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„Wenn der Klapperstorch vorbeifliegt“
Psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch in der EFL

14.8.2012

Sich ein Kind zu wünschen und lange darauf warten zu müssen, erleben viele Paare als enorme psychische Belastung. Die meisten trifft es völlig unvorbereitet, wenn sie merken, dass sich die gewünschte Schwangerschaft nicht einstellt. Innerhalb der Familie oder im Freundeskreis wird nicht darüber geredet, da die Situation von den Betroffenen als Makel empfunden wird. Dies geht einher mit einer Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls: „Wir schaffen etwas nicht, was das Normalste von der Welt ist“. Nicht selten geraten Paare darüber in eine Lebenskrise, die auch mit Schuldgefühlen verbunden sein kann. Manche Betroffene suchen die Schuld bei sich selbst. „Haben wir zu lange gewartet?“, fragen sie sich.

Eine solche Belastung oder gar Lebenskrise müssen Paare nicht alleine durchstehen. Die zertifizierten BKiD-Beraterinnen der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Ev. Kirchenkreises Siegen (EFL) Heike Tönnes und Anette Schwarz-Ebert kennen die Lebenskrisen, in die ein unerfüllter Kinderwunsch führen kann und wissen Paare helfend zu begleiten. Sie gehören dem Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD) an.

Ungewollte Kinderlosigkeit ist alles andere als selten. Etwa zwei Millionen Paare in Deutschlang sind unfreiwillig ohne Nachwuchs, schreibt die Wissenschaftsjournalistin Monika Wimmer in dem Magazin „Psychologie heute“. Nach Auskunft von Dr. Elisabeth Bellersheim-Hebrock, Frauenärztin und beratende Ärztin für die EFL, sind 10% bis 15% aller Ehen betroffen. „In der Weltgesundheitsorganisation gilt ein Paar als steril, wenn trotz bestehenden Kinderwunsches nach mindestens einem Jahr regelmäßigem Geschlechtsverkehr ohne Empfängnis verhütende Maßnahmen keine Empfängnis eintritt. Mittlerweile gibt es die Erkenntnis, dass dieser Zeitraum auf zwei Jahre ausgedehnt werden könnte, was an veränderten Rahmenbedingungen liegt, aber individuell entschieden werden muss“, so die Frauenärztin.
Die Ursachen für eine Sterilität können sehr vielseitig sein und sind bei Mann oder Frau gleich häufig. 10–20% der Fälle bleiben ungeklärt. Bei einer Frau sind hormonelle Störungen deutlich häufiger als organische Störungen. Aber auch Störungen mit psychosozialen Ursachen oder Folgen anderer Erkrankungen können eine Rolle spielen. Dass Alter der Frau ist mittlerweile ein nicht unwesentliches Kriterium, da die Familienplanung häufig später beginnt.
Beim Mann sind neben organischen, hormonellen oder immunologischen Ursachen auch psychische Gründe wie Versagensängste, Leistungsdruck bekannt. Andere Erkrankungen können ebenfalls Unfruchtbarkeit zur Folge haben.

Viele Paare nehmen medizinische Hilfen in Anspruch, die beispielsweise die Frauenärzte, der Hausarzt oder ein Kinderwunschzentrum anbieten. Diese mit Hoffen und Warten verbundene Zeit, ist eine psychische Belastung und verursacht seelischen Stress. Zunehmend schwer wird es für Paare, wenn trotz medizinischer Behandlungen keine Schwangerschaft eintritt, körperliche Komplikationen auftreten oder auch die finanziellen Möglichkeiten erschöpft sind. Schnell schlägt dann die Phase der Hoffnung in Verzweiflung um. Hinzu kommen womöglich Schuldgefühle, wenn sich nach medizinischen Untersuchungen herausstellt, dass eine Zeugungsunfähigkeit vorliegt, und der Mann den Wunsch der Partnerin nach einem eigenen Kind nicht erfüllen kann.

Hier kann eine Beratung helfen, die belastende Kinderlosigkeit und die damit verbundenen Gefühle besser zu bewältigen, wissen Heike Tönnes und Anette Schwarz-Ebert. Tönnes: „Beratungsgespräche haben das Ziel, die Betroffenen zu entlasten, zu stabilisieren und hierdurch die Verarbeitung der aktuellen Lebenssituation zu unterstützen. Beratung kann dazu beitragen, sensibler für die eigenen Bedürfnisse zu werden und ein wenig entspannter mit dem Kinderwunsch umzugehen.“

Auch die Partnerschaft, die häufig durch „das Drehen um den Kinderwunsch“ in den Hintergrund gerät, kann wieder mehr in den Mittelpunkt gelangen. Schwarz-Ebert: „Die Paare können Wege finden, die gemeinsame Zeit wieder mehr zu genießen und das Schöne in der Partnerschaft zu entdecken. Während einer medizinischen Behandlung, in der die Paare zwischen Hoffnung und Enttäuschung hin- und hergerissen, einem enormen seelischen Druck standhalten müssen, ist die Beratung zudem ein Ort, wo Gefühle wie Trauer, Wut und Verzweiflung ausgedrückt werden können.“

Inhalt der Beratungsgespräche ist oftmals auch die Frage, wie man ohne Kind ein erfülltes Leben führen kann. Tönnes und Schwarz-Ebert wissen, die Annäherung an ein Leben ohne Kind wird in der Regel von den Betroffenen als schmerzhafter Prozess wahrgenommen, der Trauerarbeit notwendig macht. Jetzt geht es darum, das Leben neu zu ordnen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln.

Neben der Einzel- und Paarberatung besteht auch die Möglichkeit, an einem Gruppenangebot teilzunehmen. Aktuell wird derzeit eine Selbsthilfegruppe für Paare und Einzelne mit Kinderwunsch aufgebaut. Interessierte können sich hierzu gerne in der EFL informieren.
Ein Beratungstermin für Einzel- oder Paargespräche kann über das Sekretariat der EFL unter 0271-250 280 vereinbart werden.
kp

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)
Heike Tönnes und Anette Schwarz-Ebert (von links) sind EFL-Beraterinnen, zertifiziert gemäß der Kriterien des Beratungsnetzwerkes Kinderwunsch Deutschland e.V.

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