News-Archiv

Zur Seelsorge berufen
Vor 15 Jahren starb Helmut Flender

27.8.2021

Dass ihr Ehemann auch im Ruhestand Seelsorger bleiben würde, wusste Carmen Flender spätestens, als sie mit ihm über die Nutzung des alten Kinderzimmers ihres erwachsenen Sohnes sprach. „Als wir das Zimmer neu einrichteten, merkte ich: Er hatte schon Pläne“, erinnert sie sich. Helmut Flender war 2001 gerade aus dem Amt des Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Siegen in den Ruhestand getreten und verwandelte das alte Kinderzimmer in ein Sprechzimmer. Immer wieder zog er sich in den nächsten Jahren mit Ratsuchenden zu Gesprächen dorthin zurück, bis er fünf Jahre später, am 29. August 2006, nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren verstarb. Zu seinem 15. Todestag erinnern sich Weggefährten an den Pfarrer, der als Seelsorger viele Menschen berührt und den Kirchenkreis nachhaltig geprägt hat.

Geboren wurde Helmut Flender 1939 in Köln. Die Evakuierung vor dem Zweiten Weltkrieg brachte die Familie 1941 nach Nenkersdorf, wo er im Elternhaus seiner Mutter aufwuchs. Er studierte Theologie in Bethel, Münster und Göttingen. Von 1967 bis 1978 war er Pfarrer der Siegener Erlöserkirchengemeinde. 1979 gründete er die Telefonseelsorge Siegen, deren Leiter er war, bis er 1995 zum Superintendenten und damit leitenden Theologen des Kirchenkreises gewählt wurde. In all seinen Ämtern war Helmut Flender aber vor allem eins: „Er war mit Herz und Seele Seelsorger“, sagt der katholische Theologe Heiner Meilwes, der mit Flender die Telefonseelsorge aufbaute und leitete. „Das war seine Berufung in seinem Leben.“ Aufgewachsen in einem sehr frommen Elternhaus, der Vater engagiert im christlichen Suchthilfeverband Blaues Kreuz, war Flenders Glaube durch die pietistische Tradition geprägt. So habe er auch eine gewisse Enge im Glauben erfahren, weiß Carmen Flender. „Es war ihm im Verlauf seines Berufs sehr wichtig, Seelsorge da zu betreiben, wo Menschen an der Enge gelitten haben“, sagt sie. „Da konnte er wirklich helfen.“ Auch mit seinen Kollegen sprach Flender in einer eigens gegründeten Gruppe für junge Pfarrer über das Thema und half vielen, mit negativen Erfahrungen Frieden zu schließen. Seine Botschaft sei immer gewesen, dass bei Gott alles angenommen sei, sagt Heiner Meilwes: „Auch die dunklen Seiten.“

In Weiterbildungen vertiefte Helmut Flender sein seelsorgerliches Interesse – möglich auch, weil seine Frau ihm zu Hause den Rücken freihielt und sich um das große Pfarrhaus und die beiden Kinder kümmerte. Flender war einer der ersten Pfarrer im Siegerland, der eine Klinische Seelsorgeausbildung machte, die Psychologie und Theologie eng verknüpft, wie sich Wulf Dietrich, Pfarrer im Ruhestand und ehemaliger Skriba des Kirchenkreises, erinnert. Das habe seine Gemeindearbeit geprägt: „Bei Konflikten in der Gemeinde hat er gefragt: Was steht an unerkannten Gefühlen dahinter?“, sagt Dietrich. Mit seinen Predigten habe Flender den Glauben der Menschen wecken und stärken wollen, wobei ihre Gefühle bewusstgemacht und ernstgenommen werden sollten. Denn er sei überzeugt gewesen, dass Gefühle dem Glauben förderlich, aber auch hinderlich sein können. Mit der Gründung der Telefonseelsorge 1979 wurde für den Theologen ein Herzensanliegen wahr: Auch Menschen ohne Gemeindeanbindung eine Anlaufstelle für Sorgen und Nöte zu bieten. In den 70er Jahren habe im Siegerland ein großer Mangel an Beratung und psychologischer Betreuung geherrscht, sagt Heiner Meilwes. Deswegen habe sich Flender auch für die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) eingesetzt, deren Gründung die Kreissynode 1984 beschloss.

 

 

Als Helmut Flender 1995 zum Superintendenten gewählt wurde, sei er Seelsorger geblieben, berichtet Meilwes. „Auch in dieser Rolle hat er die Menschen besonders gesehen.“ Mit der Gründung des Ausschusses „Gemeinsam unterwegs“, der Impulse für eine missionarische Kirche setzte, gelang es Flender und den Mitinitiatoren, dass der Kirchenkreis zunehmend nicht mehr nur als Verwaltungseinheit gesehen wurde. Vorläufiger Höhepunkt war 2001 das erste Kirchenkreisfest in Siegen - Vorbild für weitere Kreiskirchentage in den folgenden Jahren. Der nächste ist für 2022 geplant.

Im Ruhestand blieb Helmut Flender nicht nur der Seelsorge verbunden, sondern auch einem seiner liebsten Hobbies: der Fotografie. Anfang 2006 veröffentlichte er einen Bildband im kawohl-Verlag. „So darf ich sein“ heißt das Buch, das nur wenige Monate vor seinem Tod erschienen ist und aus dem die damalige Siegener Superintendentin und heutige westfälische Präses Annette Kurschus auf seiner Beerdigung vorlas. Die Bilder zeigen Landschaften und sprechende Details, über die das ungeübte Auge vielleicht hinweggesehen hätte: einen Baum, der mit einem Maschendrahtzaun verwachsen ist, einen Holzstapel, in dem dunkle Stämme ein Muster bilden. Die kurzen Texte erzählen davon, wie auch das Leiden ein Teil des Lebens ist und zu Wachstum führen kann. Für Carmen Flender ist das Buch auch die Quintessenz des theologischen Wirkens ihres Mannes: „Durch seine Weiterbildungen ist er aus einer Enge im Glauben herausgekommen in die Freiheit: So darf ich sein.“

 

Auf dem Blog der Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Siegen sind Texte aus dem Buch "So darf ich sein" sowie die Predigt von Helmut Flender auf dem Kirchenkreisfest 2001 nachzulesen.

 

 

Bild oben: Helmut Flender auf dem Kirchenkreisfest 2001 in Siegen. Fotos: Archiv

 

Text: Jasmin Maxwell-Klein

zurück zur Übersicht

get connected