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»Brunnengespräch« am Freitag
Superintendent Peter-Thomas Stuberg und Pfarrer und Karikaturist Holger Pyka

21.6.2019

Holger Pyka ist vielen Menschen bekannt als „der Karikaturenzeichner“ aus der evangelischen Zeitschrift Unsere Kirche (UK). Dort beleuchtet er das eingespielte kirchliche Leben aus immer wieder neuen herausfordernden und aufdeckenden Perspektiven. Im echten Leben ist Pyka Pfarrer in Wuppertal und nimmt regelmäßig an Poetry Slams teil. Ein Wortkünstler ist der gebürtige Kölner also auch und kam so beim zweiten Brunnengespräch schnell mit Superintendent Peter-Thomas Stuberg ins Gespräch über das „churchy life“ und die Herausforderungen, die an eine moderne Kirche im Jahr 2019 gestellt werden. Viele Besucherinnen und Besucher machten zu diesem Anlass Halt am Stand des Kirchenkreises und nahmen im Café am Brunnen Platz. Ebenso wie einige Schülerinnen und Schüler des EVAUs, die am Freitag zu über 800 Personen aus Siegen nach Dortmund gereist waren um den Deutschen Evangelischen Kirchentag zu besuchen.

Holger Pyka erzählte gleich zu Beginn des Gesprächs, dass er selbst erst relativ spät auf die Kirche gestoßen sei. Mit 12 Jahren habe er die ersten Einblicke gewonnen und sei fortan immer wieder auf Traditionen und Strukturen gestoßen, die für nicht-kirchlich geprägte Menschen möglicherweise fremd und unverständlich wirken. Aus diesem Gespür für Unklarheiten und eingefahrene Strukturen, hat Holger Pyka seine Lebensaufgabe gestaltet und ist seitdem bestrebt, Kirche immer wieder neu „sprechfähig“ werden zu lassen. Vor allem gegenüber den Menschen, die nicht von klein auf oder zumindest schon lange Zeit in kirchlichen Traditionen bewandert sind.

Vor allem die Form der Gottesdienste müsse dabei wandelbarer werden und sei immer wieder neu an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten, so Pyka. Das könne auch bedeuten, dass Kirche neue Orte aufsuchen müsse, an denen diese Gottesdienste stattfinden. Auf die Nachfrage Stubergs wie so etwas konkret aussehen könne, berichtete Pyka aus seiner eigenen Gemeinde, in der Gottesdienste immer mal wieder auch an ungewöhnlichen Orten stattfinden: im Blumenladen, in Druckereihäusern, am Bahnhof oder mitten in der Stadt. Pyka: „Wir können nicht immer rufen »Wir laden alle ein zu uns in die Kirchen zu kommen« und uns dann wundern wenn niemand kommt. Vielmehr müssen wir zu den Menschen gehen, an die Orte, wo sie sind und wo wir ihnen in ihrer Lebenswelt begegnen können.“ Sich auf neue Orte einlassen bedeute dabei auch, dass sich der Gottesdienst selbst immer wieder neu verändere und neue Möglichkeiten entstünden, miteinander eine Liturgie zu feiern. Gott spreche in einem Blumengeschäft auf andere Art und Weise zu den Menschen als in einer Druckerei, so Pyka.

Auf die Frage Stubergs, was für Pyka das Ziel eines Gottesdienstes sei, knüpfte dieser folgendermaßen an: „Wenn ich aus einem Gottesdienst gehe und irgendwas ist anders als vorher, dann ist es gelungen. Dabei kann Gott sich in vielen Bereichen des Gottesdienstes zeigen. Manchmal versteckt er sich in einer Liedzeile, manchmal in einem lieben Wort und manchmal in einer hoffnungsmachenden Predigt.“ Vor allem die Zeit der Stille, so Pyka, sei ihm im Rahmen seiner geistlichen Ausbildung wichtig geworden. In seinen eigenen Gottesdiensten gestaltet er diesen oft doch mehr gezwungenen Moment bewusst ausgiebig und mit ein bisschen Nachdruck. „Wenn die Menschen nach zwei Minuten unruhig werden, lasse ich das Ganze noch weiterlaufen. Einfach damit etwas passieren kann, denn das braucht Zeit. Wenn wir wollen, dass der liebe Gott im Gottesdienst zu uns spricht, müssen wir ihm in der Stille auch die Zeit dafür geben und dürfen diese nicht mit Geräuschen füllen.“

Auch die Schülerinnen und Schüler des EVAUs, die zum Brunnengespräch an den Siegerländer Stand gekommen waren, bestätigten diese Thesen Pykas. Einige von ihnen nickten zustimmend und formulierten, dass es für sie eine zentrale Aufgabe der Kirche sei, „rauszugehen und die Menschen zu erreichen, die noch nicht gläubig sind.“

Holger Pyka verwies in diesem Zusammehang auch darauf, wie viel Potential die Menschen in unseren Gemeinden bereits hätten, an neue Orte hinauszugehen und Menschen zu bewegen. Auch Superintendent Stuberg bestätigte dies und erzählte daraufhin vom Reformationsjubiläum 2017 in Siegen, das unweit des Bahnhofs und damit mitten in der City stattgefunden hat. Viele Menschen hätten damals ihre Freude darüber bekundet, dass Kirche genau in diese Gegend, auf den Schauplatz des alltäglichen Stadtlebens gekommen sei und sich einladend präsentiert habe. „Auch wenn uns solche Situationen manchmal auch herausfordern, so sind sie doch im Nachhinein immer ein  Gewinn und lassen Großes entstehen“, so der Superintendent.

Als ein weiteres wandelbedürftiges Produkt der Kirche stellte Pyka im Laufe des Gesprächs außerdem ihre Sprache und Sprechart dar. „Kirchensprech“ oder auch „churchy talk“ sei für viele Menschen nicht verständlich und versperre ihnen damit den Zugang zu wichtigen Inhalten. Es sei unabdingbar mit der Öffnung für neue „Orte“ von Kirche, auch eine Öffnung hin zu neuen Sprechformen von Kirche zu gelangen, die das Evangelium einer breiten Masse immer wieder neu zugänglich machen könnten. Für den begeisterten Poetryslammer verstecken sich vor allem in poetischen und bildgeladenen Texten solche Möglichkeiten, Menschen in ihrer Lebenswelt abzuholen und mit hinein in kirchliches Geschehen zu nehmen. Diese Offenheit könne gleichzeitig auch darin sichtbar werden, dass bei Beerdigungen dem Wunsch nachgegangen werden könnte, als letztes Lied „Muss i denn zum Städtele hinaus“ von Elvis Presley zu spielen und eben kein altbewährtes Stück aus dem Gesangbuch. „Möglicherweise wird jemand durch dieses erfüllte Anliegen und diese Musik tief bewegt.“ Es geht Pyka dabei also vor allem darum, neue Formen für den gleichen Inhalt zu finden, damit Kirche auch 2019 sprechfähig sei und bleibe.

Zum Schluss des Gesprächs präsentierte Pyka noch einen kleinen Vorgeschmack auf einen seiner Poetrytexte. Ehrlich, tiefgründig, mit einem Sinn für das Wesentliche und ganz nah an unserer Lebenswelt, „weil Hoffnung die Farbe von Grasflecken an den Knien hat und Wunder mit von Arbeit dreckigen Händen am besten funktionieren. Und weil der Himmel offen steht. Immer!“

Von den Zuhörerinnen und Zuhörern gab es großen Applaus für Pyka selbst, aber auch für sein Anliegen, welches die Kirche aus einem neuen Augenwinkel betrachtet, ihr neue Aufgaben gibt, sie gleichzeitig herausfordert und Möglichkeiten aufzeigt, wie es anders, aber auf jeden Fall auch gehen kann. Damit Menschen erreicht werden!

 

Pfarrer Holger Pyka (links) und Superintendent Peter-Thomas Stuberg im Gespräch.

 

Text & Fotos: Miriam Müller-Schewtschuk

 

 

 

 

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