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Männertag im Kirchenkreis Siegen
Fluchtursachen auf der Spur
„Manchmal kann man nur heulen!“

13.11.2018

Es sei einer der emotionalsten Männertage gewesen, die er erlebt habe, bemerkte Kreismännerpfarrer Christoph Dasbach am Ende des Kreismännertages am vergangenen Samstag (10. November 2018) in der Friedenskirche in Fellinghausen. Das Thema lautete „Warum Männer fliehen ...“ und machte deutlich, dass Fluchtursachen mit dem wirtschaftlichen Verhalten der Wohlstandsländer und mit dem eigenen Konsumverhalten zu tun haben.

Über 100 Männer aus 13 Männerkreisen hatten sich angemeldet. Mit zwei neuen Männerkreisen in der Dreisbach und Alchen sind im Evangelischen Kirchenkreis Siegen zurzeit 21 Männerkreise registriert.  

Fluchtgründe

Pfarrer Edgar Born, Aussiedlerbeauftragter der westfälischen Landeskirche und Referent für Integration am Institut für Kirche und Gesellschaft, Villigst, konnte mit Zahlen aufwarten. 70 Mio. Menschen sind derzeit registriert auf der Flucht. 30 Mio. davon sind Kinder unter 18 Jahren. Dazu kämen noch viele verborgene Flüchtlinge, die nicht registriert seien. 3, 1 Mio. Menschen seien Asylsuchende. Die meisten Menschen fänden Zuflucht in den Ländern des Südens wie im Libanon oder Südafrika. Born: „Diese Zahlen sind nicht zu akzeptieren. Solidarität und gemeinsame Ziele sind nötig.“

Er zitiert Bundestagspräsident Schäuble mit den Worten: „Zuwanderung ist das Rendezvous unserer Gesellschaft mit der Globalisierung.“  Dann benennt und beschreibt er Fluchtursachen. Dazu gehörten Handelsabkommen mit Gewinnen für die Konzerne und lokale Eliten in Billiglohnländern. Eine Jeans, so Born, werde für 5 Euro produziert. Kaffeeerntehelfer könnten von ihrem Lohn nicht leben. Agrardumping betreibe die EU, wenn sie mit hochsubventionierten Lebensmitteln die Märkte in Afrika überschwemme. Es werde Landraub betrieben, um Biosprit und Palmfett für die westliche Welt anzubauen. Es entstehe eine Landflucht der Einheimischen, die ihre Existenzgrundlage verloren hätten.

Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wachse. 1% der Weltbevölkerung besitze die Hälfte des weltweiten Vermögens. Born stellt heraus, dass Fluchtursachen miteinander zusammenhängen: „In den globalen Zusammenhängen hat immer alles mit allem zu tun“. Krieg und Gewalt, Perspektivlosigkeit und Armut, Diskriminierung und Verfolgung, Rohstoffhandel und Landraub oder Umweltzerstörung und Klimawandel. Es fielen Sätze, die zum Nachdenken führten: Deutschland gehört zu den größten Waffenexporteuren. Die Hälfte der Wissenschaftler arbeiten für den Tod.

Flucht sei für die meisten Menschen kein Ausweg aus ihrer Situation. Einzelne flüchteten, um dann ihre Familien in der Heimat zu unterstützen. Für 97% der Flüchtlinge sei Europa nicht das Primärziel, sondern Libyen, Syrien oder der Jemen. Manche hätten eine zehnjährige Wanderung hinter sich, bis sie in Europa ankämen.

Fluchtursachen zu bekämpfen heiße gegen die Armut und für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zu kämpfen. Dazu gehöre, das eigene Konsumverhalten kritisch zu durchleuchten und das eigene Bildungsverhalten zu verändern. Die Kirche habe deutlich Stellung zu beziehen und aufzuklären. Born: „Das steht uns Christen zu.“

Bereits Pfarrer Thies Friederichs machte in seiner Andacht zu Beginn der Veranstaltung deutlich, dass die Fremden die Kirchengemeinden etwas angingen. Friederichs: „Aus Fremden können Freunde werden. Mauern können fallen.“

 

Café International

Wie so etwas in Kirchengemeinden praktisch aussieht, zeigte Prof. Dr. Alfons Goris aus der katholischen St.-Johannesgemeinde und der Evangelischen Kirchengemeinde Kreuztal. Hier hat sich 2016 ein ökumenischer Helferkreis gebildet, der das Café International im evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Haus und der katholischen Christus-Erlöser-Kirche betreibt. Alle 14 Tage treffen sich etwa 40–50 Personen. Goris: „Die Räumlichkeiten sind damit ausgelastet, Werbung nicht mehr nötig.“ Überwiegend sind es muslimische Familien mit Kindern aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und einige wenige aus Afrika. Bei den Treffen geht es um zuhören, reden, helfen. Es wird gemeinsam gespielt und gebastelt. Beim Plätzchen backen erfahren die Flüchtlinge nebenbei etwas über Weihnachten. Ein Höhepunkt sei das Internationale Seifenkisten-Projekt gewesen. 40 Kinder und Jugendliche hätten in gemischten Teams aus Flüchtlingen und Einheimischen gemeinsam Seifenkisten gebaut und ein Rennen gefahren. Goris: „Der Spass wurde mit dem Nützlichen verbunden. Es entwickelten sich Freundschaften.“ Finanziert wird das Projekt aus Kirchenmitteln, Spenden und Zuwendungen der Stadt Kreuztal.

 

Flüchtlinge

Wenn aus seelenlosen statistischen Zahlen verletzte Menschen werden mit Gesicht und Seele, bleibt man nicht unberührt. Pfarrer Christoph Otminghaus, Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf, gab Flüchtlingen ein solches Gesicht und erzählt von der Flüchtlingsarbeit der Kirchengemeinde. Ein Flüchtling aus Ghana, durch Kinderlähmung behindert und mit Durchschüssen an den Beinen, sei nach Libyen gegangen, um zu arbeiten. Dort habe man ihn mit Waffengewalt nach Europa geschickt. Er könne zwar  nicht lesen und schreiben, habe sich jedoch als begabter Kfz-Mechaniker erwiesen und arbeite in einer Autowerkstatt.

Eine Muslima mit Mann und Kind hätten sich Ostern vor zwei Jahren taufen lassen. Eine Patin begleite die Familie. Der Mann habe den Führerschein gemacht und arbeite jetzt als Klempner. Die Familie sei integriert in die Kirchengemeinde und nehme an Gottesdiensten teil. Die Frau sei bei der Kirche als Reinigungskraft in Teilzeit beschäftigt. Ihre eigene Mutter sei noch auf der Flucht und in der Türkei – mit den drei kleinen Geschwistern. Diese Frau sein schwer krebskrank. Sie werde die Familienzusammenführung wohl nicht mehr erleben. Was werde aus den Kindern? Otminghaus: „Manchmal kann man nur heulen.“  Ein Mann aus Afghanistan wurde ins Kirchenasyl aufgenommen, für das die Kirchengemeinde Räume eingerichtet habe. Er sei aus Bulgarien gekommen und habe abgeschoben werden sollen. Nun werde die Anwendung des Deutschen Asyls geprüft. Der Muslim sei in der Kirchengemeinde akzeptiert. Langsam komme er in die Gottesdienste, Konzerte und andere Veranstaltungen im Gemeindehaus. Er merke, dass wir Christen sind. Otminghaus: „Diese Menschen sind Geschenke für uns in der Kirchengemeinde.“

Seit drei Jahren wird in Wilnsdorf ein ökumenischer Laden mit Secondhandverkauf und Tafelausgabe betrieben. Zuerst aus der Flüchtlingsarbeit entstanden, so Otminghaus, habe man auch immer mehr durch diese Arbeit Kontakt zu anderen armen Menschen in Wilnsdorf gefunden. Zeitweilig haben sich bis zu 200 ehrenamtlich Mitarbeitende in der Flüchtlingshilfe in Wilnsdorf engagiert.

 

Der nächste Kreismännertag findet jedes Jahr in einer anderen Kirchengemeinde statt. Im nächsten Jahr am 9. November 2019 in Dreis-Tiefenbach. Referent ist Pfr. i. R. Klaus-Jürgen Diehl.

kp

 

Pfarrer Edgar Born,  Aussiedlerbeauftragter der westfälischen Landeskirche, schilderte eindrucksvoll, welche Verantwortung die Wohlstandsländer an den Fluchtursachen von Millionen Menschen haben. Fotos Karlfried Petri

 

In Kreuztal betreiben Christen das ökumenische Café International. Es setzt auf die persönliche Begegnung von Menschen. Prof. Dr. Alfons Goris beschrieb das Projekt.

 

Pfarrer Christoph Otminghaus stellt Flüchtlinge vor, die in der Ev. Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf Zuflucht gefunden haben.

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