News-Archiv
Woche der Diakonie 2014
Jahresempfang, Ausstellung, Ansprüche
22.9.2014
Diakonie-Jahresempfang im Zeichen des Jubiläums
RWL-Vorstand Thomas Oelkers: Ev. Krankenhäuser müssen sich Rahmenbedingungen anpassen
Der Jahresempfang der Diakonie in Südwestfalen im Rahmen der “Woche der Diakonie 2014” im Siegerländer Haus der Wirtschaft war ein besonderer: Denn im Mittelpunkt stand das Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen des größten regionalen Gesundheits- und Sozialdienstleisters. „Die gelebte Diakonie im Siegerland ist aber schon wesentlich älter“, sagte Geschäftsführer Dr. Josef Rosenbauer mit Blick auf die 155-jährige Historie des Diakonie Klinikums Bethesda in Freudenberg. Vor einem Vierteljahrhundert jedoch bekam die hiesige Diakonie mit der Gründung der Ev. Krankenhäuser im Siegerland gGmbH – aus der 2002 die heutige Diakonie in Südwestfalen hervorging – ein unternehmerisches Gewand. „Die Diakonie zeichnet aus, dass sie mit der Zeit gegangen ist und sich Veränderungen nie verweigert hat“, betonte Rosenbauer. „Dadurch sind wir heute mit mehr als 100 Einrichtungen an 40 Standorten ein leistungsfähiger Partner für lebenslange Beziehungen“, so der Geschäftsführer. „Unsere Arbeit steht auf einem festen christlichen Fundament, das uns sicher trägt.“
Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Ev. Kirchenkreises Siegen, sprach in seiner Andacht von einer geheimnisvollen Mitte der Diakonie. „Es ist beeindruckend, für wie viele Menschen hier Dienst getan wird.“ In wunderbaren Momenten könne man die Kraft der Begegnung mit Gott spüren. Wie weitreichend die Angebote der Diakonie in Südwestfalen sind, zeigt der neue Imagefilm des Unternehmens. Hierin hat Filmemacher Manuel Rueda aus Siegen das Leistungsspektrum der Diakonie in Südwestfalen in 120 Sekunden bildstark zusammengefasst. Zu sehen ist der Streifen im Internet unter www.diakonie-sw.de.
Die veränderten Rahmenbedingungen waren Thema des Festvortags. Thomas Oelkers, Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), sprach über diakonische Krankenhäuser im Spannungsfeld von Wettbewerb, Kostendruck und christlichem Selbstverständnis. „Die Rahmenbedingungen ermutigen nicht, sich im Krankenhauswesen zu engagieren“, sagte Oelkers, der selbst Aufsichtsrats-Vorsitzender eines evangelischen Krankenhauses war. „Aber wir wollen unseren diakonischen Auftrag natürlich nicht aufgeben.“ Oelkers geht nicht davon aus, dass sich die Krankenhausfinanzierung in absehbarer Zeit verbessern wird. Deshalb rät er, die Bedingungen zu akzeptieren: „Auch evangelische Krankenhäuser müssen unternehmerisch denken und handeln.“ Es seien moderne Unternehmensstrukturen von Nöten, mit denen man auf Veränderungen reagieren kann. „Hohe Effizienz wird aber durch härtere Vorgaben beantwortet“, kritisierte Oelkers. „Immer mehr Patienten werden in immer weniger Krankenhäusern mit immer weniger Betten behandelt. Eine komplexere Managementaufgabe ist kaum möglich.“ Vor allem private Anbieter würden den Druck verstärken. „70 Prozent der Kosten eines Krankenhauses sind Personal-, die restlichen 30 Prozent Sachkosten“, sagte Oelkers. „Das ist ein dramatisches Spannungsfeld.“ Denn für den Juristen ist deutlich, dass Mitarbeiter großen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg haben. „Eine einfühlsame Betreuung der Patienten kann ein Geschäftsführer nicht beschließen, das müssen Mitarbeiter leben.“
Ein weiterer eindrücklicher Programmpunkt des Jahresempfangs: Superintendent Peter-Thomas Stuberg und der Diakoniebeauftragte des Ev. Kirchenkreises Siegen, Pfarrer Thomas Weiß, ehrten vier Menschen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten auf besondere Weise um die Diakonie verdient gemacht haben, mit dem Goldenen Kronenkreuz. Diakonisse Annelie Mengel (65) aus Siegen war von 1964 bis 2012 hauptamtlich bei der Diakonie in Südwestfalen tätig. 20 Jahre davon leitete und prägte sie die Diakonie-Station Siegen-Mitte. Bis heute engagiert sich Annelie Mengel in verschiedenen Ehrenämtern. Auch Elke Rautenberg aus Netphen erhielt die Ehrennadel. Die 70-Jährige bekleidet verschiedene Ehrenämter im Ev. Kirchenkreis Siegen und stand zudem einige Jahre dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis Siegen vor. Für seinen besonderen Einsatz für die diakonischen Einrichtungen in Freudenberg erhielt Rudolf Kalteich (75) das Goldene Kronenkreuz. Bis heute ist er Vorsitzender des Kuratoriums des Diakonie Klinikums Bethesda in Freudenberg. Thomas Wegner aus Siegen wurde für seinen Einsatz als Vorsitzender des Fördervereins des Diakonie Klinikums Jung-Stilling geehrt. In dieser Position ermöglichte der 84-Jährige dem Krankenhaus bereits viele Neuerungen. „Das Goldene Kronenkreuz ist ein Zeichen des Danks für ihren unermüdlichen Einsatz am Nächsten“, sagte Weiß. „Die Verbindung von Kreuz und Krone soll Zuversicht ausdrücken, weil auch Jesus Unglück und Leid überwunden hat.“
Den musikalischen Part übernahmen Inga Herder und Rainer Maaß vom Verein MusicalKultur Daaden. Sie sangen eine Lieder aus bekannten Musicals.
Bildunterschrift:
Standen beim Jahresempfang der Diakonie in Südwestfalen im Mittelpunkt (von links): Thomas Oelkers, Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Superintendent Peter-Thomas Stuberg, Diakonie-Geschäftsführer Dr. Josef Rosenbauer, Thomas Wegner, Diakonisse Annelie Mengel, Diakoniebeauftragter Pfarrer Thomas Weiß, Elke Rautenberg und Rudolf Kalteich.
Ausstellung liegt Christina Rau am Herzen
25 Schautafeln zeigen in der Ev. Martinikirche Siegen
das Wirken des ehemaligen Landesvaters
Mit diesem Besuch hat Christina Rau den Freiwilligen, die sich für ein Soziales Jahr bei der Diakonie in Südwestfalen entschieden haben, eine besondere Ehre erwiesen: Gemeinsam mit Gästen aus Kirche und Politik eröffnete die Witwe von Johannes Rau in der Siegener Martinikirche eine Ausstellung, in der die jungen Männer und Frauen das Leben des ehemaligen Bundespräsidenten und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen präsentieren. „Es ist für mich eine große Freude hier in Siegen zu sein“, betonte Christina Rau in ihrer Eröffnungsrede. Auch Diakonie-Geschäftsführer Dr. Josef Rosenbauer schaute anerkennend auf die Arbeit der Aussteller, aber ebenso das Leben von Johannes Rau. „Diese Ausstellung erinnert uns an einen großen deutschen Politiker und Menschen, der sich um unser Land und seine Menschen verdient gemacht hat“, verdeutlichte er. Stets habe Rau für eine menschenwürdige Gesellschaft gekämpft und Tugenden verkörpert, die beeindrucken. „Es ist schön, wenn sich junge Menschen mit einer Person auseinandersetzen, die besonders war“, sagte Superintendent Peter-Thomas Stuberg und wünschte den Akteuren viele Zuschauer, die sich von dem Portrait beeindrucken lassen.
Auf 25 Schautafeln dokumentieren die Freiwilligen markante Spuren, die Johannes Rau in Kirche und Gesellschaft hinterlassen hat. Ein halbes Jahr lang beschäftigten sich dafür nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Freiwillige mit dem Leben von Johannes Rau und beschreiben in eindrucksvollen Texten und Bildern seinen politischen, privaten und christlichen Weg. „Mit dieser Ausstellung haben wir eine lang gehegte Idee verwirklicht“, erklärte Dirk Hermann während der Vernissage. Hermann verantwortet den Freiwilligendienst bei der Diakonie in Südwestfalen und führte die jungen Erwachsenen in Theorie und Praxis schrittweise an das Thema heran. So besuchte er mit den 20 Teilnehmern des Projekts den ehemaligen Dienstsitz von Johannes Rau, die Villa Hammerschmidt in Bonn. Darüber hinaus trafen sich die Freiwilligen mit Christina Rau in Berlin. In enger Zusammenarbeit mit ihr skizzierten und planten sie die Ausstellung, die für die Witwe des ehemaligen Bundespräsidenten eine echte Herzensangelegenheit ist. „Wir alle brauchen Vorbilder, die Maßstab sind und uns anleiten“, sagte Christina Rau. Seit vielen Jahren setzt sie sich für Projekte von Sozialverbänden und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege ein. In Siegen sollen drei Elemente Johannes Rau den Menschen in der Region näher bringen: Fotos, Zitate und ein biografischer Abriss. Letzterer veranschaulicht wichtige Stationen in seinem Leben. 1931 wurde Johannes Rau in Wuppertal geboren, 2006 starb er in Berlin. Neben weiteren politischen Ämtern war der Sozialdemokrat von 1970 bis 1978 Wissenschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und beteiligte sich in dieser Funktion maßgeblich an der Gründung der Universität Siegen. Anschließend war Rau Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Dieses Amt bekleidete er 20 Jahre lang. 1987 trat er für seine Partei als Kanzlerkandidat an. Ihren Höhepunkt erreichte seine politische Karriere 1999: Rau wurde Bundespräsident. Einen Namen machte er sich in dieser Zeit als Ansprechpartner für alle Menschen. Er galt als Versöhner, Brückenbauer und Menschenfreund. Vor allem wusste er um die Macht der Worte und nutzte sie in seinen Reden. So gab seine Berliner Ansprache zur Integrationspolitik den Anstoß zu einem Gesetzgebungsverfahren, mit seiner Rede vor dem Parlament in Israel (Knesset) setzte er historische Maßstäbe. Mithilfe charakteristischer Zitate stellen die Freiwilligen aus Siegen Johannes Rau vor und schaffen gleichzeitig eine Verbindung mit dem Thema der Ausstellung „Johannes Rau – ein Christ in der Politik“. Noch bis zum 5. Oktober wird die Ausstellung dienstags, mittwochs und donnerstags von 15 bis 18 Uhr sowie nach den sonntäglichen Gottesdiensten bis 12:30 Uhr in der Ev. Martinikirche zu sehen sein.
Bildunterschrift:
Ein besonderer Augenblick: In der Ev. Martinikirche Siegen eröffnete Christina Rau, Witwe von Johannes Rau (dritte von rechts), eine Ausstellung über den ehemaligen Bundespräsidenten. Gäste der Vernissage waren auch Pfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng von der Martinigemeinde, Superintendent Peter-Thomas Stuberg, Dirk Hermann, Referent für Freiwilligendienste bei der Diakonie in Südwestfalen, die Freiwilligen Lucas Marchesano und Vegard Labeit sowie Diakonie-Geschäftsführer Dr. Josef Rosenbauer (von links).
Ansprüche der diakonischen Arbeit
Professor Dr. Traugott Jähnichen erläuterte vier Elemente der heutigen Diakonie
Diese Frage bewegte die Zuhörer des Siegener Forums Soziales im Ev. Gemeindehaus Wellersberg in Siegen: Wie kann Diakonie unter den heutigen Rahmenbedingungen noch Diakonie sein und bleiben? Antworten darauf gab Professor Dr. Traugott Jähnichen von der Ruhr-Universität Bochum, der auf Einladung von Superintendent Peter-Thomas Stuberg referierte. In seinem Vortrag ging der Theologe und Ökonom auf die Wurzeln der diakonischen Arbeit sowie aktuelle Ansprüche und Herausforderungen ein. Er beleuchtete damit beide Seiten der heutigen Diakonie: die kirchliche und die wissenschaftliche. „Diakonie ist ein Markenzeichen evangelischer Nächstenliebe und steht für den Dienst am Menschen“, sagte Jähnichen. Mit einem Blick in die Vergangenheit beschrieb er, dass wesentliche Teile der heutigen Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen durch diakonische und karikative Arbeit begründet wurden. Während früher ausschließlich der Dienst für andere im Vordergrund stand, geht es heute zusätzlich um Fachlichkeit. Professionalisierung sei das Stichwort, das die Diakonie geprägt hat. „Die Ansprüche sind gestiegen, und es gibt staatliche Vorgaben, an die man sich halten muss“, erklärte der Referent. Konkret heißt das: Auch die diakonischen Dienste wurden immer mehr in den Sozialstaat integriert. So änderte sich auch die Bildung der Mitarbeitenden. Sozialarbeiter ließen sich beispielsweise an Fachhochschulen ausbilden und erhalten seither höhere Gehälter.
Einen weiteren Einschnitt in die Diakonie-Geschichte gab es in den 1990er Jahren. Diakonische Einrichtungen wurden erstmals mit Finanzierungsproblemen konfrontiert. „Die Ökonomisierung des Gesundheits- und Sozialwesens rückte immer weiter in den Vordergrund. Fallpauschalen und Budgets kündigten sich an“, erläuterte Jähnichen. Um die Kosten zu reduzieren, entstehen seit fast zwei Jahrzehnten immer größere Konzerne. „Sie versuchen durch ihre Größe und eine zentrale Steuerung ihrer Tochtergesellschaften auf den Kostendruck zu reagieren“, verdeutlichte der Referent. Ferner zeigen sich laut Jähnichen auch Veränderungen in der Mitarbeiterstruktur. „Einrichtungen sind nicht mehr ausschließlich durch die Tradition des evangelischen Glaubens geprägt, sondern maßgeblich durch eine individuelle Spiritualität“, sagte Jähnichen. Viele unterschiedliche Glaubensgemeinschaften arbeiten gemeinsam unter einem Dach. Die heutige Diakonie ist also mit gleich vier Elementen konfrontiert, die aus der Historie erwachsen sind: dem christlichen Grundverständnis, der Professionalisierung, dem zunehmenden Kostendruck und einer veränderten Mitarbeiterstruktur. „Zukunftsweisend ist es für die Diakonie, alle diese Elemente in Balance zu bringen“, betonte Jähnichen. Denn Diakonie ist einerseits vom christlichen Glauben geprägt, muss sich aber trotzdem der Individualität ihrer Mitarbeiter annehmen, hohe Fachlichkeit leisten und auf steigende Kosten reagieren. Der Vortrag fand im Rahmen der Woche der Diakonie statt. Gezeigt wurde auch der neue Imagefilm der Diakonie in Südwestfalen. Mehr unter www.diakonie-sw.de
Bildunterschrift:
Informierte im Ev. Gemeindehaus Wellersberg in Siegen über die Wurzeln der diakonischen Arbeit sowie Ansprüche und Herausforderungen: Der Theologe und Ökonom Professor Dr. Traugott Jähnichen von der Ruhr-Universität Bochum.
Texte und Fotos: Diakonie in Südwestfalen