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Handeln – loslassen – gehalten werden
Abt em. Stephan Schröer OSB beim „Neu“-Jahresempfang des Evangelischen Kirchenkreises Siegen

5.12.2012

Mit dem schmetternden Posaunenklang des jungen „sonorum Brass Ensembles“ wurden die Gäste des Evangelischen Kirchenkreises Siegen am vergangenen Montag (3.12.2012) in der Nikolaikirche begrüßt. Der Kirchenkreis hatte zum Beginn des neuen Kirchenjahres in der ersten Adventswoche Menschen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Verwaltung und Kirche zu seinem Empfang geladen. Etwa 170 Menschen hatten ihr Kommen zugesagt.
Superintendent Peter-Thomas Stuberg, kurz zuvor von einer Superintendentenkonferenz aus Bielefeld eingetroffen, begrüßte die Gäste und überbrachte die Grüße von Präses Annette Kurschus. „Handeln, loslassen und gehalten werden“, lautete das Thema, das Abt em. Stephan Schröer OSB, Diplom Kaufmann und Altabt der Benediktienerabtei Königsmünster in Meschede, entfaltete und mit einer Kultur des Alltags in Verbindung brachte. Dabei bezog sich der Theologe und Bankkaufmann auf die Mönchsregeln des Benedikt von Nursia, bekannt als „die Regel des heiligen Benedikt“, die dieser für das um 529 gegründete Kloster Monte Cassino schrieb.
Für seine Zuhörenden hatte der Abt eine Menge praktischer und erprobter Lebenserfahrung mitgebracht, die er charmant und humorvoll an die Frau und den Mann zu bringen wusste. Die Stellung eines Altabtes, so der Mönch schmunzelnd, sei vergleichbar mit einem Opa auf einem Bauernhof. Er habe zwar nichts mehr zu sagen, dürfe aber überall mitmachen.

„Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“, zitierte Abt Stephan aus dem Prolog der Regel. Abt Stephan empfahl eine halbe Stunde Stille am Tag, um Hören zu lernen „auf das Geheimnis, das wir Gott nennen“, auf Menschen und auf das eigene Herz.
„Wie erleben Sie Ihre Arbeit?“, fragte der Mönch die Anwesenden. Sorgen, Angst vor Überforderung, das sich wie ein Hamster im Rad Erleben und fremdbestimmt sein, führe dazu, dass Menschen erschöpft und ausgebrannt seien. Eine weitere Beobachtung des Abtes: „Wenn wir zusammensitzen, klagen wir.“ Es habe sich eine Kultur der Wehleidigkeit und eine Jammerkultur entwickelt.
Abt Stephan: „Ich arbeite gerne. Ich kann mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen. In der Arbeit erfahre ich meine Möglichkeit, kann reifen, kann einen Dienst tun. Ich kann an der Schöpfung mitbauen. Das ist herrlich.“ Benedikt habe zur Arbeit einen optimistischen Grundton und keine Klagehaltung. Für ihn sei Arbeit Dienst und nicht der Job, „der Kohle bringt“. Gefragt sei aber kein maßloses Arbeiten. Die eigenen Grenzen müssten erkannt sein. Er sehe, dass Menschen an ihrer Arbeit kaputt gingen, weil sie immer erfolgreich sein müssten, immer etwas zu bringen hätten und immer funktionieren müssten. Das mache auf Dauer krank.
Aufbruch und weise Mäßigung in einer gesunden Spannung seien erste Grundworte einer benediktinischen Alltagskultur.

Auch den Chefs hatte der Mönch etwas zu sagen. Ein Abt im Kloster habe den Mitbrüdern gegenüber ein Dienstverhältnis und kein Herrschaftsverhältnis. Dies komme darin zum Ausdruck, dass er einem jungen Novizen, der in das Kloster eintrete, die Füße wasche. Dies zeige eine tiefe Verneigung vor der Würde des Anderen. Der ehemalige „Chef“ des Klosters geht auf Leitungsfunktionen ein. Nach der Regel Benedikts solle mehr durch das Beispiel als durch Worte geleitet werden. Abt Schröer: „Das geht gegen die hohlen Schwätzer. Eine gesunde Autorität ist eine Autorität des Beispiels.“ Er zeigt auf, wie man achtsam und respektvoll miteinander umgeht, dass man Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbinden soll und wie eine Kultur des offenen und ehrlichen Austausches gepflegt werden kann. Eine klare Führung, die andere nicht entmündige, sei der rechte Umgang mit Mitarbeitenden.
Die Arbeit stehe bei Benedikt nicht isoliert, sondern sei in den Alltag eingebunden. Benedikt empfehle sieben Stunden Schlaf, sieben Stunden Arbeit, drei Stunden Gebet und drei Stunden Lektüre. Hinzu käme im Kloster die Kultur der Mahlzeiten.

Was motiviert mich, was habe ich für Visionen, was hält mich im Letzten? Zur Beantwortung dieser Fragen gehören für den Abt Werte, die das Leben wertvoller machen, wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß, Klugheit oder Freiheit, Selbstbestimmung, Toleranz, Nachhaltigkeit und Solidarität. Das seien Leitbilder, „die in mir die Lust wecken, an dieser Welt zu arbeiten“. Der Theologe machte deutlich, dass das Beten der Psalmen und mit ihnen das Loben Gottes den Menschen stärke, frei und selbstlos mache. „Loben lenkt die Aufmerksamkeit auf den anderen hin.“
Drei Stunden Muse am Tag empfiehlt Abt Stephan. Das könne das Erleben eines Buches sein, dazu könne eine Werkbank im Keller verhelfen oder ein anderes Hobby.
Zusammenfassen lasse sich die monastische Kultur des Alltags mit dem Grundsatz der Benediktiner „ora et labora“ – bete und arbeite. „Beten“ stehe für die Motivation und habe mit Vision zu tun. „Arbeiten“ stehe für den Alltag mit seinen Mühen und Chancen. Bedeutsam sei das „und“ zwischen beiden Begriffen, das Beides miteinander verbinde. Durch das Gebet gewinne man Kraft für den Alltag und die Erfahrung des Alltags fließe in das Gebet.
Bevor die Gäste sich auf den Weg durch die Altstadt Siegens zur Martinikirche machten, musste das Bläserensemble noch ein weiteres Stück als Zugabe musizieren.
In der festlich geschmückten Martinikirche hieß Pfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng die Gäste herzlich willkommen. Hier bestand Gelegenheit zu Gesprächen und dem Knüpfen von Kontakten. Gerhard Schmidt (E-Piano) und Klaus Zarmutek (Saxophon) wurden gerne gehört und bereicherten die kulinarischen Genüsse des Büfetts.
kp

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)
Superintendent Peter-Thomas Stuberg und Abt em. Stephan Schröer garantierten gemeinsam mit dem jungen sonorum Brass Ensemble eine inspirierende Vortragsveranstaltung.

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