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Jugendarbeit auf dem Prüfstand
Kirchenkreis Siegen visitiert eigenes Referat für Jugend und Gemeindepädagogik

9.5.2014

Eine Delegation des Kirchenkreises Siegen unter der Leitung des Superintendenten Peter-Thomas Stuberg visitiert derzeit das eigene kreiskirchliche Referat für Jugend und Gemeindepädagogik. Bislang sind immer ausschließlich Kirchengemeinden besucht worden. Die Überprüfung einer eigenen Einrichtung hat es erinnerlich noch nie gegeben. Anlass ist die Neustrukturierung der kirchlichen Jugendarbeit vor fünf Jahren. Die nahm ihre erste Etappe im Jahr 2008, als nach langen Vorbereitungen im Kirchenkreis Siegen der Beschluss gefasst wurde, die hauptamtliche Jugendarbeit zu erhalten und solidarisch zu finanzieren. Damals sahen etliche Kirchengemeinden sich nicht mehr in der Lage, ihre eigenen hauptamtlichen Jugendreferenten zu finanzieren. Mitarbeitenden in der Jugendarbeit drohte die Entlassung. Ein Jahr lang beriet ein Ausschuss, wie die Jugendarbeit anders organisiert werden könnte. Schnell wurde deutlich, wie schwierig es ist, hauptamtliche Jugendarbeit auf Kirchenkreisebene zu regeln. Geht es dabei doch nicht nur um die Gemeinden, sondern auch um Regionen und den Kirchenkreis. In manchen Gemeinden leistet der CVJM die kirchliche Jugendarbeit. Zudem müssen die Anstellungen, die Dienst- und Fachaufsicht, sowie Vertretungen geregelt werden. 2009 ließ sich die Kreissynode auf das neue Modell von hauptamtlicher Jugendarbeit im Kirchenkreis Siegen ein. Manche Kirchengemeinde musste sich damit abfinden, ihren bislang eigenen Jugendreferenten mit anderen Kirchengemeinden zu teilen. Die Jugendreferenten wiederum mussten lernen, mit der Fülle der Aufgaben und manchem Anspruchsdenken von Kirchengemeinden angemessen umzugehen. Die evangelische Kinder- und Jugendarbeit und auch die gemeindepädagogische Arbeit werden seitdem von einem synodalen Koordinierungsausschuss begleitet und beraten.

Nun soll überprüft werden, welche Verbesserungen dem Modell der Jugendarbeit gut tun. Das geschieht in den nächsten Wochen bis Mitte Juni mit Hilfe des Instrumentes der Visitation. Über 60 ausgewählte Veranstaltungen werden von Mitgliedern des 20-köpfigen Visitationsteams besucht, die sich nach einem umfangreichen Fragebogen ein Bild über die jeweilige Veranstaltung machen. Kindergruppen, Jungscharen, Jugendgottesdienste, Kinderbibeltage, offene Angebote, ökumenisch ausgerichtete Jugendangebote werden besucht und auch die Bezüge in die Kommunalpolitik werden in Gesprächen erörtert. Nicht zuletzt wird die Zusammenarbeit der Gemeinden in den sieben Regionen und mit dem Kirchenkreis unter die Lupe genommen.

 

Der Auftakt der umfangreichen Visitation fand am Dienstag, 6. Mai 2014, in der evangelischen Kirche Niederschelden statt. Die regionalen Ausschüsse, der synodale Koordinierungsausschuss, der Kreissynodalvorstand und die hauptamtlichen Mitarbeitenden waren eingeladen, um sich gemeinsam auf den Visitationsweg zu machen. Pfarrer Rolf Fersterra, Stellvertreter des Superintendenten und Vorsitzender des synodalen Koordinierungsausschusses, ging in seiner Andacht auf einen Vers aus dem Buch Jesaja ein: „Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr es denn nicht“ (Jesaja 43, 19). Er hob hervor, dass Kirche und auch ihre Jugendarbeit immer auf dem Weg bleiben zwischen Alt und Neu. Fersterra: „Gott schafft Neues. Wir dürfen dem nachgehen und das Neue tapfer ergreifen. Die Botschaft bleibt, die Formen ändern sich.“ Das neue Modell der hauptamtlichen Jugendarbeit sei noch nicht fertig und auch nicht unumstößlich. Viele Gemeinden betrachteten es immer noch durch die Brille der Örtlichkeit. Er selbst habe das neue Modell zunächst kritisch angesehen. Fersterra: „Heute sehe ich engagierte Hauptamtliche und gute Projekte wo Gott seinen Geist im Spiel hat.“

 

„Wenn Jugendliche über Glauben reden … - Spiritualität und Lebenswelten von Jugendlichen“ lautete das Thema, zu dem Silke Gütlich, Mitarbeiterin des Amtes für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, einen anspruchsvollen Vortrag hielt. Die Referentin hatte 2012 die Pilotstudie „Spiritualität von Jugendlichen“ mit dem Forschungsinstitut Empirica betreut.

Zunächst hatten 47 Jugendliche in Einzel- und Gruppeninterviews von ihrem Glauben erzählt und davon, was ihnen in ihrem Alltag Sinn gibt, was für eine Bedeutung die Kirche für sie hat und wer Gott für sie ist. Aus den Antworten wurde ein 50 Fragen umfassender Fragebogen entwickelt, mit dem flächendeckend in Westfalen über 1330 Jugendliche im Alter zwischen 14–19 Jahren in ev. Schulen, Freizeiten, offenen Jugendarbeiten und Jugendkreisen befragt wurden. So konnten insgesamt 66.500 Antworten erfasst werden. Silke Gütlich zeigte einige Ergebnisse der Studie auf. In den letzten 10 Jahren, so die Referentin, habe sich viel im Denken der Jugendlichen verändert. Gütlich: „Was noch vor 10 Jahren funktioniert hat, funktioniert heute nicht mehr. Es ist zu überlegen, welche neuen Ansätze gebraucht werden, um Jugendliche mit dem Evangelium bekanntzumachen?“ Die Zeit sei für Jugendliche rauer geworden. Ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen sei zeitlich kaum noch möglich. Jugendliche wollten allerdings Halt und Zugehörigkeit haben, einen Platz, der sich nicht verändere.

Durch die Studie sei beispielsweise deutlich geworden, dass Glaube und Gemeinschaft für Jugendliche untrennbar zusammengehörten. Jugendliche könnten gut über ihren Glauben reden, wollten dies aber häufig nicht. Herausgekommen sei auch, dass der Glaube bei Jugendlichen oftmals eine funktionale Wirkung habe und mit Familie, Heimat, Glück oder Frieden zusammenhänge. Gott komme da nicht unbedingt vor. Jugendliche mit einem transzendenten Bezug hätten keinen dogmatischen, sondern einen Erlebnisglauben. Die befragten Jugendlichen hätten nichts gegen die Kirche, aber auch nichts für sie. Nach einer statistischen Ermittlung erführen 93% der befragten Jugendlichen Lebenssinn durch soziale Beziehungen und 91,7% glaubten an zwischenmenschliche Werte. 74,8% bezögen Sinn aus einem nachhaltigen Lebensstil. Aber auch Sinn durch Erfolg und Leistung (66,9%) werde angegeben. 48,8% der Jugendlichen glaubten an etwas Übernatürliches und für 31,5% hätten die Inhalte des christlichen Glaubens eine Bedeutung.

Ein Fazit Gütlichs: „Wir müssen die Angebote, die Jugendliche erreichen, mit ihnen gemeinsam entwickeln.“

Superintendent Stuberg ist sich sicher: „Gott lässt sich immer wieder auf die nachrückenden Generationen ein. Er kennt sie. Er weiß, wie das Herz eines Kindes tickt.“ Er erläuterte abschließend die Vorgehensweise der Visitation, bei der die Jugendlichen in den Blick genommen werden sollen, aber auch die Mitarbeitenden in der Jugendarbeit. Es geht bei den Besuchen auch darum, die Struktur der Jugendarbeit im Kirchenkreis wahrzunehmen und die Ausstattung mit Sachmitteln. Stuberg: „Wo steht ihr in der Jugendarbeit? Was ist euch heilig? Und wo will Gott mit euch hin? Das zu sehen, ist Ziel der Visitation.“

Die Leiterin des kreiskirchlichen Referates Anja Hillebrand ist froh, dass der Kirchenkreis die eigene Jugendarbeit in den Fokus nimmt. Sie verspricht sich davon eine Unterstützung und damit Stärkung der Arbeit. Das Ergebnis soll auf der Herbstsynode Ende des Jahres vorgestellt und beraten werden.

Nach dem Auftakt der Visitation hatte die Männerkochgruppe der Kirchengemeinde Niederschelden alle zu einem Imbiss ins benachbarte Gemeindehaus eingeladen.

kp

 

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)

 

Die Gestaltung der hauptamtlichen Jugendarbeit steht im Kirchenkreis auf dem Prüfstand. In der Auftaktveranstaltung stellten sich die Mitarbeitenden des Referates für Jugend und Gemeindepädagogik vor.

 

Superintendent Peter-Thomas Stuberg: „Wo steht ihr in der Jugendarbeit? Was ist euch heilig? Und wo will Gott mit euch hin? Das zu sehen, ist Ziel der Visitation.“

 

Silke Gütlich vom Amt für Jugendarbeit der EKvW erläuterte, wie Jugendliche heute über ihren Glauben denken und reden.

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