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Podiumsdiskussion: Welche Perspektiven hat die Ökumene?
20.3.2017
„Die gemeinsame Basis in Christus ist wichtiger als die Unterschiede zwischen uns.“ In diesem Punkt konnten sich kürzlich bei der Podiumsdiskussion „500 Jahre Reformation – vom Konflikt zur Gemeinschaft?!“ alle Redner einigen. Doch sobald es um Details ging, wurde klar, dass einzelne Positionen von Katholiken, Evangelischen und Freikirchen sich noch stark voneinander unterscheiden.
Es diskutierten ein Katholik, eine Evangelische und zwei Freikirchliche
Organisiert wurde die Podiumsdiskussion im Ambulanten Zentrum Albertus Magnus in Siegen von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (AcK).
Moderiert vom Theologen und Autor Günther Klempnauer diskutierten Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe (katholische Kirche), Pfarrerin Annette Muhr-Nelson (Evangelische Kirche von Westfalen), Dr. Johannes Demandt (Bund freier evangelischer Gemeinden) und Prof. Dr. Rolf J. Pöhler (Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten).
Die grundlegende Frage, was Ökumene überhaupt genau erreichen soll, stand dabei stets im Raum. Sollen die christlichen Konfessionen eines Tages ineinander aufgehen? Oder ist das Ziel ein friedliches Miteinander, das unterschiedliche Positionen toleriert? Akzeptiert?
Die Positionen
Annette Muhr-Nelson
(Pfarrerin, Ev. Kirche von Westfalen)
Positiv: „Dieses Reformationsjubiläum ist das erste, das wir in Zeiten der Ökumene feiern.“ Vom Papstbesuch bei der Reformationsfeier in Lund bis zum Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim gebe es viele Zeichen der Hoffnung. Aus evangelischer Sicht seien die Unterschiede zwischen den Konfessionen menschengemacht und daher überwindbar.
Hindernisse: „Das größte Hindernis auf dem Weg zur Ökumene ist das Unfehlbarkeitsdogma der katholischen Kirche.“ Dass diese sich als Institution als sündlos empfinde und sich Gott näher glaube als die anderen Konfessionen, falle diesen schwer zu akzeptieren. Hier prallten verschiedene kirchliche Selbstverständnisse aufeinander: Kirche als von Gott gegebene Institution (katholische Auffassung) oder Kirche als aus Gottes Wort geschaffene, aber von Menschen errichtete Institution (evangelische Auffassung).
Fazit: „In den Schoß der Mutter (Kirche) zurück kann keiner von uns. Aber wir können ein erwachsenes Miteinander pflegen von Geschwistern. Ökumene heißt, Unterschiede gut finden.“
Prof. Dr. Rolf J. Pöhler
(Theologe und Dozent, Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten)
Positiv: „Die ehemals polemischen Positionen sind konstruktivem Dialog gewichen. Vorurteile wurden überwunden.“
Hindernisse: „Die Unterschiede im Kirchenverständnis lassen sich nicht korrigieren.“ Das katholische Ziel der völligen Einheit ließe sich nur verwirklichen, wenn protestantische Überzeugungen aufgegeben würden. Auch das von der Evangelischen Kirche vertretene Modell der versöhnten Verschiedenheit sei nicht zielführend: Es relativiere die grundsätzlichen Differenzen. Kernpunkte für die Siebenten-Tags-Adventisten seien u.a., dass es keinerlei klerikale Macht geben solle und nur Mündige getauft werden sollten.
Fazit: „Ökumene ist kein Einheitsbrei, sondern ein Salat, in dem die einzelnen Früchte noch gut erkennbar sind.“
Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe
(Theologe und Dozent, katholische Kirche)
Positiv: Die katholische Kirche empfinde durchaus Dankbarkeit für die Errungenschaften der Reformation. Sie erkenne auch andere christliche Kirchen an, v.a. die orthodoxe und die anglikanische.
Hindernisse: „Entscheidend, um von katholischer Seite als Kirche anerkannt zu werden, ist das Bischofsamt.“ Konfessionen, die die Autorität des Bischofsamtes (als direkte Nachfolge Christi) ablehnten, könne die katholische Kirche als kirchliche Gemeinschaften akzeptieren, aber nicht als Kirche.
Fazit: „Das heutige Maß an Ökumene ist nicht zufriedenstellend. Es wäre jedoch verrückt, zu erwarten, dass die Nicht-Katholischen ihrer Tradition und Frömmigkeit abschwören.“ Ein gemeinsames Zeugnis für die Menschenwürde wäre glaubhafter als eine einzige Kirche.
Dr. Johannes Demandt
(Theologe, ehem. Dozent und Pastor, Bund freier evangelischer Gemeinden)
Positiv: „Die Basis in Christus ist wichtiger als Unterschiede. Wir müssen uns kennenlernen und aus Fehlern der Vergangenheit lernen.“
Hindernisse: Kern freikirchlicher Überzeugung sei das gleichberechtigte Priestertum aller Gläubigen. Der Wunsch an die Großkirchen laute: Überwindet die Hierarchien. Nicht die Verwaltung von Sakramenten oder die Verkündigung sei das Wichtigste, sondern der persönliche Glaube stehe im Zentrum des Gemeindelebens. „Und warum wird Ökumene überhaupt meist nur als Dialog zwischen Katholischen und Evangelischen verstanden?“
Fazit: „Das Ziel kann keine uniforme Kirche sein, sondern eine Einheit innerhalb legitimer Verschiedenheit.“
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Foto (v.l.): Prof. Dr. Rolf J. Pöhler, Dr. Johannes Demandt, Annette Muhr-Nelson und Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe diskutierten in Siegen über die Perspektiven christlicher Einheit.
Text und Fotos: Stefanie Bald