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Studienreise der Erwachsenenbildung des Kirchenkreises nach Thüringen

1.7.2025

Die Wartburg in Eisenach: Sie war das erste Ziel der Gruppe aus Siegen.
© Heike Dreisbach
Die Wartburg in Eisenach: Sie war das erste Ziel der Gruppe aus Siegen.

Bedeutsame Orte in Thüringen, Kultur, Geschichte und Gemeinschaft: Das wollten jetzt über ein langes Wochenende 24 Männer und Frauen im Alter zwischen 22 und 90 Jahren erleben. Sie nahmen an einer Studienreise teil, die von der Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein angeboten und organisiert worden war. Matthias Elsermann, Pfarrer im Ruhestand, und Heike Dreisbach, Leiterin der Erwachsenenbildung, führten die Gruppe. Die Reise startete an Christi Himmelfahrt an der Siegerlandhalle in Siegen. Erstes Ziel war die Wartburg in Eisenach – ein Teil der Gruppe erledigte den Aufstieg zu Fuß, ein anderer Teil nahm einen vorhandenen Shuttle-Service in Anspruch. Die Gruppe erhielt eine Führung, bei der sie einen Überblick erhielt über die fast tausend Jahre alte Wartburg, die zum UNESCO-Welterbe gehört. Hier manifestiert sich Geschichte wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland. Opulent verzierte Bauten und Gemächer zeugen eindrucksvoll von mittelalterlicher und spätromanischer Bau- und Lebenskultur. Vor etwa 800 Jahren lebte die Heilige Elisabeth von Thüringen auf der Burg.

Viel bekannter ist der Aufenthalt Martin Luthers. In den Jahren 1521 und 1522 versteckte sich der Kirchenreformator als „Junker Jörg“ auf der Wartburg und übersetzte hier das Neue Testament der Bibel aus dem griechischen Urtext in nur elf Wochen. Damit schuf er gleichzeitig das Fundament für die einheitliche deutsche Schriftsprache. Auch Johann Wolfgang von Goethe besuchte die Wartburg gleich mehrere Male, nachdem er die Burg im Jahre 1777 erstmalig betrat. 300 Jahre nach Luthers Thesenanschlag an das Tor der Schlosskirche von Wittenberg lud die Jenaer Urburschenschaft am 18. Oktober 1817 hier zum ersten Wartburgfest, einem wichtigen Datum auf dem Weg zu einem einheitlichen deutschen Nationalstaat. Vergegenwärtigt man sich, dass alle diese Ereignisse, die eng verbunden sind mit wichtigen Wegmarken deutscher Geschichte, wird deutlich, warum die Wartburg bereits seit dem 19. Jahrhundert als nationales Denkmal wahrgenommen wird.

Nach der Besichtigung der Wartburg ging es in die Altstadt von Eisenach. Im Anschluss daran besuchten die Reisenden das Bach-Haus in Eisenach. Es ist das größte Bach-Museum der Welt: Historische Wohnräume geben einen Einblick in das Leben bürgerlicher Familien um 1700. Sie vermitteln einen Eindruck vom Alltagesleben der Familie Bach. Der benachbarte Museumsneubau widmet sich Bachs Musik in einer multimedial gestalteten, spannenden Ausstellung. Zum Auftakt gab es ein Konzert auf historischen Tasteninstrumenten mit musikwissenschaftlichen Erläuterungen. Bemerkenswert: Johann Sebastian Bach, der große Meister, liebte, wenn er für sich selbst zur Muse musizierte, vor allem das schlichteste der ihm zur Verfügung stehenden Instrumente: Das Klavichord. Von Eisenach ging es weiter nach Erfurt, wo die Teilnehmenden den Abend ausklingen ließen.

Am Freitag folgte eine Fahrt auf den Ettersberg bei Weimar zur Gedenkstätte Buchenwald. Dort erhielt die Gruppe eine Führung auf dem Gelände und in der Dauerausstellung. Das KZ Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Es wurde zwischen Juli 1937 und April 1945 als Zwangsarbeitslager betrieben. Insgesamt waren in diesem Zeitraum etwa 277.800 Menschen aus 50 Ländern im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Die Zahl der Todesopfer wird auf etwa 56.000 geschätzt, darunter 15.000 Sowjetbürger, 7000 Polen, 6000 Ungarn und 3000 Franzosen. Als sich die 3. US-Armee Mitte April 1945 dem Lager näherte, übernahmen die Häftlinge die Lagerleitung von der abziehenden SS. 125 der Bewacher nahmen sie fest, sie öffneten die Tore und hissten die weiße Fahne.

Am Nachmittag erlebte die Gruppe aus Siegen eine Stadtführung in Weimar – die deutsche Kulturstadt schlechthin. Besonders beeindruckend war die Anna-Amalia-Bibliothek. Erschreckend: Die Selbstverständlichkeit, mit der man zur Zeit des Nationalsozialismus die Klassiker, vor allem Werke von Friedrich Schiller, hochhielt und feiert, während wenige Kilometer weiter über Jahre hinweg ein grauenhaftes und massenhaftes Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurde. Am Abend beschäftigten sich die Teilnehmenden der Studienreise noch einmal mit den Eindrücken des Tages – vor allem des Vormittages. Die Abendandacht stand unter der Frage „Wo war Gott in Buchenwald?“ – Eine Frage, auf die keine Antwort gegeben werden kann. Was aber möglich ist: Die Frage im Gebet direkt an Gott zu richten: „Gott, wo warst Du in Buchenwald?“

Am Samstag hatten die Gruppe die Möglichkeit, Besichtigungen in Eigenregie durchzuführen. Mögliche Ziele waren die Alte Synagoge in Erfurt mit Mikwe und dem Erfurter Schatz. Die Alte Synagoge gehört zu den ganz wenigen erhaltenen mittelalterlichen Synagogen und ist die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge Europas. Sie ist Zeugnis einer der wichtigsten jüdischen Gemeinden des Mittelalters. Der älteste nachgewiesene Bauabschnitt lässt sich um 1100 datieren. In der Alten Synagoge Erfurt werden Zeugnisse mittelalterlicher jüdischer Kultur Erfurts präsentiert. In der Nähe der Alten Synagoge wurde im Sommer 2007 ein jüdisches Ritualbad (Mikwe) gefunden. Im Keller der Alten Synagoge ist der "Erfurter Schatz" zu sehen. Ein 1998 in unmittelbarer Nähe der Synagoge geborgener gotischer Schatzfund aus dem 13./14. Jahrhundert. Er ist in Art und Umfang mit 3141 Silbermünzen, 14 Silberbarren, über 700 gotischen Gold- und Silberschmiedearbeiten sowie dem jüdischen Hochzeitsring weltweit einzigartig.

Auch das Evangelische Augustinerkloster konnte besichtigt werden. Es ist ein einmaliges Zeugnis lutherischer Tradition, protestantischen Glaubens und gegenwärtigen kirchlichen Lebens. In seiner Vollständigkeit und Geschlossenheit mit Kirche, drei umbauten Höfen, Konvents- und Wirtschaftsgebäuden ist das Kloster ein selten gewordenes Beispiel mittelalterlicher Ordensbaukunst. Die Kirche und die Klosteranlage der Augustiner-Eremiten wurden um 1300 erbaut. Martin Luther trat am 17. Juli 1505 in das Kloster ein. Das Augustinerkloster gedenkt Martin Luther mit einer Dauerausstellung unter dem Thema "Bibel-Kloster-Luther". Die "Lutherzelle" ist als Teil der Ausstellung zu besichtigen. Das Kloster dient seit 1988 als ökumenisches Veranstaltungs- und Tagungszentrum sowie Luthergedenkstätte und als Herberge für den ökumenischen Pilgerweg. Nahe beim Augustinerkloster gelegen ist die Michaeliskirche mit der sogenannten „Laasphe-Kapelle“. Sie trägt ihren Namen nach dem Geburtsort von Johannes Bonemilch, der in Bad Laasphe in Wittgenstein geboren wurde. Anfang des 16. Jahrhunderts war er Rektor der Erfurter Universität und auch Erfurter Weihbischof. In dieser Funktion weihte er 1507 Martin Luther zum katholischen Priester.

Die Laasphe Kapelle in Erfurt hat einen historischen Bezug zu Bad Laasphe in Wittgenstein.
© Heike Dreisbach
Die Laasphe Kapelle in Erfurt hat einen historischen Bezug zu Bad Laasphe in Wittgenstein.

Am Nachmittag unternahmen die Reisenden, unterteilt in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Wegstrecken, eine Stadtführung in Erfurt. Beeindruckend: Die Krämer-Brücke, die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas, der Domplatz mit dem Mariendom und der Severi-Kirche. Viel erfahren hat die Gruppe über die Bedeutung Erfurts für die friedliche Revolution 1989, die zum Zusammenbruch der DDR und zur deutschen Wiedervereinigung führte.  

Am letzten Tag der Studienreise wurde nach einem Gottesdienst die Rückreise nach Siegen angetreten. Einen längeren Zwischenhalt legte die Gruppe in Bad Frankenhause im Panoramamuseum zum Bauerkrieg, der sich 2025 zum 500. Mal jährt, ein. Hauptattraktion ist hier das Monumentalgemälde "Frühbürgerliche Revolution in Deutschland" von Werner Tübke, eines der spektakulärsten Projekte jüngerer Kunstgeschichte.  Auf einer Gesamtfläche von 14 Metern Höhe und 123 Metern Länge entfaltet sich ein Universum menschlicher Leidenschaften. So lässt sich nicht nur der Epochenwand vom Spätmittelalter zur Neuzeit nachvollziehen. Werner Tübke schuf ein universales, zeitloses Gemälde, das grundlegende Themen der Menschheit, wie Liebe und Hass, Tod und Geburt, Eintracht und Zwiespalt, sowie die ständige Wiederkehr des Immergleichen in Szene setzt und nachvollziehbar macht.

Heike Dreisbach 

Die Reisegruppe.
© Heike Dreisbach
Die Reisegruppe.
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