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Literaturcafé mit Jürgen Mette
Wie ein Theologe der Zitterkrankheit zum Trotz
sein Leben gestaltet
9.4.2014
Seit einigen Jahren hat er einen Begleiter, der ihm das Leben schwermacht. Er nennt ihn Herr P.. Herr P. hat ihm einen Teil seiner Freiheit geraubt. Herr P. sorgt dafür, dass seine Körperbeherrschung verringert wird. Oft verursacht Herr P., dass er am ganzen Leib zittert. Einfache alltägliche Dinge zu verrichten, wie mit einem Messer zu hantieren, wird unmöglich, weil es viel zu gefährlich ist. Herr P. steht für Parkinson. Seit einigen Jahren lebt Jürgen Mette mit der Krankheit. In dem Buch „Alles außer Mikado“ setzt er sich mit seiner Krankheit und seinem Leben auseinander. Am vergangenen Sonntag (6. April 2014) war der Autor zu Gast in der Ev. Kirchengemeinde Neunkirchen. „Hauptsache gesund!?“ lautete seine Themenpredigt im Gottesdienst. Nachmittags erzählte und las er im Literaturcafé, einer neuen Veranstaltungsform der Kirchengemeinde. Ausgesprochen humorvoll ist sein Umgang mit seiner Krankheit, seinem Leben und seinem Glauben. So manche Anekdote aus dem krankheitsgeplagten Alltag des Theologen verursachten Lachsalven des Publikums. Nicht immer konnte er so locker über seine Situation sprechen. Nachdem er von seiner Krankheit erfahren hatte, fiel der Gottesmann in eine schwere Lebens- und Glaubenskrise. Sein Glaube wurde durch Zweifeln erschüttert. In diesen Wochen halfen dem Liebhaber klassischer Musik die Oratorien von Bach durch die Tage. Die tiefen Texte des Theologen und Kirchenlieddichters Paul Gerhardt wurden ihm Trost. Aber auch seine Familie war ihm in der depressiven Phase besonders wichtig. Er lernte im Laufe der Zeit nicht nur mit der Krankheit und den Beeinträchtigungen umzugehen, sondern begann auch, davon zu erzählen. Von seinen Kindern und einem Verleger ermutigt, schrieb der heute 62-jährige ein Buch über seine Erfahrungen. Die Schreibphase war intensiv. Morgens von 5–7 Uhr arbeitete er an dem Manuskript. In zwei Monaten war das Buch fertig, in einem Stück geschrieben. „Alles außer Mikado“ schaffte es auf die Spiegel-Bestsellerliste. Mette: „Ich habe entschieden zu signieren, statt zu resignieren.“ Er erzählte über die Anfänge der Symptome wie hängende Schultern, schleppender Schritt und der Versuch, das Zittern zu verbergen. Dann kam die Erkenntnis: „Ich verliere die Kontrolle über meinen Körper, ich verliere meine Freiheit. Ich konnte es nicht mehr abstellen.“ Viele schöne Unternehmungen hatte er hinausgeschoben und für den Ruhestand vorgesehen. Und nun? Es dauerte, bis er sich eingestand: Ich habe diese Krankheit und ich will darüber reden. Das tut Jürgen Mette nun mit Erfolg. In Zeppenfeld fand seine 104. Autorenlesung statt. Mette erzählt mehr, als er liest. Schmunzelnd, humorvoll. Er kann über sich selber lachen und Witze über die Krankheit machen. Sport sollte er treiben. Doch damit hat er es nicht so. Er hat seine eigene Sportart gefunden. Relaxing nennt er sie schmunzelnd. In seinem Leben musste und muss er sich neu einrichten. Der ehemalige Jugendpastor und Jugendevangelist, Gemeindeberater und Lehrbeauftragter am Theologischen Seminar TABOR leitete von 1998 bis 2013 als geschäftsführender Vorsitzender einen christlichen Verlag, die Stiftung Marburger Medien. Er musste kürzer treten, ist aber noch in manchem christlichen Verband als Vorstandsmitglied aktiv. Er reist viel und hält Vorträge. Das ist eine seiner starken Begabungen. Für sein Leben hat Jürgen Mette Hoffnung: „Ich kann wieder glauben, dass ich trotz Parkinson vielleicht noch die beste Zeit meines Lebens vor mir habe. Ich bin aber auch so nüchtern, zu sehen, dass vielleicht auch die schwerste Zeit noch vor mir liegt.“ Ihm wurde das kürzeste Glaubensbekenntnis wichtig: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. „Mehr braucht es nicht.“
Besorgt äußert sich der Pfarrer am Ende seiner „Lesung“ über den Zustand der Gemeinde Jesu. „Wir empören uns über Randthemen und stehen nicht mehr in der Mitte zusammen um Jesu willen. Die Krankheit macht mich sensibel im Umgang mit anderen Menschen.“
kp
Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)
Sehr humorvoll und dennoch ernst erzählte Jürgen Mette von seinem Umgang mit der Krankheit Parkinson, die seinen Lebensalltag verändert hat.
Etliche Buchexemplare konnte Jürgen Mette in Zeppenfeld signieren.