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Genügsamkeit statt Konsumstress
Ökonom Niko Paech in der Pfarrkonferenz
16.1.2020

Der Volkswirt Niko Paech hat auf der Pfarrkonferenz des Evangelischen Kirchenkreises Siegen zu mehr Genügsamkeit im Konsumverhalten aufgerufen. „Unsere Güter- und Wohlstandssteigerung hat die Belastungsgrenze der Umwelt überschritten“, sagte Paech, der Professor für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen ist, am Mittwoch vor Pfarrerinnen und Pfarrern sowie weiteren Mitarbeitenden aus dem Kirchenkreis im Gemeindezentrum Oberfischbach. Zudem seien soziale und psychologische Grenzen erreicht. Studien zeigten, dass gesteigerter Konsum nach Erreichen einer bestimmten Grenze nicht zufriedener, sondern unglücklicher mache. „Es geht nicht um Verzicht, sondern um Selbstschutz vor Reizüberflutung und Konsumstress“, betonte Paech. Dabei müssten Grundbedürfnisse von Luxusgütern getrennt werden. Zu Letzterem zählt der Ökonom etwa Flugreisen, SUVs oder Kreuzfahrten und ruft zum Verzicht auf.
„Globale Gerechtigkeit ist vor allem eine Frage der Lebensführung“, sagte Paech. Um das Klimaschutzziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, dürfte jeder Mensch auf der Welt nur ein bis zwei Tonnen CO2 pro Jahr verbrauchen. Aktuell liege der Durchschnittswert in Deutschland bei zwölf Tonnen. Um den CO2-Ausstoß zu senken, hält der Volkswirt es bei weitem nicht für ausreichend, nur auf die Energiewende zu hoffen. „Es gibt keine Alternative zu regenerativen Energien“, stellte Paech klar. Sie lösten aber nicht das Problem, dass der konsumorientierte westliche Lebensstil zu immer mehr CO2-Emmissionen führe. So diene der Kauf von Bio-Lebensmitteln oft eher der Gewissensentlastung von Vielfliegern, kritisierte er. „Nichts führt daran vorbei, die individuelle CO2-Bilanz und nicht nur die Bionade-Flaschen zu zählen“, sagte Paech und verwies auf entsprechende CO2-Rechner im Internet.
Bild: Volkswirt Niko Paech hielt einem Vortrag über die Postwachstumsökonomie
Dem Volkswirt schwebt perspektivisch eine deutliche Verkleinerung der Wirtschaft vor. Zwar brauche es weiterhin Industrie, diese solle aber verstärkt regional orientiert und weniger auf die Neuproduktion als auf die Reparatur und Umgestaltung von bereits bestehenden Gütern ausgerichtet sein. Eine Verringerung der Arbeitszeit könne Menschen Freiraum verschaffen, sich in verschiedenen Bereichen wieder stärker selbst zu versorgen.
Superintendent Peter-Thomas Stuberg dankte Paech nach seinem Vortrag für zahlreiche Denkanstöße. „Wir in der Kirche müssen uns angesichts unserer Botschaft mit dem Thema auseinandersetzen – mit Blick auf Frieden, Weltverantwortung und die Bewahrung der Schöpfung.“ Dass der Ökonom Stoff zum Nachdenken geliefert hatte, zeigten die vielen, auch kritischen Nachfragen im Anschluss – unter anderem zur Rolle der Politik beim Klimaschutz. Während Paech fast ausschließlich die Zivilgesellschaft in der Pflicht sieht, betonten Zuhörer die Bedeutung von politischen Weichenstellungen. Zudem zeigte sich, dass die Ethik der Genügsamkeit durchaus biblische Wurzeln hat. So wurde bereits im Alten Testament der natürliche landwirtschaftliche Jahresverlauf von traditionellen Festen begleitet.
Text: Jasmin Maxwell-Klein
Bilder: Christine Schneider