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Tag der Notfallseelsorge Siegerland
Trauer-Trauma Schuld

24.9.2018

Der 14. „Tag der Notfallseelsorge Siegerland“ fand am Freitag, den 14. September, im Gemeindezentrum auf dem Rödgen statt. Wie jedes Jahr trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Feuerwehren und des Deutschen Roten Kreuzes, der Polizei, der Malteser, der Caritas und der Johanniter sowie der Lehrerschaft, der Schulberatungsstelle und die Notfallseelsorgerinnen und Seelsorger aus dem Kreis Olpe und dem Siegerland.

Der Schwerpunkt der Tagung lag dieses Jahr auf dem Thema „Trauma-Trauer-Schuld“. Wie kann ein angemessener Umgang mit Opfern von Groß-Katastrophen geschehen, die sich auf menschliches Versagen zurückführen lassen? Wie verknüpfen sich in solchen Auf- und Verarbeitungsprozessen bei den Opfern und Angehörigen die Elemente Trauma, Trauer und  Schuld miteinander?

Als Referent zu diesem Thema war Dipl.-Psych. Thomas Weber vom Zentrum für Trauma und Konfliktmanagement (ZTK) in Köln eingeladen. Er arbeitet im Bereich der Trauma-Nachsorge und war in vielen Krisengebieten dieser Welt unmittelbar nach Großschadenssituationen vor Ort. So unter anderem nach dem Tsunami in Indonesien, nach der German Wings-Katastrophe in Frankreich, nach den Terror-Anschlägen 2016 in Paris und nach dem Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009. In seinen Vorträgen verband er fachliche Informationen über Traumata und deren Auswirkungen sowie praktische Handlungsanweisungen miteinander. Für die Anwesenden waren dies hilfreiche Infos, denn als Notfallseelsorger sind sie in ihrem Dienst am Nächsten oft mit traumatisierten Menschen konfrontiert und müssen in schwierigen Situationen die richtigen Worte finden.

Thomas Weber sprach in seinen Vorträgen genau in diese Situationen hinein. Traumata sind Verletzungen der Seele und der Psyche, die mit einem akuten Verlust der Handlungskontrolle nach oder schon während eines schockierenden Erlebnisses einhergehen. Ein solches Trauma äußere sich jedoch bei jedem Menschen unterschiedlich, so Weber. Viele erleben beispielsweise den Schockmoment als eine „Out of body-Experience“, funktionieren einfach und können sich später nicht mehr an die Geschehnisse erinnern. Andere reagieren scheinbar gar nicht oder mit vermeintlich unangemessenem Verhalten. „In Trauma-Situationen regiere eben nicht der Verstand sondern der Körper“, so der Psychologe. Eine solche Trauma-Phase könne dabei bis zu 15 Monaten andauern. In dieser Zeit sei ein Traumatisierter dann oft Gefangener seiner Erinnerungen an die Schocksituation.

Weber bemängelte, dass die Gesellschaft in solchen Situationen oft viel zu schnell die Rückkehr der Betroffenen in ein „normales Leben“ und ein „normales Verhalten“ fordere. „Umgehend wieder zu funktionieren“, sei oft die unausgesprochene Erwartung oder der vermeintlich gute Ratschlag an ein Traumaopfer. Hier plädierte Weber an die Anwesenden: „Sie dürfen so fühlen wie sie fühlen!“, sei der richtige Zuspruch eines Behandelnden an einen Traumatisierten. Fürsorge, Mitgefühl und Verständnis, einfach „Da sein“ gebe Traumapatienten Halt und Perspektive.

Doch auch aus der umgekehrten Perspektive erläuterte Weber das Thema, denn nicht zu verachten sei bei einer Trauma-Nachbehandlung auch die Konsequenz für den Behandelnden selbst, beispielsweise den Ersthelfenden. Ein Trauma sei oft ansteckend und fordere auch die Psyche des Seelsorgenden immens heraus, so Weber.

Die Anwesenden stellten interessierte Nachfragen zu diesem komplexen Thema, das ihnen in ihrem Dienst vor Ort oft begegnet.

In einem Grußwort stellte der stellvertretende Bürgermeister Siegens, Jens Kamieth, heraus, dass der Tag der Notfallseelsorge ein Gewinn für alle Akteure der Notfallseelsorge selbst und auch für Bürgerinnen und Bürger der Stadt sei, die im Schadensfall von der Hilfe der Notfallseelsorgenden profitieren. Kamieth sprach den Anwesenden einen herzlichen Dank aus „für ihr Engagement ohne Grenzen“, ebenso wie der stellvertretende Superintendent des Ev. Kirchenkreises Siegen, Rolf Fersterra. Er verwies in seiner Kurzandacht in Anlehnung an ein Bibelwort darauf, dass ein Seelsorgender im Dienst am Nächsten manchmal wirklich zum Engel werden könne und deshalb ganz sicher im Auftrag Gottes handle.

mmü

 

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Diplom-Psychologe Thomas Weber referierte beim „Tag der Notfallseelsorge Siegerland“ zum Thema „Trauer-Trauma-Schuld“. Foto: Miriam Müller-Schewtschuk

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