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Freudenberger Gemeinde gedenkt Luise im Gottesdienst

19.3.2023

Eine Kerze und ein Blumenstrauß erinnerten im Gottesdienst am Sonntag in der Freudenberger Kirche an Luise und alle von der Gewalttat betroffenen Menschen.
Eine Kerze und ein Blumenstrauß erinnerten im Gottesdienst am Sonntag in der Freudenberger Kirche an Luise und alle von der Gewalttat betroffenen Menschen.

Es war der normale Sonntagsgottesdienst, und doch war nichts normal an diesem Sonntagmorgen in der evangelischen Kirche in Freudenberg. Das symbolisierte nicht nur das Kondolenzbuch im hinteren Bereich des altehrwürdigen Gotteshauses, sondern auch die Kerze und der Blumenstrauß, die ihren Platz auf dem Abendmahlstisch fanden. Der gewaltsame Tod der zwölfjährigen Luise und die erschütternden Tatumstände bestimmten den Gottesdienst, den Superintendent Peter-Thomas Stuberg, leitender Theologe des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, zusammen mit der Freudenberger Pfarrerin Angelika Mayer-Ullmann hielt. „Wir ringen alle immer noch um Worte und um Fassung“, sagte Stuberg. Dafür sollte der Gottesdienst Raum bieten: „Wir wollen uns den Ereignissen stellen, sie vor Gott bringen, und nach dem Warum fragen.“ Freilich in dem Bewusstsein, dass es auf diese Frage keine einfachen Antworten geben kann.

Kerze und Blumen für Luise und alle Betroffenen

In Gedenken an Luise, die vor einer Woche mutmaßlich von zwei gleichaltrigen Mädchen getötet wurde, entzündete die Freudenberger Presbyteriumsvorsitzende Karin Grosse eine Kerze auf dem Abendmahlstisch. Anschließend stellte sie Blumen in eine Vase für alle, „die in den vergangenen Tagen Unaussprechliches ertragen mussten“, wie Pfarrerin Mayer-Ullmann sagte. Die Pastorin schloss in ihre Fürbitte Luises Angehörige und Freunde ebenso ein wie die Rettungskräfte, Polizisten, Helfer und Seelsorger, die im Einsatz waren und sind, die Lehrkräfte und Mitschüler der Freudenberger Gesamtschule sowie die Nachbarn, Freunde, Bekannten und Menschen in ganz Deutschland, die Anteil an Luises Schicksal nehmen.

Presbyteriumsvorsitzende Karin Grosse (links) entzündete eine Kerze für Luise, Pfarrerin Angelika Mayer-Ullmann sprach dazu ein Fürbittengebet.
Presbyteriumsvorsitzende Karin Grosse (links) entzündete eine Kerze für Luise, Pfarrerin Angelika Mayer-Ullmann sprach dazu ein Fürbittengebet.

Bei aller Anteilnahme warb Superintendent Stuberg in seiner Predigt vor allem für Zurückhaltung. Es sei menschlich, das Schlimme verstehen zu wollen und sich zu fragen, wie die Tat hätte verhindert werden können. „Hüten wir uns aber zu glauben, wir wüssten genug von dem, was wirklich geschah“, sagte Stuberg. Weil es um Kinder gehe, werde das wahre Geschehen der Öffentlichkeit im Kern verborgen bleiben. Das Gesetz stelle aus gute Gründen jetzt die Frage, was Kindern gerecht werde, selbst wenn sie zu Tätern geworden seien. „Um für solche Fragen Lösungen zu finden, ahne ich, da braucht es mehr als einfache und unkundige Antworten“, sagte der Superintendent. Statt schneller Verurteilungen, vor allem in den sozialen Medien, benötigten die beteiligten Menschen – „ich denke da an alle drei Familien“ – jetzt ihren geschützten und abgeschirmten Raum, der dem öffentlichen Blick entzogen sei. Auch die Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke fand in ihrer Ansprache im Gottesdienst deutliche Worte: „Hass und Hetze werden bei uns keinen Boden finden“, sagte die Lokalpolitikerin. „Wir sind vereint in unserer Trauer um Luise und vereint in dem Wissen, dass unser starkes Band als Gemeinschaft uns durch die Zeit der Trauer und Schmerzen tragen wird.“

Die Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke und Superintendent Peter-Thomas Stuberg im Gottesdienst in der Freudenberger Kirche.
Die Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke und Superintendent Peter-Thomas Stuberg im Gottesdienst in der Freudenberger Kirche.

Die nicht direkt betroffenen Menschen müssten die eigene Hilflosigkeit und die offenen Fragen aushalten, sagte Superintendent Stuberg in seiner Predigt weiter. Das gelte auch mit Blick auf Gott. „Von ihm zu schweigen stünde uns mitten in diesem schweren Leid bestimmt besser zu Gesichte, als vermeintlich vollmundig Auskunft zu geben über das, was er eigentlich will, wo er in Wirklichkeit war und warum er Schreckliches geschehen ließ“, sagte Stuberg und unterstrich: „Wir schauen nicht in sein himmlisches Regiebuch.“ Bei aller Ratlosigkeit könnten die uralten Worte aus Psalm 31 eine Hilfe sein: Der Psalmbeter erkläre Gott in seiner eigenen Notsituation nicht, aber er schweige auch nicht über ihn. In seinen Worten finde sich mehr Fragendes als klare Antworten, sagte Stuberg. Dennoch geschehe im Verlauf des Psalms Unerklärliches: Aus der Bitte, dass Gott Fels und Burg sein möge, werde die Gewissheit, dass Gott beides tatsächlich ist. Zwischen der ratlosen Bitte und der neuen Gewissheit habe womöglich viel Zeit gelegen, sagte der Theologe. Auch sei diese Erkenntnis keine eigene Leistung, sondern ein Geschenk Gottes. So bleibe vorerst nur, Gott „herbei zu beten“: „Beten wir, dass wir seine Gegenwart erkennen, die längst da ist.“ Gott möge allen verletzten Seelen seinen Halt schenken, sagte Stuberg. Und er möge „Luise in sich bergen wie in einer Burg, in seiner Burg, die die ihre werden soll, in der der endgültige Tod keinen Zutritt bekommt, weil Christus ihm die Tür für immer verschlossen hat“.

Kondolenzbuch liegt weiterhin aus

Die Freudenberger Kirche soll auch nach dem Gottesdienst ein Raum bleiben, in dem die Trauer für Luise einen Platz hat. In das Kondolenzbuch können sich Trauernde und Anteilnehmende weiterhin eintragen. Auch Notfallseelsorger werden nachmittags als Ansprechpartner vor Ort sein.

In der Freudenberger Kirche liegt ein Kondolenzbuch aus.
In der Freudenberger Kirche liegt ein Kondolenzbuch aus.

Hier können Sie die komplette Predigt nachlesen.

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