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Willkommen in der Chaos-Kirche
Kirche Kunterbunt lädt die ganze Familie ein

31.1.2020

Was haben eigentlich Lorbeerblätter mit der Arche Noah zu tun? Mit einer Heißklebepistole befestigt Siglinde Czenkusch, Leiterin der Evangelischen Kita Oberlin in Olpe, im Gemeindezentrum Wilgersdorf getrocknete Lorbeerblätter und Papierblüten an einem Metallrahmen. Und kommt mit den Frauen am Tisch ins Gespräch über die Geschichte von Noah und der Sintflut. Denn laut Bibel ließ Noah von seiner Arche eine Taube fliegen, die ihm einen grünen Zweig zurückbrachte – der Beweis, dass die Flut zu Ende war. Im Bibeltext trägt die Taube zwar einen Oliven- und keinen Lorbeerzweig im Schnabel, aber ein bisschen künstlerische Freiheit ist erlaubt in der „Kirche Kunterbunt“. Die Bastelaktion war Teil eines Gottesdienstes der anderen Art: Im Rahmen eines Praxistages lernten über 50 Teilnehmer – Erzieherinnen und Erzieher aus evangelischen Kitas, Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Ehrenamtliche aus verschiedenen Kirchengemeinden – die Kirche Kunterbunt kennen und probierten diese besondere Gottesdienstform gleich aus.

Das Konzept kommt aus England und heißt dort „Messy Church“, auf Deutsch: Chaos-Kirche. Ziel ist es, Familien ansprechen, die bislang wenig bis gar nichts mit Kirche zu tun haben. Anders als beim Kindergottesdienst bringen Eltern ihre Kinder nicht hin und holen sie wieder ab, sondern alle verbringen gemeinsam Zeit miteinander. „Kirche Kunterbunt ist Kirche für die ganze Familie“, sagt Heike Dreisbach. Die Leiterin der Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Siegen hat den Praxistag mit Miriam Doikas, Fachberaterin der Evangelischen Kitas, und Sibylle Wahl, Kindergottesdienst-Beauftragte des Kirchenkreises, organisiert. „Und zwar nicht nur für sogenannte ‚heile Familien‘, sondern auch für getrennte Eltern und Alleinerziehende“, sagt Dreisbach. „Auch Großeltern oder Paten sind willkommen.“

 

Foto: Gottesdienst mal anders: Die Teilnehmer des Praxistags spielen die Geschichte der Arche Noah nach.

 

Das jeweilige Thema – in Wilgersdorf die Arche Noah – zieht sich wie ein roter Faden durch den Ablauf der Kirche Kunterbunt, der immer gleich ist. An Kreativstationen erarbeiten sich Kinder und Erwachsene zuerst die Geschichte. So konnten die Teilnehmer etwa auf Balance-Brettern nachfühlen, wie wackelig es auf der Arche war, oder aus bunten Säckchen Regenbogen zum Werfen basteln. Darauf folgt ein gut 15-minütiger Kurzgottesdienst. Klassische Kirchenlieder und -gebete gibt es hier nicht, schließlich sollen auch Menschen mitkommen, die noch nie in der Kirche waren, wie Andreas Isenburg vom Institut für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der westfälischen Landeskirche erklärt. Wer eine Kirche Kunterbunt plane, solle sich etwa fragen: „Wie kann man zum Beispiel das ‚Vater unser‘ so sprechen, dass es jeder versteht?“, sagt Isenburg. Oder vielleicht erst erklären: Wie geht Beten? Und was bringt es? Nach dem Kurz-Gottesdienst essen alle zusammen. In Wilgersdorf gab es passend zur tierischen Arche-Noah-Geschichte Schmetterlingsnudeln mit Tomatensauce und zum Nachtisch Gummibärchen. Anschließend bekommen alle Besucher noch einen Impuls für Zuhause mit. In Wilgersdorf war das ein kleines Gebet, das Kinder und Erwachsene nach einem Streit sprechen können: „Heute gab es Zank und Streit, lieber Gott, es tut mir leid.“

 

Foto: Cordelia Birringer (links) und Natalie Bender haben in Niederdielfen bereits eine Kirche Kunterbunt organisiert.

 

In Niederdielfen gibt es schon eine Kirche Kunterbunt. Organisiert hat sie die Ehrenamtliche Cordelia Birringer mit Pfarrer Christoph Otminghaus. Die Gemeinde Rödgen-Wilnsdorf hatte zuvor ein neues Konfirmationsmodell gestartet, bei dem die erste Phase des Unterrichts in der dritten Klasse liegt und die zweite im Alter von etwa 14 Jahren folgt. „Dazwischen liegt eine lange Zeit, in der wir die Kinder nicht verlieren wollten“, sagt Birringer. Aus der Überlegung entstand im November die erste Kirche Kunterbunt. Rund 30 Menschen beschäftigten sich mit dem Thema „Ich bin das Licht der Welt“ und aßen im Anschluss zusammen in der Kirche. „Für Eltern ist das eine Gelegenheit, Zeit für ihre Kinder zu haben, ohne etwas organisieren oder kochen zu müssen“, sagt Birringer. Der nächste Termin steht schon fest: Am 29. März geht es von 15 bis 17.30 Uhr in der Trinitatiskirche Niederdielfen um das Thema „Ich bin der gute Hirte“. Eingeladen sind Familien mit Kindern bis elf Jahren. Auch Kitas planen, das Konzept auszuprobieren. So will die evangelische Kita „Arche“ in Oberfischbach ihr Sommerfest mit der Kirche Kunterbunt feiern.

Jasmin Maxwell-Klein

 

Bild oben: Beim Basteln kommen Siglinde Czenkusch, Kita-Leiterin aus Olpe (2.v.r.), und die anderen Teilnehmerinnen ins Gespräch über die Geschichte der Arche Noah. Fotos: Jasmin Maxwell-Klein

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