News-Archiv
Flüchtlingshilfe in Wilnsdorf
Integration mit Herz und Verstand
17.8.2017
Rund 21.500 Menschen leben derzeit in Wilnsdorf. Unter ihnen 355 geflüchtete Menschen. 110 davon sind Kinder. 184 Flüchtlinge sind anerkannt, für 123 läuft das Verfahren. Für 48 Flüchtlinge wurde das Anerkennungsverfahren negativ beschieden. Von den 20 geduldeten Personen sind einige schon 20 Jahre in Deutschland.
Sonja Sabel kennt die Zahlen, aber auch die Menschen und Schicksale, die sich hinter den nüchternen Zahlen verbergen. Sie ist diakonische Mitarbeiterin der Ev.-Ref. Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf und für die Flüchtlingshilfe als Ehrenamtskoordinatorin mit verantwortlich. Kooperationspartner ist der CVJM Obersdorf. Die kirchliche Flüchtlingshilfe gehört zum Runden Tisch „Willkommenskultur für Flüchtlinge“ der Kommune Wilnsdorf, arbeitet mit am Integrationskonzept und gehört zum Arbeitskreis Asyl des Sozialamtes.
Die drei großen Unterkünfte in der Kommune sind derzeit verhältnismäßig leer und die Gesamtsituation hat sich deutlich entspannt im Vergleich zur Situation vor zwei Jahren. Sabel: „Im kommenden Monat erwartet Wilnsdorf etwa 60 Neuzugänge. Das ist für Wilnsdorf nicht besonders viel. Der Platz ist da. Und vor allem, wir haben hier in Wilnsdorf in den vergangenen Jahren Strukturen aufgebaut, die funktionieren.“ Damals konnte man im Laufe eines Jahres auf etwa 240 ehrenamtliche Mitarbeitende zurückgreifen. Noch immer wird Kleidung benötigt, werden Wohnungen gesucht oder Deutschkurse angeboten. Heute, bei deutlich geringerem Aufwand, engagieren sich noch etwa 150 Menschen regelmäßig. Sie werden in ihrer Arbeit begleitet, geschult und stehen untereinander in Kontakt, tauschen sich aus.
Praktikum – Ausbildung – Arbeit
Als neues Projekt wurde kürzlich von der Flüchtlingshilfe Wilnsdorf die Koordinationsstelle „Refugees for Work“ eingerichtet. Geleitet von Andree Meißner versucht die Stelle Flüchtlinge und Arbeitgeber in Verbindung zu bringen. In Deutschland läuft die Vermittlung von Flüchtlingen über die Arbeitsagenturen und Jobcenter. Sie ist allerdings darauf angelegt, Flüchtlinge zunächst in Maßnahmen zu vermitteln wie Deutsch- und Integrationskurse. Oft müssen Flüchtlinge sich danach selbst um Betriebe kümmern, in denen sie Praktika absolvieren oder Ausbildungsstellen finden können. Sonja Sabel: „Unsere Koordinationsstelle „Refugees for Work“ ist in Kontakt mit den Flüchtlingen. Wer möchte und kann arbeiten? Welche Vorbildung haben sie und welche Abschlüsse sind hier anerkannt? Die Stelle sucht und berät andererseits Arbeitgeber, die Flüchtlingen zuerst in Praktika und dann eventuell durch Ausbildung und Arbeitsmöglichkeiten helfen wollen, ihren Platz in Deutschland zu finden.“ In Vernetzung mit Integration Point, Jobcenter Siegen und IHK vermittelt die Koordinationsstelle Kontakte zu arbeitssuchenden Flüchtlingen aus Wilnsdorf und Umgebung. Sabel: „Wir hatten uns als Ziel gesetzt im ersten Jahr 40 Vermittlungen zu realisieren. Nach nur drei Monaten konnten wir schon 25 Personen vermitteln.“ Eine eigene Homepage www.refugees4work.de wurde bereits eingerichtet.
Wilnsdorfer Laden
Die zentrale Anlaufstelle - nicht nur für Flüchtlinge - ist der Wilnsdorfer Laden in der Rathausstraße. Hier werden Second-Hand-Ware wie Kleidung, Wäsche, Haushaltswaren und Spielzeug für kleines Geld montags, mittwochs und freitags verkauft. Alles was zum Verkauf angeboten wird, wurde gespendet. Eine gemütliche Sitzecke lädt zu Kaffee, Tee und Gesprächen ein. Kostenloses WLAN steht ebenfalls zur Verfügung.
Donnerstags wird regelmäßig der Laden etwas umgebaut und Platz geschaffen für die Lebensmittelausgabe. In Zusammenarbeit mit der Siegener Tafel konnte diese 20. Zweigstelle eingerichtet werden. Lebensmittel erhalten hier alle, die beispielsweise Sozialleistungen erhalten, arbeitslos sind, Wohnungsbeihilfe bekommen oder Asylsuchende sind. Zur Nutzung der Lebensmittelausgabe ist eine Voranmeldung mit Einkommens- oder Hilfeleistungsnachweis erforderlich.
Als „glückliche Fügung“ bezeichnet es Sonja Sabel, dass seit kurzem nun mittwochnachmittags ab 15 Uhr für Flüchtlinge eine Asylverfahrens- und Rechtsberatung im Wilnsdorfer Laden angeboten werden kann. Lange hatte man sich vergeblich um ein solches Angebot bemüht. Die Zusammenarbeit mit dem Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen e.V. (VAKS) machte es möglich.
„Der Laden trägt sich bislang selbst durch Spenden, Einnahmen und viel ehrenamtliche Mitarbeit“, freut sich Sonja Sabel. Die Kundschaft besteht zu 50% aus Flüchtlingen die andere Hälfte sind deutsche Kunden. Benötigt wird immer noch Kleidung. Dafür sind zwei Sammelstellen in Rödgen und Wilnsdorf eingerichtet und zwei Container aufgestellt. Zweimal die Woche sortieren 15 Ehrenamtliche die eingegangenen Kleidungsstücke. Eine Firma hat in einem Bürogebäude eine halbe Etage zur Verfügung gestellt. Dort wird die Kleidung sortiert vorgehalten und bei Bedarf in den Laden abgegeben. Sabel: „Es gibt auch Kleidungsstücke, die zwar noch gut sind, sich bei uns für den Verkauf aber nicht mehr eignen. Diese Kleidungsstücke werden nicht weggeworfen, sondern der Rumänienhilfe Zisterne e.V. zur Verfügung gestellt und in den Südosten Europas transportiert. Kleidungsstücke in schlechtem Zustand kommen in die Bethel-Sammlung.“
Eingerichtet haben ihn im Oktober 2015 das sogenannte Ökumenische Netzwerk Wilnsdorf, bestehend aus der Ev.-Ref. Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf, den Freien Evangelischen Gemeinden Wilden und Wilnsdorf sowie der Katholischen Kirchengemeinde Wilnsdorf.
Integration erfolgt auch durch die etwa 30 Patenschaften. Man hilft den neuen Nachbarn, erklärt die Behördenpost oder schaut, dass die Kinder in der Schule zurechtkommen. Sabel: „Deutsche teilen ihr Leben mit den Flüchtlingen. Das schafft Beziehungen und Verständnis füreinander.“
Dies vermittelt auch ein internationaler Kochtreff für Frauen. Sabel: „Dieses Projekt läuft richtig gut. Etwa 25 Frauen treffen sich einmal im Monat zum Kochen im Bürgerverein Zur alten Linde in Niederdielfen.“ Kooperationspartner hier ist Soroptimist International Siegen.
Die Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf hat sich auf die Flüchtlinge eingestellt. Im vergangenen Juli wurde der 13. internationale Gottesdienst in der Trinitatiskirche in Niederdielfen gefeiert. Übersetzt wird in Englisch, Arabisch und Farsi. Im Anschluss wird ein Mittagessen gereicht. Es wurden Glaubens- und Taufkurse angeboten. Nach gründlicher Prüfung wurden auch Flüchtlinge getauft. Die Flüchtlingsarbeit hat nicht zuletzt die Kirchengemeinde verändert und bereichert.
kp
Text zum Bild: (Fotos: Sonja Sabel)
Im CVJM-Jungscharzeltlager in Feudingen funktioniert unter Jugendlichen Integration fast automatisch.
Ein Infostand der Flüchtlingshilfe Wilnsdorf auf dem Kreiskirchentag in der Siegener Innenstadt.
Im Wilnsdorfer Laden ist immer was los. Hier besuchte die Klasse 4a der FCS Grundschule Rudersdorf den Laden.