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Der Traum lebt weiter
Chormusical 'Martin Luther King' in Siegen
10.2.2020

Und plötzlich ist er tot. Martin Luther King, Anführer der Bürgerrechtsbewegung in den USA, Hoffnungsträger für Hunderttausende Afroamerikaner – erschossen auf dem Balkon eines Motels in Memphis. Mit diesem Tiefpunkt beginnt das Chormusical „Martin Luther King“, das am Samstag gleich zweimal in der Siegerlandhalle zu sehen war. Ein geschickter Schachzug – denn wie das Leben des berühmten Bürgerrechtlers und Baptistenpastors endete, dürfte den meisten Zuschauern bekannt sein und taugt kaum als Pointe eines Musicals über Kings Leben. Zumal etwas anderes viel entscheidender ist: Dass zwar Martin Luther King starb, aber sein Traum von einer Welt mit gleichen Rechten für alle Menschen weiterlebt und bis heute seine Wirkung entfaltet.
Das Musical von Librettist Andreas Malessa sowie den Komponisten Hanjo Gäbler und Christoph Terbuyken feierte 2019 in Essen Premiere und tourt seitdem durch zahlreiche Städte. Das Besondere: An jedem Aufführungsort bildet sich ein riesiger Projektchor aus Sängerinnen und Sängern, die mit den Musicaldarstellern und Musikern auf der Bühne stehen. In Siegen sangen mehr als 550 Frauen und Männer mit, die nicht nur aus dem Siegerland, sondern auch aus Wittgenstein, dem Sauerland, dem Oberbergischen Land, Hessen und Rheinland-Pfalz kamen. Veranstalter waren die Stiftung Creative Kirche mit dem Evangelischen Kirchenkreis Siegen, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland.
Bild: Über 550 Sängerinnen und Sänger waren mit dabei.
Ausgehend von Kings Ermordung im Jahr 1968 zeichnet das Musical sein Leben nach und zeigt immer wieder auch seine Anhänger, die nach seinem Tod darum ringen, wie es weitergehen soll: Braucht es Gewalt, um Wandel herbeizuführen? Oder gehen sie den Weg des friedlichen Widerstandes weiter? Eindrucksvoll ist dabei das schlichte Bühnenbild, in dem die Darsteller mit einfachsten Mitteln agieren: Als Kulisse dienen gestapelte Würfel, die je nach Ausrichtung mal eine Mauer, mal die US-Flagge und mal das Konterfeit von Martin Luther King zeigen. Eine schwarze Truhe fungiert erst als Schreibtisch zu Kings Studienzeiten, später als Bus beim von Rosa Parks angestoßenen Busstreik.
In kurzen Szenen und vielen Liedern wirft das Musical Schlaglichter auf Kings Leben, die nicht nur informativ und bewegend, sondern auch humorvoll sind: etwa wenn King (Gino Emnes/Andreas Wolfram) mühevoll um seine spätere Ehefrau Coretta (Peti van der Velde) wirbt. In ihrem Lied „Wo ist der Mann meiner Träume?“ sehnt die nämlich einen großen, schlanken Mann herbei, der in einer Bank arbeitet – und keinen frommen, eher kleinen Pastor. Aber auch Schattenseiten spart das Musical nicht aus: So wird der Bürgerrechtler von seinen Gegenspielern als „Martin Looser King“ verspottet, in seiner Ehe kriselt es und Selbstzweifeln quälen ihn. Rettende Unterstützung erfährt er durch Gottes Heiligen Geist, dargestellt ganz in Weiß von Karolin Konert.
Doch so überzeugend die Musicalstars in der Siegerlandhalle aufspielten – heimlicher Hauptdarsteller war der Megachor, dirigiert von Chorleiterin Susanne Utsch und Kreiskantor Peter Scholl. Stimmgewaltig und mit spürbarer Begeisterung füllten die 556 Sängerinnen und Sänger die Kompositionen von Hanjo Gäbler und Christoph Terbuyken mit Klang und Leben: Von Variationen bekannter Lieder wie „Go down Moses“ und „We shall overcome“, die die Komponisten mit jazzigen und souligen Elementen ans 60er-Jahre-Setting anpassten, bis hin zu neuen Songs wie „Ich hab den Traum“, einer Vertonung von Kings wohl berühmtester Rede „I have a dream“. Als zum Schluss der gesamte Chor in dieses Lied einstimmte, war klar: Kings Vision lebt und bleibt bis heute aktuell.
Bild: Chorleiterin Susanne Utsch dirigierte den Megachor.
„Die überzeugende Kraft der Botschaft von Martin Luther King ist beim Publikum angekommen“, sagte Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Kirchenkreises Siegen, nach der Aufführung: „Die Vision Gottes von einer Welt, in der verschiedenste Menschen in Frieden miteinander leben – eine Vision, die auch heute immer wieder neu Wirklichkeit werden muss.“ Zu verdanken sei das vor allem den Sängerinnen und Sängern aus der Region, die diese Botschaft überzeugend verkörperten: „Ihre Begeisterung ist auf das gesamte Publikum übergesprungen und hat für echte Gänsehautmomente gesorgt.“ Das Publikum sah das offensichtlich genauso und belohnte Chor, Darsteller und Musiker mit stehenden Ovationen.
Bild oben: Martin Luther King (Andreas Wolfam in der ersten Aufführung, Gino Emnes in der zweiten) erfährt Zuspruch vom Heiligen Geist (Karolin Konert).
Text: Jasmin Maxwell-Klein
Fotos: Stiftung Creative Kirche