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Mit ganzer Kraft zum Wohl der Kinder
Jugend-Diakon Günter Westerholt verabschiedet

21.7.2017

Kinder und Jugendliche, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufwachsen, liegen Günter Westerholt besonders am Herzen. Über 37 Jahre lang hat er sich als Jugend-Diakon solcher Kinder und Jugendlichen angenommen. Er zeigte ihnen, dass sie wertvoll sind und hat ihnen die Menschenfreundlichkeit Gottes groß gemacht. Dies über Jahrzehnte hinweg in der Evangelischen Martini-Kirchengemeinde und später als Jugendreferent des Kirchenkreises Siegen in der Region 4, zu der die evangelischen Kirchengemeinden der Siegener Innenstadt sowie Kaan-Marienborn gehören. Anfang Juli wurde er in einem Gottesdienst in der Martini-Kirche in den Ruhestand verabschiedet. „Günter Westerholt hat mit seiner offenen, den Jugendlichen zugewandten Art mit Herz und Seele und seiner ganzen Person Jugendarbeit gestaltet, vor allem die sozial-diakonische Jugendarbeit“, beschrieb Gemeindepfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng den scheidenden Diakon im Gemeindebrief.

 

Der Leiter des Referates für Jugend und Gemeindepädagogik des Evangelischen Kirchenkreises Siegen Volker Peterek schildert Westerholt als über alle Maßen engagiert. Ein Urgestein der evangelischen Jugendarbeit im Stadtgebiet. Immer sei er für seine Jugendlichen ansprechbar gewesen. Die Evangelische Jugend habe er viele Jahre im Stadtjugendring vertreten.

 

Dass Günter Westerholt seinen Beruf als Berufung erleben durfte, war nicht selbstverständlich. Lernte er doch in Enger, im ostwestfälischen Kreis Herford, zunächst den Beruf des Elektroinstallateurs. Anfang der 70er Jahre kam er mit kirchlicher Jugendarbeit in Berührung und damit begann die Überlegung, ob er ein Leben lang als Handwerker tätig sein wolle. Es folgte eine Begegnung, die für Westerholt richtungsweisend werden sollte. Der drahtige junge Mann trainierte für den Hermannslauf, einem 31,1 km langen Volkslauf vom Hermannsdenkmal zur Sparrenburg. Dabei traf er auf den Leiter der Diakonischen Ausbildungsstätte Bethel. Die beiden kamen ins Gespräch. Es dauerte nicht lange und Günter Westerholt begann in der heutigen Diakonischen Gemeinschaft Nazareth in Bethel eine sechsjährige umfassende soziale und theologische Ausbildung zum Diakon. Er holte Schulabschlüsse nach und erhielt Einblicke in die vielfältigen diakonischen Aufgaben. Dazu gehörte beispielsweise die Arbeit mit behinderten Menschen, Obdachlosen oder Drogenabhängigen. Günter Westerholt wurde zum Diakon in der Gemeinschaft Nazareth aufgenommen.

 

1980 führte ihn eine andere Begegnung in die Martini-Kirchengemeinde nach Siegen. Pfarrer Heinz-Günther Risse besuchte mit Konfirmanden die Einrichtungen für epileptische Menschen in Bethel. Dort traf er auf den jungen Diakon Günter Westerholt. Die Martini Kirchengemeinde suchte derzeit einen Jugendreferenten. Kurze Zeit später zog Westerholt mit seiner Familie in die Dreisbach nach Siegen. Das Klima in der Kirchengemeinde sagte dem Diakon zu. Westerholt: „Es gab kaum Hierarchien, für die Arbeit bestanden große Freiräume, die Mitarbeitenden begegneten sich auf Augenhöhe, es herrschte Offenheit und Vertrauen untereinander.“ Über Jahrzehnte prägte er die Jugendarbeit der Martini-Kirchengemeinde. Unter seiner Regie wurde das „Cult“, die Jugendetage des Gemeindehauses in der St.-Johann-Straße, für viele Generationen von Jugendlichen Anlaufstelle, ein Ort kreativen Gestaltens und interaktiver Begegnungen. Hier fanden Jugendliche Ansprechpartner. Sie erlebten, dass sie wahrgenommen und ernst genommen wurden als wertvolle Persönlichkeit. Der Diakon hatte in der Begegnung mit behinderten Menschen gelernt, diesen Respekt zu zollen und sie anzuerkennen. Diese diakonische Erfahrung wurde in Martini und später auf Kirchenkreisebene fruchtbar. Westerholt: „Wie schwer haben es Kinder, die in Familien aufwachsen müssen, wo die Alkoholabhängigkeit der Eltern zu unsäglichen Verhältnissen führt. Besonders angerührt war ich, wenn in der Offenen Arbeit Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen sich trauten, Verantwortung für andere zu übernehmen und merkten, dass es gelang.“

 

In seiner Gemeindepädagogik schlug auch sein „grünes Herz“. Schöpfungsethik und die Sicht für eine globale Weite flossen immer wieder in erlebnispädagogische Projekte ein. Nicht selten führten solche Projekte an Flüsse und Seen.

Gewässer mit all ihrem Freizeitwert zogen den Jugend-Diakon an. Er erinnert sich daran, wie 1987 die Idee aufkam, Kanus selbst zu bauen. Die alten Werkshallen der Fa. Waldrich in der St.-Johann-Straße unweit des Evangelischen Gemeindehauses standen leer. Den Raum der dortigen alten Schmiede durfte der umtriebige Diakon nutzen. Vier Kanus entstanden dort und wurden auf der Sieg getestet. Die Idee zog Kreise. Acht weitere Kanus wurden in Ferndorf gebaut und sechs in Betzdorf, so dass zum Schluss 18 Boote verfügbar waren. Die Kanus wurden auf vielen Jugendfreizeiten mitgenommen, die den Jugend-Diakon und seine Jugendlichen bis zum Nordkap führten.

 

In den vergangenen 37 Jahren haben sich die Verhältnisse für Jugendliche verändert. Westerholt: „Die Freiräume für Jugendliche sind enger geworden. Die Lebenstaktung ist höher. Jugendliche werden vollgestopft mit Informationen. Es gibt kaum noch die Möglichkeit sich auszuprobieren und Fehler machen zu können. Jugendliche erleben kaum noch Zeit der Muße, des kreativen Seins und haben kaum Zeit zum Nachdenken. Immer ist Aktion gefragt. Zudem ist das Freizeitverhalten von Jugendlichen, die zwar früher selbstständig werden, aber innerlich nicht reifer sind als Jugendliche zuvor, zunehmend kommerzialisiert und konsumorientiert.“ Dem gelte es entgegenzuwirken und dabei auch die Eltern einzubeziehen.

 

Das mit dem Wasser und den Booten lässt Westerholt nicht los. Auch nicht als Rentner nach dem 1. August. Er hat den Bootsführerschein für Binnengewässer. Ein eigenes Segelboot wäre schon schön, träumte er des Öfteren. Dieser Wunsch ging vor nicht allzu langer Zeit in Erfüllung. Ein Tieflader bog unlängst in das Wohngebiet am Häusling ein, dahinter ein großer Kran. Und kurze Zeit später stand eine ziemlich heruntergekommene 10 Meter lange Segelyacht im Garten von Günter Westerholt. Eine englische MK 32 Westerly. Bis Oktober soll die Außenhaut des Schiffes restauriert sein. Dann wird es nach Sneek in Holland überführt, wo das Boot seinen Heimathafen findet und der Innenausbau beginnt.

 

Seine Berufung und damit seine Leidenschaft für ein gutes Leben für Kinder und Jugendliche könnte für den Rentner Westerholt auch weiterhin eine Aufgabe sein. Ließe sich das Boot nicht nutzen, um mit Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen in See zu stechen? Das wäre was. Aber bis dahin gibt es an dem Schiff noch viel zu tun. Für seine ehrenamtliche Mitarbeit in der Martini-Kirchengemeinde hat sich der ehemalige Jugend-Diakon ein „Sabbatjahr“ verordnet. Westerholt: „Ich will an dem Boot bauen und mich mehr um meine Frau und die Kinder kümmern. Die sind während meiner Berufstätigkeit doch etwas zu kurz gekommen. Da habe ich was nachzuholen.“

kp

 

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)

 

Eine Schiffsglocke mit dem Namen Westerlie erhielt Westerholt für seine Westerly von den Kolleginnen und Kollegen im Referat für Jugend und Gemeindepädagogik im Evangelischen Kirchenkreis Siegen.

 

Der jugendpädagogische Seebär mit der blank polierten Schiffsglocke.

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