes Gnade. Er kommt aber allein vom heiligen Geist, der wirkt ihn durchs Wort ohne unser Zutun und Mitwirkung. Es ist Gottes eigenes Werk… Ein solcher Mensch, der an Christus glaubt und bekennt, das wir allein durch ihn Vergebung Sünden, ewiges Leben und Seligkeit erlangen aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, ohne all unser Verdienst, gute Werke und Würdigkeit, der wird in der Welt wohl geplagt und zermartert; aber der Heilige Geist steht ihm bei, tröstet und stärkt ihn, gibt ihm ein freudiges Herz, das alles verachtet und hilft ihm aus; denn er will uns nicht allein lassen.“ Christenmenschen, so Stuberg, dürften einfach nur Nutznießer von Gottes eigenem Werk sein. Wir könnten uns sein Werk nur aneignen, indem wir nichts dafür tun, sondern einfach nur daran glauben. Und nicht einmal solchen Glauben könne man aus eigener seelischer Kraft produzieren, sondern er müsse auch den Glauben immer wieder aufs Neue schenken. Die Kernaussage der Reformation laute, dass „der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Römer 3, 28).  Diese Grundaussagen habe Luther in der Bibel wieder entdeckt.

Dem leitenden Geistlichen des Evangelischen Kirchenkreises ging es um die Frage, was es für die Kirche bedeute, wenn an diesem Satz Maß genommen werde. Der Superintendent hob hervor, dass es bei aller gesellschaftlicher Ablehnung und Gleichgültigkeit zum Auftrag der Kirche gehöre, mit den Inhalten der Reformation zu den Menschen zu gehen: „Mit der Rechtfertigung des Sünders aus Glauben gegen die ständige Selbstrechtfertigung der Einzelnen heute – etwa vor einem anonymen Forum zwischen „likes“ und „dislikes“ in sozialen Medien. Mit dem Geschenk der Gnade Gottes in Christus gegen überanstrengende Selbstentwürfe von Leistungsfähigkeit, beinharter Konkurrenz und permanenter Makellosigkeit. Mit Gottes Fürsorge für unser Leben gegen das herrschende Gefühl, dass wenn jeder selbst an sich denkt, dass dann an alle gedacht ist. Mit den Seligpreisungen Jesu für die Armen, die Friedensstifter und die nach Gerechtigkeit Hungernden gegen eine sich immer mehr abschottende Welt, gegen ein Draußen und Drinnen, ein Wohl und Wehe, ein Ungleichgewicht der Teilhabe an den Gütern der Erde.“

 

Auftrag

Als Auftrag der Kirche sieht Stuberg „die Verkündigung des Evangeliums als Entängstigung unserer Welt“. Dieser Aufgabe stellten sich im Kirchenkreis viele Menschen mit großer Sorgfalt und viel Liebe. In vielen auch kreativ anders gestalteten Gottesdiensten komme dies in alltagstauglicher Sprache  zum Ausdruck. Er nennt beispielhaft die neuen digitalen Kommunikationswege der Verkündigung im Jugendreferat.

Die Berichte der Gemeinden und Einrichtungen brächten vielfach zum Ausdruck, dass das Verstehen, Auslegen und Verkündigen der biblischen Botschaft eine zentrale Bedeutung in unseren Gemeinden habe. Es gebe immer noch ein reges Interesse an biblischen Themen, wenn diese auf die Lebenswirklichkeit der Menschen bezogen würden. Das reformatorische „sola scriptura“ – „allein die Schrift“ sei in vielen Berichten als unverzichtbares und selbstverständliches Fundament der gesamten Gemeindearbeit beschrieben worden.

Als Instrument der Verkündigung mit anderen Mitteln nennt Stuberg die Kirchenmusik. „Im Kirchenkreis haben wir einen reichen Schatz von Stilrichtungen und Mitwirkenden in der geistlichen Musik.“ Popularmusik habe längst Einzug gehalten in die Kirchen. E-Musik und U-Musik sollten sich nicht einander verdrängen, sondern sich qualitätsvoll ergänzen. Und: „Die Reformation war eine Singbewegung. Menschen heute wieder zum Singen und Musizieren anzuleiten, muss deshalb ein hohes Ziel unserer vielstimmigen Kirchenmusik bleiben.“ Dazu, so der Superintendent, brauche es auch künftig Hauptamtlichkeit.

 

Gestalt

Als Gestalt der Kirche bezeichnet Stuberg das allgemeine Priestertum. Überwiegend normale Gemeindeglieder ohne theologisches Studium haben in der Kirche Leitungsverantwortung. Das ehrenamtliche Leitungsamt sieht Stuberg heute jedoch stärker belastet als früher, gehe es doch heute um den Aufbau der Gemeinde bei gleichzeitigem maßvollen Abbau. Superintendent Stuberg: „Den Männern und Frauen in diesem Leitungsamt gebührt darum unser gemeinsamer Dank, dass sie auch in Zeiten des Rückbaus die Verantwortung für die Leitung übernehmen.“

Da die örtlichen Aufgaben viele Kräfte bänden, seien für zusätzliche übergemeindliche Funktionen nur schwer Gemeindeglieder zu finden. Der Superintendent: „Mir zeigt dies deutlich, dass wir die Anzahl unserer kreiskirchlichen Ausschüsse unbedingt kritisch sichten und diesem Phänomen anpassen müssen.“

Aber auch die Pensionierung der Hälfte der zurzeit im Kirchenkries Siegen tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer in den nächsten acht Jahren verbunden mit deutlich weniger Pfarrernachwuchs führt zu neuen Überlegungen. Künftig können Gemeindepädagogen Pfarrdienste übernehmen. Doch auch damit ist die sich abzeichnende Knappheit an Pfarrerinnen und Pfarrer nicht zu kompensieren.

 

Struktur

Das Merkmal der sich stets erneuernden Kirche (ecclesia semper reformanda) halten viele für ein Kernthema der Reformation. Daraus folgend wird als unerlässlich gehalten, neue Strukturen zu schaffen und zu erproben. Stuberg: „Wir haben unsere Formen aus den Inhalten heraus zu hören und dann zu gestalten.“ Bei strukturellen Veränderungen gehe es darum, „unseren Auftrag in der Form ausführen zu können, die uns nicht zur Last und zum Selbstzweck wird.“ Verdächtigungen, die Kirche unterwerfe sich mit ihren Reformen ökonomischer Fremdmaßstäbe, führen nach Ansicht des Superintendenten in falsche Alternativen. Das Vertrauen auf Gottes Wort und das Beachten ökonomischer Regeln bleibe aufeinander bezogen.

 

Bei allen Veränderungen in der Kirche bleibe entsprechend der Antwort auf Frage 54 im Heidelberger Katechismus „Was glaubst du von der heiligen, allgemeinen christlichen Kirche?“ festzuhalten: „Ich glaube, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen Menschengeschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammelt, schützt und erhält; und dass auch ich ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde.“

kp

 

Text zum Bild: (Foto: Karlfried Petri)

Superintendent Peter-Thomas Stuberg zeigt Auswirkungen und Herausforderungen der Reformation im Kirchenkreis Siegen auf.

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