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Ehrenamt im Blick
Kreissynodalvorstand greift Jahresthema auf

28.1.2015

Ohne Ehrenamtliche ist kein Gemeindeleben zu gestalten. Daher wird das Thema „Ehrenamt“ in diesem Jahr vom Ev. Kirchenkreis Siegen und den Kirchengemeinden besonders in den Blick genommen. Auf seiner Klausurtagung am 24. und 25. Januar 2015 in der Akademie Biggesee in Attendorn ging der Kreissynodalvorstand der Frage nach, wie sich das Ehrenamt in den letzten Jahren verändert hat und welche  Rahmenbedingungen ehrenamtliches Engagement fördern können.

Die Zahlen, Daten und Fakten sind schnell und drastisch beschrieben. Hatte der Kirchenkreis 1965 160.000 Gemeindeglieder, sind es heute nur noch 122.000 – Tendenz fallend. Es werden weniger Kinder getauft, als Kirchenmitglieder bestattet. Die Kirchengemeinden schrumpfen. Gegenläufig ist die Aufgabenzunahme bei den Gemeindepfarrern. Die Zahl der Gemeindeglieder pro Pfarrstelle steigt. Derzeit rechnet die westfälische Landeskirche mit rund 3.000 Gemeindegliedern pro Pfarrstelle. Zudem lassen sich die weniger werdenden Pfarrstellen künftig kaum noch besetzen, da der Pfarrernachwuchs fehlt. Verantwortliches ehrenamtliches Engagement wird notwendiger denn je.

Bereits auf der Sommersynode am 25. Juni 2014 nahm Superintendent Peter-Thomas Stuberg in seinem Bericht die Situation ehrenamtlich Mitarbeitenden in den Blick. Sie sind in der Kirche eine gefragte Gruppe. Die Prädikanten beispielsweise brächten eine hohe Motivation mit für ihren Dienst. Stuberg: „Hier grünt ein Pflänzchen, das für die Zukunft der Kirche mit weniger Pfarrerinnen und Pfarrer im aktiven Dienst eine wachsende Bedeutung haben könnte. Sie können jedoch den Dienst der Pfarrer mit Theologiestudium und langjähriger Praxisausbildung nicht ersetzen.“ Ehrenamtlichkeit geschieht an ganz vielen Stellen, oft sehr geräuschlos und abseits der öffentlichen Beachtung. Stuberg damals: „Ich kann ihnen von hier aus nur unseren ganz herzlichen Dank für ihr Tun aussprechen, ohne sie alle beim Namen zu nennen.“

 

Eigene Ehrenamtserfahrungen

Auf eigene Erfahrungen mit dem Ehrenamt konnten die Kreissynodalmitglieder in Gruppengesprächen zurückgreifen. Zu beobachten ist, dass heute bei der Motivation für ein Ehrenamt nicht mehr der Blickwinkel der Organisation im Vordergrund steht, sondern die Sicht der Engagierten mit den Fragen, was kann ich und wo kann ich meine Talente einbringen. Hier sind Zutrauen, Eigenverantwortlichkeit und ein gewisser Freiraum gefragt. Für eine befristete und projektbezogene Form von Ehrenamt mit einer qualifizierten Ausbildung lassen sich eher Menschen gewinnen als für eine vieljährige kontinuierliche Mitarbeit. Die berufliche Anforderung auch bei Mitarbeitenden steigt ständig. In der kirchlichen Mitarbeit sind handwerkliche Berufe kaum noch vertreten. Rüstige Rentner sind in den Gemeinden gefragt. Sie haben Lebenserfahrung und bleiben lange vor Ort wohnen. Bei den finanziellen Rahmenbedingungen kommt ehrenamtliche Arbeit nicht ausreichend vor. Dabei bedürfte es auch verbindliche Haushaltsansätze für Aufwandsentschädigungen oder Honorare ehrenamtlicher Gemeindearbeit. Kritisch zur Sprache kam das Miteinander zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, das nicht immer ungetrübt ist. Vermisst wurde eine Begegnung auf Augenhöhe. Ehrenamtliche hätten oft langjährige Berufserfahrung. Sie bräuchten statt Bevormundung Unterstützung und Wertschätzung.

 

Mitarbeiterkonzeption

Praxisnah wurde es, als KSV-Mitglied Hans-Joachim Schäfer die neue Mitarbeiterkonzeption der Ev. Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf vorstellte. Diese Kirchengemeinde hat es sich im vergangenen Jahr zur Aufgabe gemacht, dem Umgang mit ehrenamtlich Mitarbeitenden zur strukturieren. Eine so genannte „Fünf Bereiche“-Mitarbeiterkonzeption wurde erarbeitet. In ihr ist dargelegt, wie eine ehrenamtliche Mitarbeit Begonnen werden kann, wie sie begleitet wird, wie sich Mitarbeitende beteiligen können, wie sie belohnt werden und auch, wie eine Mitarbeit wieder beendet werden kann. Die Kirchengemeinde sieht es als ihre Aufgabe an, für die über 200 ehrenamtlich Mitarbeitenden ordentliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur eine Beschreibung der Aufgaben, sondern auch eine Regelung der Zuständigkeiten. Schäfer: „Anlass zu Erarbeitung der Konzeption ist die Beobachtung, dass die ehrenamtliche Betätigung wegbricht. Wenn die Gemeinde erhalten bleiben soll, müssen wir andere Wege gehen.“  Die Überlegungen der Kirchengemeinde sind anspruchsvoll und auch zeitaufwendig. Einmal im Jahr soll jedem Mitarbeitenden ein Gespräch über seine Mitarbeit  und weitere Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden; dazu gehören auch Fortbildungsmöglichkeiten. Betont wird in der Kirchengemeinde das Priestertum aller Glaubenden. Die Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde hat daher für die Mitarbeit Bedeutung. Wer seine Mitarbeit nicht mehr aufrechterhalten kann, dem wir ein Ausscheiden ohne schlechtes Gewissen ermöglicht. Erfahrungen mit der neuen Konzeption, so Schäfer, lägen noch nicht vor, da sie erst im Herbst des vergangenen Jahres beschlossen wurde.

 

Theologie des Ehrenamts

Das Ehrenamt in der Kirche gibt es schon sehr lange. Bereits der Apostel Paulus war in den Gemeinden ehrenamtlich tätig. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Zeltmacher. Interessanter Weise wurde bisher nur wenig über eine Theologie des Ehrenamts geforscht. Das erkannte Dr. Eberhard Hauschildt, Professor für Praktische Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Er griff das Thema auf und lies den Kreissynodalvorstand an seinen Erkenntnissen teilhaben. Ehrenamtlich tätig würden Menschen in den Kirchengemeinden aus Pflichtgefühl zur Unterstützung des Pfarrers. Andere wiederum brächten sich ein aus Interesse für bestimmte Tätigkeiten und zur Selbstentfaltung in Gruppen. Hierbei spielt das Gemeinschaftsgefühl eine stärkere Rolle. Aber auch das Interesse in Reaktion auf zurückgehende Ressourcen könne ein Motiv zur Mitarbeit sein.

Hauschild: „Ehrenamtliche sind die glaubwürdigsten Vertreter der Kirche. Sie engagieren sich um der Sache willen und verdienen kein Geld damit.“

Aus theologischer Sicht unterscheidet Hauschildt zwischen vier unterschiedlichen Ämtern und Dienste. Er benennt das allgemeine Priestertum aller Gläubigen, das ordinierte Amt, das Ehrenamt und sonstige Berufstätige. Für die Hauptamtlichen bedeuteten Ehrenamtliche jedoch Arbeit. Ehrenamtliche Kräfte, wenn sie gut sein sollen, bänden Arbeitskräfte professioneller Hauptamtlicher. Hauschildt: „Ehrenamtlichkeit verändert das Hauptamt. Da wo das Miteinander funktioniert, funktioniert auch das Ehrenamt.“

Im Laufe des Jahres wird das Thema Ehrenamt im Kirchenkreis Siegen unterschiedlich aufgegriffen. Über die  Sommersynode wird das Thema vertieft und in die Gemeinden getragen. Der Synodalausschuss für Gemeindeentwicklung „Gemeinsam unterwegs“ wird in einer Veranstaltung am 24. September in Ferndorf für Presbyterumsmitglieder Konfliktpotentiale zwischen Haupt- und Ehrenamt aufgreifen.

kp

 

Text zum Bild: (Fotos Karlfried Petri)

Der Kreissynodalvorstand auf seiner Klausurtagung Ende Januar 2015 in der Akademie Biggesee.

 

In Gruppen wurde das Thema „Ehrenamt“ aus eigenen Erfahrungen beschrieben. Im Bild von links: Pfr. Rolf Fersterra, Helga Hoffmann, Cornelia Dreute-Krämer und Friedrich Seidel,

 

Hans-Joachim Schäfer erläuterte das neue Ehrenamtskonzept der Ev. Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf.

 

Prof. Dr. Eberhard Hauschildt, Universität Bonn, zeigte auf, dass es so gut wie keine theologische Forschung zum Thema „Ehrenamt“ gibt.

 

Ein Schneespaziergang an der Bigge-Talsperre lässt die Gedanken auffrischen.

Im Bild: Superintendent Peter-Thomas Stuberg, Dr. Wolfgang Böhringer, Friedrich Seidel und Cornelia Dreute-Krämer

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