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„Was kann ich euch sagen, liebe Leute?“
Elija Avital entführte in die Welt der hebräischen Bibel

31.3.2014

„Auf das Hören kommt es an“, bemerkt er zu Beginn seiner Erzählung. Einen Stuhl, ein Mikrofon, ein Akkordeon, eine Trommel und eine im wahrsten Sinne des Wortes mitreißende Geschichte aus der hebräischen Bibel, mehr braucht Elija Avital nicht, um seine aufmerksamen Zuhörer, überwiegend Pädagogen, in eine andere Welt zu entführen. Avital ist ein leidenschaftlicher Erzähler biblischer Geschichten.

In Haifa geboren lebt er seit 1985 in Deutschland und unterrichtet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen das Alte Testament und Hebräisch. Am vergangenen Donnerstagabend machte der Geschichtenerzähler aus Berlin auf Einladung des Schulreferates der Ev. Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein Station im Bistro „Bariton“ am Apollo-Theater in Siegen.

Nichts Menschliches ist dem Buch der Bücher fremd. Also auch nicht den Geschichten von Elija Avital. „Wo fängt es an? Wo führt es hin? Kann es Worte geben, ohne etwas dahinter?“, fragt der Erzähler, der auch Musiker und Sänger ist.

Das Akkordeon erklingt. Alleluja (hebr. „Loben“) singt der singende Erzähler. Eine bekannte Melodie. Die Zuhörer summen unaufgefordert leise mit. „Das Leben ist Musik, auch.“ Der Raum, die Atmosphäre, das Miteinander, die Musik und die Worte. Avital entführt in ein anderes Land, in eine andere Zeit, in eine andere Kultur.

Juda, ein Sohn Jakobs, hatte drei Söhne: Er, Onan und Schela. Sohn Er heiratet Tamar und stirbt. Onan soll nun die Pflicht der Schwagerehe erfüllen, damit Tamar Nachkommen hat. Er weigert sich und stirbt auch. Seinen jüngsten Sohn wollte Juda von nunmehr dessen Pflicht der Schwagerehe verschonen aus Angst, auch sein letzter Sohn würde sterben. Tamar soll als Witwe im Hause Juda leben. Die Familiengeschichte (1. Mose 38) steckt voller Leid und Dramatik. Die Frau ist listig, der Patriarch lässt sich von seiner Schwiegertochter verführen. Menschlich geht es zu. Ehre und Familienehre haben ebenso Bedeutung wie Ansehen und Auskommen. Die Menschen suchen sehnsüchtig ein glückliches, gelingendes Leben. Elija Avital: „Am meisten haben wir Angst, uns anzustecken mit Pech.“

„Glaubt ihr an das Schicksal“, fragt der Geschichtenerzähler die Zuhörer?  „Ist es auch so ein Wort wie Anfang und Ende? Ist es äußerlich oder innerlich? Kann man Schicksal beeinflussen? Können wir so einen gewissen Grund haben? Das ist eine Sehnsucht, wir wollen wachsen, selbstständig sein.“ Immer wieder sagt er mit verschmitztem Gesichtsausdruck den Satz: „Ich bin Geschichtenerzähler, nicht alles glauben, was ich sage.“ Avital erzählt nachdenklich fragend, entlarvend. Er interpretiert die Geschichten in der Art, wie er sie erzählt und lebendig werden lässt. Anmerkungen, wie nebenbei formuliert, holen sie ins Leben der Zuhörer. Es benennt es als selbstverständlich, dass der Mensch für alles eine Erklärung haben müsse.

Die Hauptfigur seiner Geschichte ist die junge Frau Tamar. Eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Ihr Name bedeutet Palme. „Sind Namen zufällig?“ Avital spielt mit den Buchstaben, die den Namen formen. Ist er eine Verheißung? Unterliegt das Schicksal dem Zufall, oder ist es umgekehrt?

Tamar kämpft um ihre Ehre und um ihr Leben. Sie hat Wagemut. Der Geschichtenerzähler macht Mut. „Manchmal hilft und rettet, was wir am meisten hassen: Widerstand. Dann werden Horizonte gesprengt und wir merken, wir haben Kraft.“ Durch eine unglaubliche List, die alle Konventionen sprengt, wird Tamar von ihrem Schwiegervater Juda schwanger und muss um ihr Leben fürchten. Aber sie hat ein Pfand in der Hand, dass ihr Leben rettet. Sie bekommt Zwillinge. Auch deren Geburt ist mehr als dramatisch. Die Hand des einen Kindes wird sichtbar und schnell mit einem roten Faden umbunden. Man wollte sicher sein, wer der Erstgeborne wäre. Aber die Hand verschwand wieder und der andere Sohn erblickte als Erster das Licht der Welt.

Die Geschichte geht gut aus. Sie wird immer wieder unterbrochen mit israelischen Chansons und Balladen, die der singende Erzähler auf dem Akkordeon begleitet. Kurze poetische Texte, Gedichte, versuchen sich zurechtzufinden in der menschlichen Seele. Nach musikalischen Zugaben verstummt der Geschichtenerzähler in Siegen mit den Worten: „Meine Geschichten mit der Bibel entstehen mit euch und durch euch. Wegen euch kann ich sie erzählen. Ich danke euch. Es ist unsere Geschichte für heute.“

kp

 

Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)

Elija Avital erzählt mit Körper und Seele Geschichten aus der Bibel.

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