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Keine Chance für Verletzungen
der sexuellen Selbstbestimmung
Ev. Kirchenkreis Siegen beschließt Regeln
25.2.2015
Darf ein Pfarrer in einem Trauerfall eine Person tröstend in den Arm nehmen? Vorzeiten war eine solche Geste der Zuwendung selbstverständlich. Heute muss ein Päckchen Papiertaschentücher reichen. Wie verhalten sich haupt- und ehrenamtliche Jugendmitarbeitende angemessen auf Freizeiten? Wie nahe dürfen sie den ihnen anvertrauten Jugendlichen begegnen? Seit den Missbrauchsskandalen haben diese Fragestellungen an Bedeutung deutlich zugenommen. Im Ev. Kirchenkreis Siegen gehören Schulungen dieser Art regelmäßig zu den Fortbildungen ehrenamtlicher Mitarbeitender. Eine Pfarrkonferenz unter dem Thema „‚Grenzen achten – sicheren Ort geben‘, damit Missbrauch keine Chance hat“, griff das Thema auf. Pfarrerin Diana Klöpper vom Frauenreferat der Evangelischen Kirche von Westfalen machte in ihrem Fachreferat deutlich, wie fließend die Begriffe Grenzverletzung, Übergriff und Missbrauch inhaltlich gefüllt sind. Zu Grenzverletzungen kann es im Alltag immer wieder kommen, weil sie stark auch vom eigenen Empfinden abhängig sind. Bei Freizeiten beispielsweise müssten Haupt- und Ehrenamtliche wissen, wie sie sich zu verhalten haben, damit Jugendliche, aber auch Mitarbeitende sicher und geschützt sind. Sexuelle Übergriffe dagegen sind immer ein persönliches Fehlverhalten und überschreiten eindeutig gesellschaftliche Normen, fachliche Standards oder persönliche Grenzen. Sie können arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Sexueller Missbrauch als schwerste Form der Verletzung ist im Strafgesetzbuch mit Strafe bewehrt. In solchen Fällen ist die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Pfrn. Klöpper ging darauf ein, wie man mit Verdachtsfällen umgeht, und dass sowohl der Opferschutz als auch die Unschuldsvermutung nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Verantwortlich in den Kirchengemeinden sind die Pfarrerinnen und Pfarrer, im Kirchenkreis der Superintendent. Sie sollten angesprochen werden, wenn jemand bezogen auf das Verhalten eines anderen „so ein komisches Gefühl hat“. Die Pfarrer sollten mit einer solchen Situation umgehen können. Sind Pfarrer selbst betroffen, ist der Superintendent zuständig und natürlich die Landeskirche. Klöpper empfiehlt eine regelmäßige Präventionsarbeit und Schulung sowie eine Kultur der doppelten Achtsamkeit. Respekt und ein wertschätzender Umgang helfen, Grenzen zu sehen und zu achten. Ein sensibles Verhalten im Umgang mit anderen Menschen gehört zu einer Umgangskultur einer Organisation. Klöpper: „Eine gute Prävention minimiert Risiken, aber vollends verhindern kann man es nicht.“ Damit die Verantwortlichen in Kirchengemeinden und im Kirchenkreis nicht alleingelassen reagieren müssen, gibt es im Kirchenkreis zwei Ansprechpersonen. Sie sind zwingend hinzuzuziehen, wenn ein Verdacht auf sexuelle Grenzverletzungen oder gar Schlimmeres aufkommt. Ehe-, Familien- und Lebensberater Carsten Stolz und die Leiterin des Referates für Jugend und Gemeindepädagogik Anja Hillebrand sind im Umgang mit Verdachtsfällen besonders ausgebildet. Sie haben eine Art Lotsenfunktion im Kirchenkreis. Carsten Stolz ist darüber hinaus als Kinderschutzfachkraft nach dem Sozialgesetzbuch VIII auch zuständig für die 39 Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft des Ev. Kirchenkreises Siegen. Bei seinem Aufgabengebiet kommt beispielsweise eine Verwahrlosung von Kindern mit in den Blick. Die beiden Beauftragten leisten im Kirchenkreis Siegen Präventionsarbeit zum Thema „Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung“.
Der Kreissynodalvorstand des Ev. Kirchenkreises Siegen hat in seiner Februarsitzung als Selbstverpflichtung einen Verfahrensstandard zum Umgang mit Verdachtsfällen auf Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung einstimmig beschlossen. Die 29 Kirchengemeinden des Kirchenkreises sind aufgefordert, sich ebenfalls mit der Thematik zu beschäftigen und die Selbstverpflichtungserklärung zu beschließen.
kp
Text zum Bild: (Foto Karlfried Petri)
Ehe-, Familien- und Lebensberater Carsten Stolz und die Leiterin des Referates für Jugend und Gemeindepädagogik Anja Hillebrand sind im Kirchenkreis Siegen Ansprechpersonen für hauptamtlich Mitarbeitende, wenn ein Verdacht auf sexuelle Grenzverletzungen oder gar schlimmeres aufkommt.