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'Gott ist ein Alcher'
Gottesdienst nach dem schweren Unglück in Alchen

15.9.2019

Wie findet man Worte für das Unsagbare? Eine Woche nach dem schweren Unglück auf dem Backesfest in Alchen haben am Sonntag mehr als 400 Menschen in der Evangelischen Kirche in dem Freudenberger Ortsteil für die Opfer und Betroffenen gebetet und Trauer und Verzweiflung vor Gott gebracht. Bei der Explosion einer Bratpfanne wurden am 8. September mehrere Menschen schwer verletzt, eine Frau starb im Krankenhaus an ihren Verletzungen. In einem bewegenden ökumenischen Gottesdienst, an dem auch zahlreiche Einsatzkräfte der Feuerwehr teilnahmen, drückten Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, der Stadt Freudenberg und des Kreises Siegen-Wittgenstein ihre Betroffenheit und ihre Anteilnahme aus und ließen Raum für Fragen und Tränen.

„Unsagbares ist geschehen“, sagte der Pfarrer der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Oberholzklau, Oliver Günther, in seiner Predigt. Er gestaltete den Gottesdienst zusammen mit seinem katholischen Kollegen Reinhard Lenz. Vor einigen Wochen hätten die Alcher in ihrer Kirche noch den Auftakt der Feierlichkeiten zum Dorfjubiläum „675 Jahre Alchen“ begangen. „Heute weinen wir gemeinsam.“ Angesichts des Unsagbaren sei das Dorf zusammengerückt, sagte Günther. Es sei auch Unsagbares geleistet worden: an Hilfe am Unglücksort und an Anteilnahme, Solidarität und Menschlichkeit. „Menschen tun das Wenige, das getan werden kann – und das Viele, das getan werden muss. Geben Nähe. Schenken Zeit und helfen. Falten die Hände und beten. Hoffen und bitten, flehen und klagen. Teilen Kräfte und Ohnmacht. Sie bleiben da, gehen hin, halten aus, weinen.“

Gott sei in den Tränen gegenwärtig, sagte Günther. Er teile Trauer, Schmerz, Hoffnung und den Mut, das Nötige zu tun. „Gott ist ein Alcher.“ Dafür stehe das Kreuz von Jesus Christus. Am Kreuz habe Gott selbst gelitten und geweint - und auch gehofft. „Diese Hoffnung, so glaube ich zutiefst, hat sich durchgesetzt, die Wirklichkeit nachhaltig verändert.“ Gott verspreche, dass er eines Tages alle Tränen abwischen werde, sagte der Pfarrer unter Verweis auf den Predigttext aus der Offenbarung. „Bis es aber so weit ist: Lasst uns zusammen leben, das ganze Leben teilen, als ein Dorf wie viele und miteinander hoffen.“ Günther schenkte im Gottesdienst den Hinterbliebenen der Verstorbenen einen Holzengel, der ihn schon seit Jahren begleite. „Engel darf man nicht für sich behalten“, sagte er.

 

 

Die Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke äußerte vor den Gottesdienstbesuchern Dankbarkeit für die große Solidarität nach dem Unglück. „Zu spüren, dass es Menschen gibt, hier in der Kirche und weit darüber hinaus, die mitfühlen und zuhören und die einander stützen: Das wird uns helfen, die schwere Zeit zu bewältigen.“ Sie dankte auch Pfarrer Günther und der Gemeinde, die sich unmittelbar nach dem Unglück aufgemacht hätten, um den Menschen Gesprächspartner und Stütze zu sein. Reschke betonte, ihre Gedanken seien bei der Familie der Verstorbenen, den Verletzten und Angehörigen. „Wir nehmen auch die Mitglieder und Organisatoren des Heimatvereins in unsere Mitte und sprechen ihnen Mut und Zuversicht zu. Wir sind bei Ihnen.“

Bürgermeisterin Reschke und Landrat Andreas Müller dankten den Einsatzkräften von Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei sowie den Ärzten, Pflegekräften und Seelsorgern für ihren Einsatz nach dem Unglück. Die Gottesdienstbesucher schlossen sich dem Dank mit Applaus an. Landrat Müller sagte den Alchern zu, dass sie in ihrer Trauer nicht allein seien. „Unzählige Menschen in Siegen-Wittgenstein und darüber hinaus trauern mit Ihnen und hoffen und beten für die Verletzten und Sie, die Angehörigen“, betonte der Landrat. Auch nach dem Gottesdienst seien die Wunden noch nicht verheilt, die Schmerzen blieben und das Bangen um die Angehörigen gehe weiter. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich weiter gegenseitig stärken und füreinander da sind, wie Sie das in den vergangenen Tagen waren“, sagte Müller.

 

Bild oben: Der Gottesdienst am Sonntag in Alchen stand unter einem Bibelwort aus der Offenbarung: "Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen."

Text und Fotos: Jasmin Maxwell-Klein

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