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Dem Burnout erfolgreich vorbeugen
Prof. Dr. Jörg Fengler hatte viele Tipps im Gepäck
15.2.2012
Ist es eine Krankheit, eine Situation mit Beratungsbedarf oder nur Einbildung? So genau weiß es die Wissenschaft noch nicht. Auch die Begrifflichkeit bedarf noch der genauen Inhaltsbestimmung. Dennoch ist Burnout in vieler Munde und füllt die Medien, besonders wenn Prominente davon betroffen sind und darüber reden. Burnout oder auf Deutsch ausgebrannt sein, ist das Empfinden vieler Menschen und sogar ganze Arbeitsteams können davon betroffen sein. Menschen, die mit und am Menschen arbeiten, sind besonders gefährdet.
Grund genug für den Ausschuss Seelsorge und Beratung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen zu einem Burnout-Seminar mit einem ausgewiesenen Fachmann einzuladen. Die Resonanz war beeindruckend. Binnen weniger Tage war das Seminar so stark belegt, dass ein größerer Raum ausgewählt werden musste, erzählte Pfr. Rolf Christian Wangemann, Vorsitzender des kirchlichen Ausschusses und Leiter der TelefonSeelsorge Siegen. 110 Teilnehmende aus unterschiedlichen Berufssparten füllten schließlich den Speisesaal der CVJM-Jugendbildungsstätte in Wilgersdorf, um sich auf einen lehrreichen Seminartag mit vielen praktischen Tipps einzulassen. Beides bot kompetent und praxisnah der Psychologische Psychotherapeut Prof. Dr. Jörg Fengler, Leiter des Institutes für angewandte Psychologie in Köln.
Ein Leben ohne Stress ist nicht zu haben, so Fengler. Ein Stressor, wie beispielsweise längere Arbeitszeit oder eine Gehaltsminderung löst bei vielen Menschen Leistungsanstrengungen aus. Es entsteht die Frage: Wo soll das enden? Wochen- oder monatelang lässt sich eine gestresste Situation womöglich gut aushalten. Dann nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Erschöpfungsphasen stellen sich ein und Fehler, die normalerweise nicht gemacht werden. Bis hierhin, so Fengler, ist die Stresssituation normal. Jetzt gilt es allerdings aufzupassen. Wenn weitere Warnsignale nicht beachtet werden, besteht das Risiko zu einem Burnout. Depressionen oder Angstzustände, nichtorganische Schlafstörungen, Abhängigkeiten und Sucht, Selbsttötungsgedanken oder vollständige Erschöpfung können sich einstellen. Ausgehend von einer Alarmphase über eine Aktivierungsphase kann es zur Erschöpfungsphase kommen.
Der Fachmann unterscheidet zwischen dem beflügelnden Eustress, beispielsweise die Freude auf den Urlaub oder eine Beförderung, und zwischen Dysstress. Letzterer ängstigt, macht verzagt und mutlos. Er stört das hormonelle Gleichgewicht und die Sensorik. Fengler: Es geht nicht mehr so, wie wir es wollen.
Fengler benannte und erläuterte die Belastunsgfaktoren und Stressoren, die einen Burnout begünstigen können. Dazu gehören persönliche Eigenschaften wie hoher Ehrgeiz, maximales Pflichtgefühl, ein Helferideal oder auch Liebesbedürftigkeit. Aber auch ein gewöhntes Verhalten in einer Familie kann krank manchen. Wer als Kind immer ein quälendes schnell, schnell erlebt hat, gewöhnt sich dieses Verhalten an und gibt es als psychologisches Erbe an seine Kinder weiter. Auch im Privatleben, durch Vorgesetzte, die sich nicht um Gerechtigkeit bemühen, Kollegen oder die Bedingungen des Arbeitgebers können Belastungen entstehen, die sich gegenseitig verstärken.
Fengler: Selbst Arbeitssucht kann krank machen. Diese Sucht wird zudem vom Arbeitgeber wohlwollend beachtet. Viele Menschen haben ehemals aus Überzeugung einen Beruf gewählt. Wenn man jedoch den Sinn seines Berufes nicht mehr erkennen kann und nicht mehr weiß, warum man etwas tut, ist gegebenenfalls ein Arbeitsplatzwechsel hilfreich.
Der Psychologe zeigte auf, wie man den verschiedenen Stressfaktoren im Einzelnen begegnen kann. Wie beispielsweise Sinnbesinnung, Selbstbelohnung, Lektüre und Kultur oder Entspannungsübungen helfen können, Stressempfinden abzubauen. Aber auch feste Regelungen im Privatleben und ein entsprechendes Verhalten der Vorgesetzten im Berufsleben können der Burnoutvorbeugung dienen. Hierzu gehören Kurzurlaube und körperliche Aktivität. Vorbeugende Hilfen für den Umgang miteinander im Kollegenkreis bis hin zur Supervision können ebenfalls helfen, das innere Gleichgewicht zu erhalten. Und auch eine Firma oder Institution hat viele Möglichkeiten, die seelische Gesundheit seiner Mitarbeitenden und damit die Arbeitskraft positiv zu beeinflussen.
Für Jörg Fengler sind die Ruhe des Atmens, die Achtsamkeit für den Körper und seine Signale, eine mäßige Ernährung sowie Harmonie in der Bewegung ebenso wichtig wie Augenmaß in den Zielen, Klarheit in den Gedanken oder Umsicht im Handeln. Solche allgemeinen Ratschläge, zu denen auch eine besonnene Sprache oder die Bejahung des Tuns gehören, ergänzen eine innere Haltung von Güte, Liebe und Dankbarkeit.
Zum Schluss konnten die Teilnehmenden einen Brief an sich selbst schreiben. Thema: Mein schönster Gedanke an diesem Tag. Die Briefe wurden einkuvertiert, mit der eigenen Adresse versehen und dem Referenten mitgegeben. Nach einiger Zeit erhalten die Teilnehmenden Post von sich selbst und erinnern sich daran, die Inhalte des Burnout-Seminars umzusetzen. Denn, soviel wurde schnell deutlich, allein der Besuch des Burnout-Seminars kann dem Burnout nicht vorbeugen. Es sei denn, die Teilnehmenden schaffen es, die vielen kompetenten Ratschläge im eigenen Leben anzuwenden soweit es die Lebensumstände zulassen.
kp
Text zum Bild: (Fotos Karlfried Petri)
Praxisnah mit vielen eigenen Denkphasen und in Gesprächsgruppen wusste Professor Dr. Jörg Fengler die Seminarteilnehmenden zu einer Selbstanalyse ihrer Lebensumstände und damit Bournoutgefährdung anzuleiten. Hilfen zur Erhaltung der seelischen Gesundheit benannte der erfahrene Fachmann reichlich.
In Gesprächsgruppen kamen immer auch die Teilnehmenden zu Wort und erfuhren von den Lebenssituationen anderer.