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Es wird ihnen im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit geschenkt: dem Teebeutel, einem Glas Milch, den Champignons oder einem Bündel Karotten. Manche von ihnen stehen sogar unter argwöhnischer Beobachtung, wie etwa der Giersch, der sich siegessicher im Garten verbreitet und den zu bekämpfen völlig vergeblich bleibt. Jan Wagner widmet aber gerade den scheinbar unauffälligen Alltagsgegenständen einen intensiven und überraschenden Blick. Er setzt ihnen in seinen zahlreichen Gedichten eine Art kleines Denkmal und überrascht jedes Mal mit seiner neuen Perspektive. Jetzt konnten sich gut 80 Zuhörende in der Martinikirche in Siegen davon überzeugen, dass den Alltagsgegenständen und den Dingen, die uns unbeachtet umgeben, so etwas wie ein Geheimnis innewohnt. So beschreibt er zum Beispiel den Norden wie eine unerklärbar erwartungsvolle Gegend, „wo die flachen Feldsteine von den Bergen träumen“ und „die Bäume, in den Wind gekrümmt, vorübergebeugt nach Löchern im Erdboden suchend“ sind wie „nach verlorenen Zehnpfennigstücken“. Oder ihm fällt in einem Zug auf, der auf freier Strecke zwischen Hamburg und Berlin hält, dass die Landschaft sich durch das Zugfenster betrachtet wie ein gerahmtes Gemälde ausnimmt, in dem zwei Windräder in der Ferne „Probebohrungen in den Himmel“ vornehmen.

Auf Initiative von Heike Dreisbach, Leiterin der Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, hatte sich der 53-jährige Schriftsteller und Lyriker nach Siegen begeben, um aus seinen Gedichten und Prosawerken vorzutragen. Wagner ist kein literarisch Unbekannter. Er wurde mehrfach mit renommierten Preisen für sein vor allem lyrisches Werk ausgezeichnet, wie etwa mit dem Georg-Büchner-Preis oder dem Preis der Leipziger Buchmesse. Sein jüngster Gedichtband „Steine & Erden“ platzierte sich zeitweise auch in der Spiegel-Bestellerliste. Die Zuhörer in der Martinikirche jedenfalls waren gefesselt von seinem Vortrag und drückten mit anhaltendem Applaus ihre Begeisterung über den Blickwinkel aus, den Wagner mit dichtester Sprache hinter der grauen Alltagswelt mit seinen Lesern teilt. „Ich gehe ab morgen besonders aufmerksam durch den Tag“, verriet ein Besucher, der dieser Veranstaltung noch mehr Publikum gewünscht hätte. Kreiskantor Peter Scholl bereicherte diesen Abend zudem mit musikalischen Improvisationen auf dem Konzertflügel, der diese Veranstaltung zu einem unvergesslichen Gesamtkunstwerk werden ließ. Dass es in der alten Martinikirche stattfand, gab ihm noch dazu seinen besonderen unvergesslichen Reiz.