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'Eine gottlose Tat'
Stolperstein erinnert an Mord an Karl Dornseifer
8.8.2019
Karl Dornseifer war als Gegner der Nationalsozialisten bekannt. Am 5. August 1933 wurde er dafür von einem Mitglied der NSDAP und der SA, Karl Pfeifer, umgebracht. Zwei Schüsse fielen, sie trafen ihn in den Bauch und in den Kopf. Der 42-jährige Dornseifer war sofort tot. Genau 86 Jahre später erinnerte eine Gedenkstunde in Kreuztal an den heimtückischen Mord. Vor dem ehemaligen Wohnhaus des Opfers wurde ein Stolperstein verlegt.
Der damaligen Tat war ein kurzes Wortgefecht zwischen den beiden Männern vorausgegangen. Dornseifer, gelernter Schlosser und SPD-Mitglied, hatte in einer Lotterie ein Hitler-Bild gewonnen und kündigte an, es auf der Toilette aufhängen zu wollen. Sein Mörder hatte daraufhin erwidert, jemand „von seinem Schlage“ müsse verschwinden und gab die tödlichen Schüsse ab. Für Pfeifer hatte die Tat kaum Konsequenzen. Das Amtsgericht Arnsberg verurteilte ihn zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Aber schon nach kurzer Zeit kam er wieder frei und wurde in der Sportschule der SA in Hamm als Kammerwart beschäftigt.
„Es gibt einen aktuellen Bezug zur heutigen Zeit“, machte der Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß gleich zu Beginn seiner Rede deutlich: „Demagogen betreiben wieder rechte und menschenverachtende Hetze.“ Hass und Gewaltbereitschaft werde nicht mehr nur an Stammtischen geäußert, sondern weit darüber hinaus, insbesondere im Internet. „Und Parteien am rechten Rand kochen daraus ihr politisches Süppchen. Sie nutzen diese Entwicklung, um Einfluss zu gewinnen“, sagte Kiß. Dabei erinnerte er auch an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor zwei Monaten: „Aus politischen Gründen wird jemand ermordet. Das Thema ist so aktuell wie vor 86 Jahren.“ Der Bürgermeister dankte den vielen Kreuztalerinnen und Kreuztalern, die zur Gedenkstunde am Montagvormittag gekommen waren: „Wir wollen heute gemeinsam dem Hass, gewaltbereiter Sprache und Ausgrenzung Absage erteilen!“
Bild: Pfarrer Thies Friederichs hielt nach der Verlegung eine Andacht.
Nach der Verlegung des Stolpersteins nannte Pfarrer Thies Friederichs von der Evangelischen Kirchengemeinde Kreuztal den Mord „eine gottlose Tat“. Andersdenkende sollten damals ausgemerzt werden, betonte der Geistliche und erinnerte an das Bibelwort aus dem Johannes-Evangelium zur Beerdigung von Karl Dornseifer: „Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!“ Während der Trauerfeier 1933 hatte die SA zur Einschüchterung auf dem friedhofsnahen Schießstand eine Schießübung abgehalten und versucht, den damaligen Pfarrer August Wehmeier von einer zu scharfen Beerdigungspredigt abzuhalten. Der Geistliche nahm jedoch kein Blatt vor den Mund, wie im Kreuztaler Stadtarchiv nachzulesen ist. Thies Friedrichs betonte nun in seiner Ansprache: „Dieser Stein lässt uns hoffentlich immer wieder stolpern. Damit wir uns nicht zurück halten, öffentlich und privat, wenn wir Gewalt und Einschüchterung erleben. Wir dürfen uns nicht von der Angst leiten lassen. Fürchtet euch nicht!“ Die Gedenkfeier endete mit einem Gebet und einer Kranzniederlegung durch Vetreter der Kreuztaler SPD.
Text und Fotos: Bernd Becker