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Kreissynode Siegen 24. Juni 2015
Gestaltung und Zukunft des Ehrenamtes
in einer sich veränderten Kirche
Entwurf eines Ehrenamtskonzeptes bis Sommer 2016
29.6.2015
Das Thema Ehrenamt in der kirchlichen Arbeit stand im Mittelpunkt der Sommersynode des Ev. Kirchenkreises Siegen, die am vergangenen Mittwoch (24. Juni 2015) in der CVJM-Jugendbildungsstätte in Wilgersdorf tagte. Auf zwei Klausurtagungen zuvor hatte sich der Kreissynodalvorstand bereits dieses Themas angenommen.
Die Kirchengemeinden und Einrichtungen des Kirchenkreises waren gebeten worden, in ihren Berichten an die Synode ihre Erfahrungen mit dem Thema zu schildern. Daraus entstand ein 137 Seiten starkes Berichtspapier, auf das sich Superintendent Peter-Thomas Stuberg bei seinem Synodenbericht immer wieder bezog.
Ohne die ehrenamtliche Tätigkeit in der Kirche wäre unsere Kirche nicht die, die sie jetzt sein kann. So oder so ähnlich haben das Thema Ehrenamt alle Kirchengemeinden und Einrichtungen in ihren Jahresberichten beschrieben. Bei vorsichtiger Schätzung des Superintendenten wirken pro Gemeinde im Durchschnitt etwa 100 Männer und Frauen in ihrer Freizeit in der kirchlichen Arbeit mit. Zählt man die vielen Chöre und Posaunenchöre hinzu, kommt man auf über 6.000 Menschen, die sich ehrenamtlich einsetzen. Stuberg benannte die vielen sehr unterschiedlichen Einsatzfelder kirchlicher Tätigkeit. Er hält umfassende Richtlinien für das Ehrenamt im Kirchenkreis für hilfreich.Von der finanziellen Erstattung von Auslagen bis hin zu Fortbildungsmöglichkeiten, von den wünschenswerten Tätigkeitsbeschreibungen bis hin zu Einführungs- und Verabschiedungsgottesdiensten müsse das gesamte Tätigkeitsfeld umfassend in den Blick genommen werden. Dabei sollten den veränderten Gewohnheiten von Ehrenamtlichen Rechnung getragen werden.
Geistliche Substanz
Der Superintendent ging auf die theologische Grundlage des kirchlichen Ehrenamtes ein. „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ (1. Korinther 12, 4–6) Dieses Bild von einem Leib, der aus vielen Gliedern bestehe, beschreibe die klassische biblische Grundlegung von Kirche. Hier werde nicht unterschieden nach haupt- und ehrenamtlichen, nach entgeltlich und unentgeltlich beschäftigten Menschen in der Organisation. Hier werde die geistliche Substanz der einen Kirche allen vorangestellt. Sie wisse sich dem einen Auftrag verpflichtet und einem Gott gehorchend. Ihr liege der protestantische Gedanke eines Priestertums aller Getauften zugrunde. Daher werde in manchen Gemeinden nicht zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen unterschieden. Man gebrauche die Bezeichnung „Mitarbeitende“. Stuberg: „Der Herr der Kirche beruft einen jeden und eine jede zur Mitgestaltung an seinem Reich in dieser Welt, wie es seinen und ihren Möglichkeiten entspricht.“ Er zitierte die Frage 55 des Heidelberger Katechismus, nachdem alle Glaubenden als Glieder Gemeinschaft an dem Herrn Jesus Christus und an allen seinen Schätzen und Gaben haben. Darum solle auch jeder seine Gaben willig und mit Freuden zum Wohl und Heil der anderen gebrauchen. Dieses Bewusstsein, so Stuberg, gelte es gerade vor den zukünftigen Herausforderungen von Kirche mit weniger Hauptamtlichkeit neu durchzubuchstabieren.
Die Gründe, sich in der Kirche zu engagieren, seien sehr unterschiedlich. Genannt werde das Interesse, sich in der Gemeinde zu beheimaten und Gemeinschaft zu erfahren, oder etwas Gutes zu tun und dabei einen Kontrast zur beruflichen Lebenswelt zu erfahren. Als Mittelpunkt werde der Gottesdienst benannt, wo auch Nichttheologen mitwirkten. Das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, sei eine starke Triebfeder. Viele der Beweggründe, wie sie beispielsweise in der Kirchengemeinde Niederschelden unter Ehrenamtlichen abgefragt wurden, entstammten durchaus aus geistlicher Quelle. Viele wüssten um den Zusammenhang zwischen Christsein und tätiger Nächstenliebe. Stuberg: „Evangelium also nicht nur als Zuspruch, den die fromme Seele genießt, sondern auch als Anspruch, der bis in mein Handeln hineinwirkt! Hier schimmert womöglich noch die Kultur des Heidelberger Katechismus durch, der das Befolgen der Gebote unter die Rubrik fasst ,Von der Dankbarkeit‘“. Er hob hervor, dass es nicht nur eine persönliche Erlösung gebe, sondern dass ihr eine Heiligung im Leben von Christenmenschen auf dem Fuße folge. Christsein nehme Gestalt an im Tun! Der Superintendent betonte den inneren Deutungszusammenhang von Ehrenamtlichkeit, den es in der Kirche brauche, damit Ehrenamtliche wüssten, warum sie mitwirkten. Deutlich sei, dass Menschen sich einbrächten, wenn ihr Engagement ihnen sinnvoll erscheine, wenn sie es einordnen könnten in ein größeres Ganzes, einen Zusammenhang erkennten, in eine Ausrichtung gebracht seien und ein gemeinsames Ziel verfolgten. Stuberg gab zu bedenken, ob nicht diese Ziele profilierter und konkreter beschrieben werden müssten, damit Mitarbeit interessant bleibe und selbst kirchlich nicht so stark verbundene Menschen wenigstens neugierig mache.
Wertschätzung
Von hoher Bedeutung sei die Wertschätzung von ehrenamtlicher Arbeit. Sie komme zum Ausdruck durch Dankeschön-Gottesdienste, Empfänge, Ausflüge, kabarettistische Unterhaltung, Konzerte oder ein gutes Essen. Mit einer Begegnung auf Augenhöhe und einem nichthierarchischen Umgang werde eine Grundhaltung beschrieben. Allerdings würden in Gemeindeberichten auch kritische Töne zum Thema Ehrenamt angeschlagen. Es gehe um die Frage, wer in der Kirche wem Wertschätzung schulde und wer für die Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit zuständig sei. Stuberg: „Ist Wertschätzung immer auf diese einfache Formel zu bringen: ‚Die Hauptamtlichen wertschätzen die Ehrenamtlichen entweder genügend oder ungenügend? Wertschätzung muss sein; ja! Aber worin besteht sie? Doch wohl im gegenseitigen aufmerksamen Wahrnehmen aller derjenigen, die ob haupt- oder ehrenamtlich Dienst tun, dieses aber zuerst an der Gemeinde Jesu Christi tun.‘“ Der Superintendent machte deutlich, dass alle im Miteinander Gemeinde seien; berufen durch den Herrn der Kirche für seine Welt. Dieses Grunddatum sich ab und zu in Erinnerung zu rufen, verhindere, so seine Einschätzung, einen drohenden Teufelskreis von Kränkung hier und schlechtem Gewissen dort, hinein in eine herrliche, leichte Freiheit von unzulänglichen und fehlerhaften Kindern Gottes, die alle nur sein könnten.
Rahmenbedingungen
Strukturelle und unterstützende Rahmenbedingungen würden von Gemeinden für das Ehrenamt gefordert. So sieht die Ehrenamtskonzeption der Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf ein Beginnen, Begleiten, Beteiligen, Belohnen und Beenden eines Ehrenamtes vor. Aus dem klassischen Ehrenamt der Vergangenheit habe sich beispielsweise in der Altenheimseelsorge ein qualifiziertes Ehrenamt entwickelt. Hierzu zähle, dass Ehrenamtliche oftmals projektbezogen mitmachen wollten. Sie benötigten eine klare Aufgabenstruktur, ein festgelegtes Budget und die Möglichkeit der persönlichen Einwirkung auf das Ganze. Fortbildungsangebote, Zertifikate und Qualifizierungen spielten eine Rolle. Hierzu sei die neu im Kirchenkreis verortete Erwachsenenbildung hervorragend unterwegs.
Leitungsverantwortung mit Herzblut
Eine besondere Bedeutung hat das Ehrenamt in der Leitungsverantwortung in den Presbyterien und auf Kirchenkreisebene. Manche Konflikte und Interessenkollisionen machten das Mittun bis tief in den Abend mühsam und zermürbend, so Stuberg. Viele Presbyter sähen sich selbst bei aller Motivation hier an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit, die sie in ihrer Freizeit einzubringen bereit und fähig seien. Diese Problemanzeige müsse zu denken geben. Der Superintendent dankte den Presbyterinnen und Presbytern herzlich dafür, dass sie viel Zeit und Herzblut für die Lebendigkeit ihrer Gemeinden aufbringen. Er erwähnte in dem Zusammenhang die Arbeit der kreiskirchlichen Ausschüsse, die Arbeit der Steuerungsgruppe für das Projekt 2025 und ganz besonders die Arbeit des Kreissynodalvorstandes. Dessen Kunstfertigkeit liege darin, die Einzelinteressen und das Geschick des gesamten Kirchenkreises in eine jeweils gute Balance von Fall zu Fall zu bringen.
Abschließend zitiert Stuberg Prof. Dr. Eberhard Hauschildt, Universität Bonn, der auf einer Klausurtagung des Kreissynodalvorstandes gesagt habe: „Die Ehrenamtlichen verleihen der Kirche ein mehr an Glaubwürdigkeit, weil sie freiwillig und unentgeltlich für höhere Ziele tätig sind. Die Arbeitsfelder unserer Kirche sind hierfür nicht nur verlockend und interessant. Sie geben den Menschen auch ganz viel zurück, das mit Geld nicht zu bezahlen ist.“
In Einzelgruppen wurde das Thema Ehrenamt vertieft.
Die Kreissynode Siegen gab dem Kreissynodalvorstand den Auftrag eine „Projektgruppe Ehrenamt“ einzurichten, die bis zur Sommersynode 2016 den Entwurf eines Ehrenamtskonzeptes erarbeiten soll.
kp
Text zum Bild (Fotos Karlfried Petri)
Superintendent Peter-Thomas Stuberg geht in seinem Synodenbericht auf das Ehrenamt in der Kirche ein. Er dankte den vielen Ehrenamtlichen für ihr Engagement, das mit viel Zeiteinsatz und Herzblut geschieht.
In Arbeitsgruppen wurde das Thema Ehrenamt diskutiert.