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Wenn sonst keiner mehr zuhört
Telefonseelsorge ist für Trauernde da

21.11.2019

Dass Trauer keinem Zeitplan folgt, weiß Dietrich Hoof-Greve gut. Immer wieder rufen in der Telefonseelsorge Menschen an, die um ihren verstorbenen Partner oder ihre Partnerin trauern. „Teils liegt der Tod schon Jahre zurück, aber die Hinterbliebenen vermissen den Menschen noch immer“, sagt der evangelische Pfarrer, der die ökumenische Telefonseelsorge Siegen leitet. Am Totensonntag, dem 24. November, und im Trauermonat November denken viele Menschen an ihre verstorbenen Angehörigen oder Freunde. Aber nicht alle fänden in ihrem Umfeld Gehör, sagt Hoof-Greve. Manche hätten das Gefühl, dass ihre Trauer keinen Platz mehr habe, nach dem Motto: Irgendwann muss es doch mal gut sein. „Aber es ist nicht gut“, sagt Hoof-Greve. Diese Menschen fänden bei der Telefonseelsorge ein offenes Ohr.

In der Telefonseelsorge Siegen, die von den Evangelischen Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein sowie dem katholischen Gemeindeverband Siegerland/Südsauerland getragen wird, sind rund 80 ehrenamtliche Frauen und Männer für Ratsuchende da. Rund um die Uhr nehmen die umfassend ausgebildeten Ehrenamtlichen Anrufe entgegen, leisten aber auch per Mail und Chat Unterstützung. Zurzeit sucht die Telefonseelsorge ehrenamtliche Unterstützung, um die Arbeit auch in Zukunft zu sichern. Die neue Ausbildung beginnt im Januar. Die Telefonseelsorge ist offen für Menschen aller religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Die Anliegen der Anrufer reichen von Krankheit und psychischen Problemen über Beziehungsdramen und Sinnfragen bis hin zu Trauer und Tod.

 

Bild: Auch per Chat und Mail berät die Telefonseelsorge Siegen ratsuchende Menschen.

 

Wenn nahe Angehörige sterben, komme zur Trauer oft eine weitere Belastung hinzu, weiß Hoof-Greve: Einsamkeit. Gerade ältere Menschen seien zum Teil mit der Erfahrung konfrontiert, übrigzubleiben, wenn nach und nach Angehörige und Freunde sterben. Es gebe Menschen, die einige Tage nach dem Tod ihres Partners oder ihrer Partnerin anriefen - einfach weil sie sonst niemanden hätten, mit dem sie sprechen könnten, sagt der Pfarrer. Er ist überzeugt: „Einsamkeit ist die Epidemie unserer Zeit.“ Fast zwei Drittel der Anrufer bei der Telefonseelsorge Siegen leben allein. Jeder Fünfte leidet unter Einsamkeit und Isolation. „Dafür sind wir da“, betont Hoof-Greve: „Für die Überhörten, die Nicht-Mehr-Gehörten.“

Im Gespräch mit trauernden Menschen kommt es bei der Telefonseelsorge – wie übrigens bei allen Themen, mit denen sich Ratsuchende melden – weniger auf gute Ratschläge als aufs Zuhören an. Die Trauer solle Raum haben, sagt Hoof-Greve. „Wir sagen: Ja, Sie dürfen auch nach 15 Jahren noch trauern, und: Ja, Sie dürfen auch um Ihren Hund trauern.“ Manchmal gelte es auch, Menschen aus ihrer Trauer ein Stück weit herauszulocken. Vor allem aber wollen die Mitarbeiter der Telefonseelsorge vermitteln: Es ist okay, wenn es weh tut, und es ist auch okay, wenn da noch andere Gefühle mitschwingen wie Wut, weil die Beziehung zum verstorbenen Menschen vielleicht nicht nur gut war. Dass die Kirche in der Telefonseelsorge für trauernde Menschen da sei, gerade in den stillen Tagen im November, das sei ihm wichtig, sagt der Pfarrer.

Für Ratsuchende ist die Telefonseelsorge kostenlos und rund um die Uhr erreichbar unter 0800/111 0 111 oder 0800 - 111 0 222, die Chat- und Mailberatung über www.telefonseelsorge.de. Wer sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Telefonseelsorge Siegen interessiert, kann sich unter 0271/56033 montags bis freitags von 8.30 bis 15.30 Uhr oder ts-siegen@kka-siegen.de melden.

max

 

Bild oben: Ein offenes Ohr finden trauernde Menschen bei der Telefonseelsorge Siegen. Fotos: Jasmin Maxwell-Klein

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