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„... und raus bist du. Armut hat ihren Preis“
Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung
beim Jahresempfang des Ev. Kirchenkreises Siegen

4.12.2013

Rund 150 Gäste aus Politik, Wirtschaft, den Behörden und den Kirchen hatten sich beim diesjährigen „Neujahres“-Empfang des Ev. Kirchenkreises Siegen am Montag, 2. Dezember, zu Beginn des neuen Kirchenjahres  in der Nikolaikirche Siegen eingefunden. Sie wurden rhythmisch mit dem Glenn-Miller-Titel „In The Mood“ von der Bigband des Evangelischen Gymnasiums empfangen.

Superintendent Peter-Thomas Stuberg begrüßte die Gäste. Das für einen Jahresempfang eher ungewöhnliche Thema „... und raus bist du. Armut hat ihren Preis“ habe eine beklemmende Aktualität. Der Sozialreport mache deutlich, dass sich der Anteil der armutsgefährdeten Menschen von 15,8 Prozent im Jahr 2010 auf 16,1 Prozent erhöht habe. Die Art der Jobs und eine mangelnde Qualifikation seien dafür die Ursache. Stuberg: „Armut verstetigt sich.“

Als Festredner des Jahresempfangs war der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung angereist. Jung, gebürtiger Siegerländer aus Gosenbach, war nach seinem Studium der Germanistik und ev. Theologie von 1986 bis 1991 Lehrer am Evangelischen Gymnasium. Er ging dann nach Leipzig, um dort eine evangelische Schule aufzubauen. Mit 42 Jahren wechselte er 1999 in die Politik und wurde 2006 und auch in 2013 für sieben Jahre zum Oberbürgermeister von Leipzig gewählt.

Armutsbekämpfung sei ein Feld, so Jung, wo sich Kirche und die Kommunen engagierten. 840 Mio. Menschen litten auf der Welt an Hunger. Jeder achte Mensch habe nicht ausreichend zu essen, obwohl für alle genug da wäre. Burkhard Jung: „Die Armut in der Welt hat mit uns zu tun. Wir sind eine unendlich reiche Nation in der Welt.“

In unserem Wohlstandsstaat sei Kinderarmut ein ganz reales Thema. In Leipzig komme jedes dritte Kind ohne Frühstück zur Schule. Es gäbe Tafeln, wo Kinder ein Frühstück und ein Mittagessen erhalten könnten. Jung: „Armut der Kinder ist Armut der Eltern. Armut ist kein Naturphänomen. Armut wird gemacht.“ Es sei eine bittere Wahrheit, dass zwischen 11 und 13 Mio. Bundesbürger unter der relativen Armutsgrenze lebten. Die betrage im Westen 980 Euro und im Osten 854 Euro.

Die Ärmeren würden mehr und damit werde Deutschland ungerechter. 16.000 Menschen arbeiteten in Leipzig 40 Stunden pro Woche und doch zahle die Stadt deren Miete. Die Menschen könnten von ihrer Arbeit nicht leben. Jung: „In Deutschland wird seit einigen Jahren von unten nach oben umverteilt.“

Obwohl Leipzig wieder jünger werde und wachse und auch die Wirtschaftsleistung steige, sei eine Zunahme der Sozialausgaben festzustellen. 42 Mio. Euro gebe die Stadt in 2013 für Hilfe zur Erziehung aus. Leipzigs Stadtoberhaupt benennt fehlende Bildung als einen Grund, der zur Armut führt. Bildung beginnt für den studierten Pädagogen im Elternhaus.

Zum Schluss ging der Kommunalpolitiker darauf ein, wie man der Armutsentwicklung begegnen kann. Hier spielte für ihn der Mindestlohn eine Rolle. Jung: „Es ist nicht richtig, dass wir den Friseur aus Steuermitteln subventionieren.“ Dienstleistungen würden teurer, so seine Einschätzung.

Er sieht in der Armutsbekämpfung eine gesamtstaatliche Aufgabe. Zu viel bleibe bei den  Kommunen hängen. Eine neue solide Form der Kommunalfinanzierung sei nötig und eine gemeinsame Armutsverantwortung. Burkhardt Jung: „Demokratie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mehrheit sich der Minderheit verpflichtet fühlt. Sie muss sich denen zuwenden, die im Schatten stehen.“

kp

 

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)

Burkhardt Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig machte auf dem Jahresempfang des Ev. Kirchenkreises Siegen deutlich, dass Armut gemacht ist.

Im Bild v. li. Superintendent Peter-Thomas Stuberg und Oberbürgermeister Burkhardt Jung.

 

Burkhardt Jung: „Demokratie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mehrheit sich der Minderheit verpflichtet fühlt.“

 

Superintendent Peter-Thomas Stuberg: „Die Schere zwischen Arm und Reich wird nicht kleiner. Armut verstetigt sich.“

 

Die kleine Besetzung der Bigband des Evau unter der Leitung von Hartmut Sperl bot einen besonderen Sound in der Nikolaikirche.

 

Der Empfang in der Martinikirche bot reichlich Gelegenheit zu Gesprächen.

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