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Der Tod kommt selten zur rechten Zeit
Sterbende brauchen Begleitung
18.4.2018
In der Gesellschaft wird das Thema Sterben und Tod tabuisiert. Es wird verdrängt in Krankenhäuser, Pflegeheime und Hospize. Gut, dass es diese Einrichtungen gibt und dort kranke und sterbende Menschen professionelle Hilfe erhalten können. Dennoch wünschen sich viele Menschen, zuhause in ihrer gewohnten Umgebung und bei ihrer Familie sterben zu können. Nicht immer ist dies für Angehörige leistbar.
Die Evangelische Kirchengemeinde Oberholzklau greift in diesem Jahr das Tabu-Thema Sterben und Tod auf. In sechs offenen Gesprächsabenden nähert man sich dem Thema mit einem anderen Schwerpunkt. So wurde bereits die Palliativmedizin angesprochen, die Menschen hilft, nach einer todbringenden Diagnose so lange wie eben möglich Lebensqualität zu erhalten. Am vergangenen Montag (16. April 2018) erörterte Pfarrer Oliver Günther mit Silvia Teuwsen, Koordinatorin des Ambulanten Ev. Hospizdienstes Siegerland, in der Evangelischen Kirche Alchen, wie Sterben erlebt wird und wie man Sterbende begleiten kann. Der Ambulante Ev. Hospizdienst Siegerland, eine Einrichtung des Diakonischen Werkes im Evangelischen Kirchenkreis Siegen, ermöglicht es, dass unheilbar kranke und sterbende Menschen sowie ihre Angehörigen eine gute Begleitung erhalten können.
Hilfe im Sterben
Auf ihr eigenes Sterben von Pfarrer Günther angesprochen, wünschte sich Teuwsen in dieser Lebensphase Menschen an ihrer Seite sowie eine gute medizinische und palliativ-pflegerische Versorgung. Die Fachfrau, eine studierte Theologin, machte deutlich, dass Sterbebegleitung eine Hilfe im Sterben sei und deutlich keine Hilfe zum Sterben. Es sei eine Hilfe, damit Menschen in Würde sterben könnten. Dazu gehöre Autonomie, Schmerz- und Systemkontrolle und die Achtung vor jedem Menschen, unabhängig von seiner Leistung. Jeder Mensch sei ein wertvolles Geschöpf Gottes. Teuwsen: „Jeder Mensch lebt unterschiedlich und jeder Mensch stirbt unterschiedlich.“ Deutlich machte Teuwsen, einen schwerkranken oder sterbenden Menschen zu betreuen sei eine Leistung, die zumeist nicht alleine vom privaten Umfeld des Pflegebedürftigen erbracht werden könne. Ein tragfähiges Netz sei nötig. Hospiz- und Palliativversorgung lebe von dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Berufsgruppen und Hilfsangeboten. Dazu gehörten beispielsweise zusätzlich zu den Angehörigen der Pflegedienst, der Hausarzt, eventuell ein speziell in Palliativmedizin ausgebildeter Arzt, ein Krankengymnast, der Ambulante Hospizdienst, ein Seelsorger oder auch eine Haushaltshilfe. Bei allem müssten auch die eigenen Pflegegrenzen erkannt werden. Guter Wille alleine reiche nicht aus. Zudem sollten Erholungsphasen und Auszeiten für die Angehörigen organisiert werden, damit die ihre eigene Seele pflegen könnten.
Entscheidungen respektieren
Sterben ist ein Prozess, der unterschiedlich lange dauern kann. Es können wenige Stunden oder auch etliche Monate sein. Teuwsen: „Wichtig ist es, die Entscheidungen des Sterbenden zu respektieren, ihn nicht zu bevormunden und ihn so zu unterstützen, dass er der Experte für sein eigenes Leben und eigenes Sterben ist.“
Der Ambulante Hospizdienst begleitet auch Menschen, die alleine zuhause leben. Teuwsen: „Das ist sehr schwierig, aber nicht unmöglich.“ Das Pflegeheim müsse ihrer Ansicht nach jedoch keine schlechte Alternative sein. In den letzten Jahren sei hier eine Hospizkultur eingezogen mit Konzepten und Vorbereitungen auf die Sterbesituation von Bewohnern.
Sterben ist oft ein Abschied in kleinen Schritten in der Zeit, die noch bleibt, weiß Pfarrer Oliver Günther aus seiner Seelsorgeerfahrung. Unterschiedliche Gedanken und Empfindungen machen sich breit. Dazu können ein Nicht-wahr-haben-wollen, Wut und Zorn, Traurigkeit und Depressionen aber auch schlussendlich Akzeptanz gehören. Hier bieten die Helfenden des Hospizdienstes die Möglichkeit, unbefangen Themen anzusprechen, die sich Angehörige womöglich nicht anzusprechen trauen. Die Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht. „Aber“, so Teuwsen, „wir zwingen keine Gespräche auf.“ Die Erfahrung der Hospiz-Fachfrau ist, „dass Menschen so sterben, wie sie gelebt haben“. Einsam, selbstbestimmt, trotzig oder auch ergeben. Viele wüssten, fühlten, oder äußerten sich, dass ihr Tod unmittelbar bevorstehe. Teuwsen: „Viele Menschen sind am Ende des Lebens offen für Spiritualität, für Transzendenz, für die Frage nach Sinn und nach dem, was nach dem Leben auf der Erde kommt. Auch Menschen, die immer von sich gesagt haben, dass sie nicht glauben. Die Mitarbeitenden des Ambulanten evangelischen Hospizdienstes sind aufmerksam für diese Fragen, machen Gesprächsangebote.“ Hilfreich und tröstend könnten das Vorlesen von Psalmen, wie beispielsweise den bekannten Psalm 23, sein oder dass Lieder gesungen oder vorgelesen würden.
Sterbebegleitung ist zumeist weiblich
Am Ende des Lebens sei es nicht ungewöhnlich, dass ein Sterbender dann sterbe, wenn Angehörige für kurze Zeit den Raum verlassen hätten. Dies sei kein Grund für Selbstvorwürfe. Teuwsen: „Ich habe den Eindruck, dass ein Mensch sich womöglich den genauen Zeitpunkt aussucht.“
Auffällig ist, dass das Thema Sterbebegleitung weiblich ist. Überwiegend Frauen besuchten den Gesprächsabend. Und auch die im Ambulanten Hospizdienst zurzeit 30 ehrenamtlich Mitarbeitenden sind überwiegend Frauen. Teuwsen: „Wir freuen uns über die mitarbeitenden Männer, weil dadurch weitere und andere Eigenschaften eingebracht werden können.“ Im Sommer geht ein weiterer Kurs mit 15 Teilnehmenden zu Ende. Ein neuer Kurs zur Ausbildung von Mitarbeitenden im Ambulanten Hospizdienst beginnt im Herbst.
kp
Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)
Bild oben:
Pfarrer Oliver Günther und Silvia Teuwsen, Koordinatorin des Ambulanten Ev. Hospizdienstes Siegerland erörterten in einem Podiumsgespräch, wie sterbenskranke Menschen und Sterbende begleitet werden können.
Silvia Teuwsen: „Meine Erfahrung ist, dass Menschen so sterben, wie sie gelebt haben.“