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Für eine 'Ethik des Genug'
Kreissynode tagte in Wilgersdorf

28.11.2019

Die Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg hat Kirche und Gesellschaft zu einer „Ethik des Genug“ ermuntert. Gerade die Kirche müsse Zeichen setzen und sich in einem Lebensstil einüben, der nachhaltig versuche, die Regeneration der natürlichen Ressourcen der Erde zu ermöglichen, sagte der leitende Theologe des Evangelischen Kirchenkreises Siegen am Mittwoch auf der Kreissynode in Wilnsdorf-Wilgersdorf. „Also eine Ethik des ‚Genug‘ zu praktizieren, statt des ‚Immer mehr‘.“ Die Synode, das Leitungsgremium des Kirchenkreises, beriet auf ihrer Herbsttagung in der CVJM-Jugendbildungsstätte Wilgersdorf über wichtige Zukunftsfragen des Kirchenkreises. Unter anderem debattierten die 115 anwesenden Synodalen über die nachhaltige Umgestaltung des Hauses der Kirche in Siegen, das dringend sanierungsbedürftig ist, und die Wiederbesetzung eines synodalen Ausschusses zur Bewahrung der Schöpfung.

Stuberg betonte in seinem Bericht vor den mehr als 100 Abgeordneten aus den Kirchengemeinden und Einrichtungen des Kirchenkreises, zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens brauche es ein Nebeneinander von politischen Lösungen im Weltmaßstab und dem Handeln im Kleinen vor Ort. „Die Jugendlichen von Fridays for Future mahnen uns ja heute zurecht daran, die Zukunft künftiger Generationen nicht weiter aufs Spiel zu setzen.“ Als frühes Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften nannte Stuberg den Hauberg, die traditionelle genossenschaftliche Waldbewirtschaftung im Siegerland. Der Hauberg lebe durch beständiges Erneuern seiner wertvollen Rohstoffe, sagte der Superintendent. „Genau solch eine Haltung ist es, die wir einüben, einnehmen und für die wir werben müssen.“ Mit Blick auf den möglichen Umbau des Hauses der Kirche gelte es, neueste Energie-Standards einzuhalten. Auch Kirchengemeinden müssten ihre Infrastruktur dahingehend überprüfen, inwieweit sie CO2-Ausstoß verringern könnten.

Klar stellte sich der Superintendent gegen Extremismus und Antisemitismus, wie er sich Anfang Oktober im Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale gezeigt habe, bei dem zwei Menschen getötet wurden. „Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Glaubensgeschwister“, betonte Stuberg. „Wir wissen um unsere innere Verwandtschaft und Verbundenheit mit den Menschen jüdischen Glaubens.“ Gerade in Erinnerung an den Nationalsozialismus gelte es, „von Anfang an dem Bösen zu wehren“. Ausdrücklich stellte der Theologe sich auch „an die Seite der Menschen, die in gegenseitiger Verantwortung, Liebe und Treue in homosexuellen Partnerschaften leben und die dafür diffamiert, stigmatisiert oder gar therapiert werden sollen“, sagte Stuberg. „In unserem Kirchenkreis haben wir dank vieler zuhörender Gespräche gelernt, dass unsere Glaubensgeschwister ihren Glauben an Jesus Christus und ihre homosexuelle Liebe ehrlich miteinander vereinbaren wollen und dieses auch können.“ Stuberg verwies in diesem Zusammenhang auf die 58 Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft des Kirchenkreises, auf das Evangelische Gymnasium und die Angebote der kirchlichen Jugendarbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten mit Kindern und Jugendlichen eine demokratische Haltung ein, „die den Andersdenkenden und Andersglaubenden als gleichwertig betrachtet, weil sich in uns allen Gottes Ebenbild gebrochen wiederspiegelt“.

Nachhaltige Veränderungen stehen beim Personal des Kirchenkreises an. Allmählich müsse eine jüngere Generation Verantwortung für die Kirche übernehmen, sagte Stuberg. Probleme bereite indes der Mangel an jungen Pfarrerinnen und Pfarrern. „Nicht mehr die Fülle von Kandidaten bewirbt sich in den Gemeinden, sondern die Gemeinden bewerben sich bei den Kandidaten.“ Umso mehr freute sich Stuberg, der Synode mehrere junge Theologinnen und Theologen vorzustellen, die jüngst ihren Dienst im Kirchenkreis Siegen angetreten haben: Pfarrer Christian Oelke aus Freudenberg, der Ökumenische Mitarbeiter Pastor David Mushi, Pfarrerin Mirjam Klein, die ihren Probedienst in Kreuztal absolviert, Pfarrer Daniel Schwarzmann, der im Probedienst vor allem in Netphen eingesetzt ist, Vikar Jan-Phillip Nagel und Vikarin Angelika Meyer-Ullmann. Im kommenden Jahr wird Stuberg zudem mit Pfarrer Martin Schreiber einer Gruppe Theologiestudierenden der Ruhr-Universität Bochum bei einem Klausurwochenende den Kirchenkreis Siegen vorstellen. Stuberg zeigte sich überzeugt: „Unsere Gemeinden sind attraktiv und überzeugend, wir müssen es nur in aller Bescheidenheit zeigen und Erprobungsmöglichkeiten dafür bieten.“

Bild: Der westfälische Oberkirchenrat Ulrich Möller richtete ein Grußwort an die Synodalen.

 

Oberkirchenrat Ulrich Möller von der Evangelischen Kirche von Westfalen rief die Synodalen in seinem Grußwort auf, angesichts von Strukturdebatten die große Vision für die Zukunft der Kirche nicht aus dem Blick zu verlieren. „Wozu sind wir eigentlich gesandt? Was brauchen die Leute wirklich?“ Dazu seien die Freiräume wichtig, die der Kirchenkreis Siegen mit seinem neuen Fonds für innovative, missionarische und diakonische Projekte eröffne. Auch in den Gesprächen des Kirchenkreises Siegen mit dem Nachbarkirchenkreis Wittgenstein über eine mögliche Vereinigung könnten visionäre Perspektiven liegen, sagte Möller. „Ich freue mich zu sehen, wie Sie die Erneuerung unserer Kirche in Südwestfalen nicht nur im Blick haben, sondern verheißungsvoll voranbringen“, sagte Möller.

Der Burbacher Bürgermeister Christoph Ewers betonte in seinem Grußwort die heimatstiftende Wirkung von Kirche und Religion. Kommune und Kirchenkreis teilten das Ziel, für die Menschen, für die sie Verantwortung trügen, Heimat erfahrbar zu machen, zu leben und zu gestalten, sagte Ewers. Heimat sei auch ein religiöser Begriff. „Gott selbst gibt Heimat und eine tiefe Geborgenheit.“ Burbach habe in diesem Jahr sein 800-jähriges Bestehen deshalb unter anderem auch mit mehreren ökumenischen Gottesdiensten begangen.

 

Bild: Kirche und Religion stiften Heimat, betonte der Burbacher Bürgermeister Christoph Ewers in seinem Grußwort.

 

Einen Rückblick auf die Tagung der Landessynode der Evangelischen Kirche in Westfalen in der vergangenen Woche lieferten auf der Kreissynode am Mittwoch die beiden Abgeordneten Cornelia Dreute-Krämer aus dem Kreissynodalvorstand und Pfarrer Tim Winkel aus Deuz. Auf der Synode wurde Präses Annette Kurschus, bis 2012 Superintendentin im Kirchenkreis Siegen, für eine zweite Amtszeit als leitende Theologin der Landeskirche bestätigt. Neben Themen wie Klimaschutz und dem Zwischenbericht der landeskirchlichen Beauftragten für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung beschäftigte sich die Landessynode zudem mit einigen Änderungen von Kirchengesetzen. So sind künftig in der westfälischen Landeskirche und damit auch im Kirchenkreis Siegen alle Getauften, also auch Kinder, zum Abendmahl zugelassen. Zudem können auch gleichgeschlechtliche Paare evangelisch getraut werden. Die Trauordnung ermöglicht es Pfarrerinnen und Pfarrern, aus Gewissensgründen solche Trauungen abzulehnen. In diesem Fall stellt der Kirchenkreis sicher, dass ein anderer Pastor oder eine andere Pastorin das Paar traut. „Wir werden damit allen Paaren gerecht werden können“, sagte Tim Winkel.

 

Text und Fotos: Jasmin Maxwell-Klein

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