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Wenn das Trauern sich verändert
Pfarrer informieren sich über Bestattungskultur
7.11.2019
Der Umgang mit Tod, Trauer und Bestattungen verändert sich. Auch wenn im Siegerland das klassische Reihengrab weiterhin vorherrscht, spüren Pfarrerinnen und Pfarrer, dass sich auch hier kirchliche Beerdigungen und die Wünsche trauernder Angehöriger vielfach wandeln. Pfarrerinnen und Pfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Siegen informierten sich deshalb bei ihrer Pfarrkonferenz am Mittwoch im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Buschhütten über aktuelle Entwicklungen in der Bestattungskultur. „Wir leben nicht mehr von der Selbstverständlichkeit der Tradition“, sagte der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg. Hinterbliebene wollten heute ihrer Trauer zunehmend einen individuellen Ton, eine eigene Farbe geben.
Eine Tendenz, die auch Landschaftsplanerin Dagmar Kuhle vom Museum für Sepulkralkultur in Kassel beobachtet, die als Referentin in der Pfarrkonferenz sprach. Der zunehmenden Individualisierung stehe aber ein weiterhin starker Wunsch nach Gemeinschaft gegenüber, berichtete die Diplom-Ingenieurin, die für die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Friedhofsträger berät. Der Friedhof habe dabei nach wie vor eine hohe Symbolkraft. Stand in früheren Zeiten der Kirchhof mit Gräbern rund um die Kirche symbolisch für die Hoffnung auf Auferstehung, so gebe es heute andere Bilder, etwa in Bestattungswäldern. „Die Natur kann als Symbol für religiöse Erfahrungen stehen, aber auch für den Wald als Gemeinschaft und als Bild für die Ewigkeit“, sagte Kuhle.
Foto (Jasmin Maxwell-Klein): Landschaftsplanerin Dagmar Kuhle berichtete von aktuellen Entwicklungen in der Bestattungskultur.
Der Trend sei: „Grabfelder entwickeln sich mehr und mehr in Richtung Park“, sagte Kuhle. Ein Beispiel ist der spiralförmig anlegte Memoriam-Garten in Lich. Statt zur Grabpflege kämen viele Menschen eher auf den Friedhof, um auf einer Bank ein Buch zu lesen, berichtete Kuhle. Entsprechend würden gerade bei Urnengräbern oft Formen gewählt, die den Pflegeaufwand minimierten. Nicht zuletzt, weil nicht immer Angehörige in der Nähe seien, die das Grab pflegen könnten.
Durch die starke Zunahme von Urnengräbern, die weniger Platz in Anspruch nehmen, verfügen nach Worten der Landschaftsplanerin viele Friedhöfen zudem über ungenutzte Flächen. Mancherorts entstehen dort neue Orte der Trauer. Auf dem Stadtfriedhof Ricklingen in Hannover gibt es etwa einen grünen Andachtsraum: eine von einer Hecke umgebene runde Fläche, die für Trauerfeiern, aber auch Lesungen und Konzerte genutzt wird. Auch nicht mehr genutzte Gebäude bekommen mancherorts eine neue Bestimmung, wie Dagmar Kuhle am Beispiel eines ehemaligen Leichenhauses im hessischen Rai-Breitenbach zeigte. Das Haus, das ursprünglich zur Aufbahrung von Toten diente und lange ungenutzt war, ist zu einem „Kerzenhäuschen“ geworden, einem Raum für Besinnung und Gedenken.
Foto (Angelika Romig-Saul): "Kerzenhäuschen" in Rai-Breitenbach.
Viele Entwicklungen, von denen die Expertin berichtete, kannten die Siegerländer und Olper Pfarrerinnen und Pfarrer aus ihrer eigenen Arbeit. Auch hierzulande werden Bestattungswälder und Baumfelder auf Friedhöfen immer populärer. Zugleich berichteten Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Kirchenkreis von Herausforderungen, die etwa anonyme Beerdigungen bei der liturgischen Begleitung mit sich bringen. Neue Bestattungsformen könnten eine Chance sein, sich immer wieder neu darüber klarzuwerden, welche Aussage der Ort der Bestattung habe und welche Aussage das Evangelium dazu transportiere, betonte Superintendent Stuberg. Dabei gelte auch bei anonymen Bestattungen, dass Gott zu jedem Menschen sage: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ „Das ist das, was wir zu verkündigen haben und wofür wir stehen“, sagte Stuberg.
Foto oben (Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.): Ein Gräberfeld auf dem evangelischen Friedhof Scheuerfeld-Weidach
Text: Jasmin Maxwell-Klein