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Du kommst aus dem Gefängnis frei
Pfarrer Lothar Schulte in der Ev. Kirchengemeinde Netphen verabschiedet
24.1.2019
In der evangelischen Martinikirche Netphen wurde am vergangenen Sonntagnachmittag (20. Januar 2019) Pfarrer Lothar Schulte von Superintendent Peter-Thomas Stuberg verabschiedet. In seiner Ansprache machte Stuberg deutlich, dass Pfarrer Schulte, auch wenn er weiterhin in Netphen wohnt, nicht mehr als Gemeindepfarrer für Predigt und Seelsorge zuständig sei. Elf Jahre lang habe Schulte in der Ev. Kirchengemeinde Netphen das Evangelium von Jesus Christus gepredigt und Gottes Liebe und Treue bezeugt. In dieser Zeit sei er in die Gemeinde eingewachsen. Etliches von dem, was ein Pfarrer tue, entziehe sich der öffentlichen Wahrnehmung. Dieser Anteil werde sich in seiner neuen Aufgabe deutlich verstärken. Ab März hat er keine normale Kirchengemeinde mehr, sondern betreut als Gefängnisseelsorger Strafgefangene in der Justizvollzugsanstalt Attendorn. In Zukunft seien leisere Töne gefragt im Zwiegespräch, im Hören, im Verstehen und Zeit, sich auf eine Situation gründlich einlassen. Dazu gehöre Geduld, etwas reifen zu lassen, damit Menschen sich entfalten könnten.
Eingehend auf die Zeit in Netphen erinnerte Stuberg an die anderen Formen von Gottesdienst, die Lothar Schulte ausprobiert hat. Besonders in Erinnerung bleibt beispielsweise der Theatergottesdienst im Rahmen des Reformationsjubiläums. Stuberg: „Lothar Schulte hat andere Kost ausprobiert, als die Gemeinden es gewöhnt sind.“ In einer Einpfarrstellengemeinde, so der Superintendent, bestehe jedoch allzu leicht die Gefahr, dass man von einem Pfarrer mehr erwarte, als jemand zu leisten in der Lage sei.
Bernd Melchert ergriff das Wort für das Presbyterium. Pfarrer Schulte habe sich der Jugend- und Seniorenarbeit mit großem Engagement gewidmet. Dankbar sei man für seine regelmäßigen Andachten in der Frauenhilfe. Stehgreifpredigten seien sein Markenzeichen gewesen. Lothar Schulte habe Spuren hinterlassen. Die geistlichen Früchte seiner Arbeit würden jedoch nicht von Menschen beurteilt. Dies werde in der Ewigkeit offenbar.
Musikalisch wurde der Gottesdienst vom Posaunenchor, dem Martini-Chor sowie Matthias Fischer an der Orgel gestaltet.
Nach dem Gottesdienst hatte die Kirchengemeinde zum Empfang ins Gemeindehaus geladen. Hier wurde in den Grußworten deutlich, wie wertgeschätzt Pfarrer Schulte ist. Bürgermeister Paul Wagener bezeichnete ihn als einen wichtigen Ratgeber, den er als Ansprechperson der Kirchengemeinde vermissen werde. Besonders erwähnte er die 775 Jahrfeier in 2014, die Schulte mit der Kirchengemeinde geprägt hat. Wagener: „Der Pfarrer verlässt ein gut bestelltes Haus“.
Pfarrer Werner Wegener und Vikar Raphael Steden als katholische Amtskollegen hoben das gute ökumenische Miteinander hervor, das seit vielen Jahren selbstverständlich sei. Wagener: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Steden griff schmunzelnd in seine Hemdtasche und überreichte dem scheidenden evangelischen Gemeindepfarrer eine Monopoly-Karte mit dem Aufdruck: „Du kommst aus dem Gefängnis frei“. Den guten Wünschen schloss sich auch Brigitte Weingärtner für die Freie evangelische Gemeinde Netphen an und erinnerte an die vielen gemeinsamen Veranstaltungen. Weingärtner: „Wir sind sehr an Zusammenarbeit interessiert.“ Die Evangelische Kindertageseinrichtung, die Pfarrkollegen aus der Region, der Heimatverein, die Schulen, das Konfi-Team, die Frauenhilfe und das Presbyterium sagten dem scheidenden Pfarrer Dank und gaben Segenswünsche mit auf den Weg. Und auch seiner Frau Heike galt ein herzliches Dankeschön für ihre vielen Dienste in der Kirchengemeinde.
Die Gemeinde war natürlich besonders daran interessiert, wie es nun weitergeht. Superintendent Stuberg beschrieb das weitere Vorgehen. Die Gemeindegliederzahlen ließen deutlich auf eine Wiederbesetzung der Stelle schließen. Die Stelle werde nach der Freigabe durch die Landeskirche ausgeschrieben. Während der Vakanzzeit, die in anderen Fällen auch schon mal länger gedauert habe, würden unter anderem die Pfarrkollegen aus der Region die pastorale Grundversorgung mit übernehmen.
Das letzte Wort hatte Lothar Schulte. Mit viel Wehmut blickte er zurück. Schulte: „Ich danke den Menschen, die sich auf meine verrückten Ideen eingelassen haben. In den Jahren ist eine Verbundenheit gewachsen, die bleibt.“
Bevor Lothar Schulte ins Siegerland kam, war er nach seinem Theologiestudium Vikar in Minden und seit 1999 Pfarrer im Entsendungsdienst im ostwestfälischen Lübbecke. 2003 begann sein Dienst in der Kirchengemeinde Weidenau und anschließend war er im Jugendreferat des Kirchenkreises Siegen und als Seelsorger in der DRK-Kinderklinik tätig.
kp
Pfarrer Lothar Schulte wurde von Superintendent Peter-Thomas Stuberg (v. re.) aus dem Gemeindedienst in Netphen verabschiedet. Im Hintergrund steht noch während der Epiphaniaszeit der Weihnachtsbaum. Schulte übernimmt die Stelle des Gefängnisseelsorgers in der Justizvollzugsanstalt Attendorn. Foto Karlfried Petri