Angedacht

Seit 2009 gibt es in der Wittgensteiner Westfalenpost allwöchentlich ein Angedacht der heimischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Der Text ist keine Predigt, sondern ein Blick in den Alltag und eine Einladung zu den Gottesdiensten im Kirchenkreis.

24. September 2023

Gott weiß, wie seine Liebe uns erreicht
von Pfarrerin Barbara Plümer, Siegen

 

Gestern war der Internationale Tag der Gebärdensprache. Bereits 1951 hat der Weltverband der Gehörlosen diesen Tag ausgerufen. Seit den 1970 Jahren begehen die Gehörlosen-Verbände in Deutschland diesen Tag.
So machen sie die hörende Mehrheit auf die Schönheit der Sprache und ihre Gleichwertigkeit zur Lautsprache aufmerksam. Und auf die Gebärdensprach-Nutzerinnen. In den sozialen Medien haben sie deshalb den „Monat der Aufmerksamkeit für Gehörlose“ ausgerufen. In ihren Beiträgen wenden sie sich gezielt an Hörende und untertiteln ihre Beiträge. Darin geben sie Einblick in die Sprache, in ihre Kultur und begegnen der weitverbreiteten Unkenntnis über ihre Sprachgemeinschaft. Ich kann allen Interessierten nur empfehlen, einmal nach Beiträgen von Juteo im Netz zu suchen.

Auch ich möchte mit diesem Beitrag auf die Gebärdensprache aufmerksam machen. Ich bin hörend, Pfarrerin im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein. In meiner Arbeit ist Gebärdensprache die Arbeitssprache. Denn ich bin Gehörlosen-Seelsorgerin. Und ich liebe die Deutsche Gebärdensprache, weil sie so ausdrucksstark ist.
Oftmals stellt sie mich vor Herausforderungen. Etwa wenn ich für den Gottesdienst überlege. wie ich den Text der Luther-Bibel in Gebärdensprache ausdrücke. Aber Gottlob ist es mittlerweile selbstverständlich, dass wir in den Gottesdiensten der Gehörlosengemeinde diese Übersetzung machen. Lange war in den Gottesdienst die Lautsprache verbreitet.
Gottlob haben wir in der Kirche dazugelernt und begriffen, dass die Deutsche Gebärdensprache (wie auch die über 300 anderen Gebärdensprachen der Welt) eine vollwertige Sprache ist, in der sich auch hoch-geistige Sachverhalte ausdrücken lassen.
Ganz nach Luthers Motto bei seiner Bibelübersetzung aus dem Lateinischen ins Hochdeutsche, versuchen auch wir unseren Gemeindegliedern „aufs Maul zu schauen“ oder besser. „auf die Gestik und Mimik zu schauen“. Wir predigen die biblische Botschaft in der Sprache unserer Gemeindeglieder. Damit alle in ihrer Sprache von unserem Gott erfahren. In der Jahreslosung 2023 heißt es über Gott: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ (1. Mose 16, 11)
Ja, Gott sieht uns an, so wie wir sind, und nimmt uns an, so wie wir sind. Von ihm bekommen wir Wertschätzung. Und er kommuniziert mit uns Menschen, so wie wir es verstehen.
Die Bibel berichtet: Manche Propheten HÖREN sein Wort, anderen offenbart er sich durch VISIONEN. Gott sei Dank! Gott ist ein Gott, der uns sieht und darum weiß, wie seine Liebe uns am besten erreicht: in Lautsprache oder in Gebärdensprache.
Und Gott sei Dank, können wir Hörenden diese wunderschöne, ausdrucksstarke Sprache erlernen und mit Gehörlosen auf Augenhöhe kommunizieren!

 

eine E-Mail an die Autorin

Barbara Plümer ist die Gehörlosen-Seelsorgerin des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein.

17. September 2023

Jesus ist mit im Boot!
von Pfarrerin Christine Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Mit beiden Händen führe ich den Paddelschlag rechtsseitig. Der Lieblingsmensch sitzt hinter mir und hält das Paddel auf der linken Seite. Ruhig gleitet das Kanu vorwärts. Beide schauen wir nach vorn; was hinten liegt, ist vorbei. Alles fließt. Wasserläufer huschen über die Wasserfläche, Mücken tanzen, wir gleiten an Seerosen mit ihren grünen Blättern vorbei. Wasservögel beobachten uns. Knorrige Wurzeln, die bis ins Wasser reichen, schattige Baumkronen, dichtes Unterholz seitwärts; ein Specht hämmert auf der Suche nach Nahrung; drei Enten begleiten uns eine Weile. Die Ruhe, die keine Stille ist, erfüllt unser Herz.
Andere Kanu- oder Kajakfahrende begegnen uns – man grüßt sich. Ab und zu eilen motorbewegte Wasserfahrzeuge vorbei und erzeugen Wellen; das bedeutet, je nach Größe, Aufregung für uns oder kleine Spritzer, häufiger aber nur, dass unser Boot fröhlich auf den Wellen tanzt. Wir sind in ruhigen Gewässern unterwegs auf der Seenplatte im Herzen Deutschlands. Wir wechseln einmütig die Paddelseite, stimmen Lenkbewegungen ab. Wir machen einander aufmerksam auf Beachtenswertes und Schönes.

Ab und zu halten wir einfach inne. Später ist es Zeit für eine längere Pause, mit Anlegen und Aussteigen. Die zweite Wegstrecke zieht sich. Gegen Ende werden die Kräfte weniger. Singen hilft: je zwei Takte für einen Paddelschlag: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren… Am Ende des Tages sind wir erschöpft, aber unsagbar erfüllt.

Die ersten Jünger Jesu waren Fischer. Auch sie bewegten ihr Boot mit reiner Muskelkraft. Der See Genezareth ist fischreich, aber sehr tückisch: Er kann plötzlich meterhohe Wellen bilden, die große Not für die Boote und Lebensangst für die Fischer bringen. Die Jünger begreifen nicht, wie Jesus mitten im Sturm auf dem Boot schlafen kann. Dann erleben sie, dass Jesus mächtiger ist als Wind und Wellen: Er kann das Bedrohliche verstummen lassen! Später tritt Jesus das, was Angst macht, mit Füßen: Er geht auf dem Wasser!
Ja, unser Leben ist wie eine Fahrt auf einem schwankenden Boot, über unauslotbare Tiefen hin. Aber: Jesus ist mit im Boot! Von seinem Vertrauen können wir lernen. Ihm dürfen wir unsere Lebensreise anbefehlen. „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch kein Vertrauen?“, fragt Jesus die, die er aus Todesgefahr gerettet hat.
Immer wieder wird es Stürme und andere Nöte in meinem Leben geben. Gott ist da! Und hin und wieder gibt es auch die wunderbaren Wege auf stillen Gewässern, mit mildem Sonnenschein und sanftem Wind. Dafür bin ich dankbar!

 

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10. September 2023

Der HERR ist meines Lebens Kraft
von Pfarrer Oliver Lehnsdorf, Bad Berleburg-Oberndorf

 

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen, drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen“ - dieser Ausspruch von Matthias Claudius ist sehr bekannt.

Meiner Familie und mir ging es bei unserer letzten Reise ähnlich. Wir waren in den Sommerferien an der Ostsee und konnten etwas miterleben, was wir so vorher noch nie gemacht hatten. So gab es in unserem Urlaubsort die Möglichkeit, auf einem Segelschiff mitzufahren. Es war ein Dreimaster, auf dem man Kurztouren mitmachen konnte. Gesagt, getan. Wir fuhren an einem Nachmittag mit. Das Wetter war relativ gut. Es waren anfangs nur einige wenige Wolken zu sehen. Doch im Verlauf der Tour zog sich der Himmel immer weiter zu und es begann zu regnen; erst leicht und später dann kräftig. Das führte dazu, dass unser Segelschiff mit immer größeren Wellen zu kämpfen hatte. Doch unser Steuermann und sein Team hatten das Segelschiff im Griff, so dass wir trotz Unwetter eine relativ gute Fahrt hatten.

Eine solche Schifffahrt ist, wie ich finde, auch ein gutes Bild für das eigene Leben. Man ist im Leben immer unterwegs. Da gibt es ruhige und sonnige Zeiten und solche, die mit einem aufgewühlten Meer mit schlechtem Wetter zu vergleichen sind. Es gibt also Momente, in denen es einem richtig gut geht. Das sind die schönen Zeiten, die man Gott sei Dank immer wieder einmal auch haben kann. Aber es gibt auch andere Zeiten, in denen es einem selbst oder eigenen Angehörigen nicht gut geht. Da helfen einem vor allem zwei Dinge. Zum einen ist es da gut, diese schwierigen Zeiten gemeinsam zu durchleben. Dann ist es zum einen wichtig, Angehörige bei sich zu haben, die für einen da sind. Zum anderen hilft einem da jemand, der wie ein guter Steuermann das Schiff des Lebens in einer guten Weise lenken kann. Ein solch guter Steuermann ist, wie ich finde, Gott. Er hat uns nicht nur das Leben geschenkt, er ist auch immer an unserer Seite, und umfängt uns stets neu mit seiner Liebe und Güte. Er möchte auch ganz besonders dann bei uns sein, wenn es uns einmal nicht so gut geht.

Um diese Wahrheit weiß auch der Psalmist, weswegen es im Vers 1 des Psalms 27 heißt: „Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?“ Ich wünsche uns, dass wir das stets neu spüren können. Ich wünsche uns, dass Gott uns segnet und uns immer wieder neu Glaube, Hoffnung und Liebe schenkt.

 

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3. September 2023

Kinder, Kinder
von Gemeindepädagoge Volker Peterek, Siegen

 

Die Sommerferien sind vorbei, und an vielen Stellen in Wittgenstein und Siegerland sind Ferienfreizeiten gelaufen, Kinder-Bibel-Wochen wurden veranstaltet oder es gab Tagesaktionen bei Ferienspielen vor Ort. Es wurde gespielt, gebastelt, gerannt, gesprungen, gelacht, geschrien und Geschichten über Gott und die Welt, seine Welt, gehört. Viele Kinder hatten viel Spaß. Das verursachte hier und da Lärm. Dem einen oder der anderen mag dies nicht immer Freude gemacht haben, gerade wenn in der Mittagszeit die Siesta anstand.

Doch erinnern wir uns an unsere Kindheit. Wir haben uns dreckig gemacht, sind im Ort rumgelaufen, waren im Wald unterwegs, haben Freundschaften geschlossen und bestimmt auch manches Mal Quatsch gemacht und wurden beim Klingelmännchen erwischt.

Doch es war eine, so hoffe ich für Sie, freudige und unbeschwerte Zeit. Es gab nicht die großen Sorgen, die sich Erwachsene machen müssen. Wir wussten, wo Zuhause ist. Wo es warm, geborgen und sicher ist. Da waren Menschen, auf die wir uns verlassen konnten. Seien es Mama, Papa, Oma, Opa, Geschwister oder sonst wer gewesen.

Sicherlich gab es auch mal Streit oder es wurde mal laut. Hausarrest werden auch die meisten von uns kennen. Doch das hatte (meistens) seinen Grund und wurde, wenn auch widerwillig, ertragen.

Auch bei Jesus finden wir einen sehr eindrucksvollen Bezug aufs Kind-Sein. Die Jünger streiten sich, wer der Größte, Beste, Tollste sei. Sie fragen Jesus und der stellt ein Kind vor sie und sagt in Matthäus 18: „Kehrt um und werdet wie die Kinder.

Wir dürfen also nicht nur, sondern sollen werden wie ein Kind. Ein Kind Gottes, das sich bei ihm geborgen, sicher und aufgehoben fühlen kann.

Wie ein Kind, das freudig und unbeschwert durch den Alltag geht. Ein Kind, das weiß, wo sein Zuhause ist. Ein Kind, das weiß, wo es ewig zuhause sein darf.

Was bedarf es in Deinem, in Ihrem Leben um wie ein Kind Gottes an seiner Hand durch den Alltag zu gehen? Um die Sicherheit des ewigen Zuhauses zu haben, heute und zukünftig? Um, aller Schwierigkeiten, Sorgen, Krankheiten und Unsicherheiten des Alltags zum Trotz die kindliche Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen zu haben?

Ist es vielleicht die Freundschaft, die Beziehung zu Gott, die aufgefrischt werden sollte oder kann ich den Gesprächsfaden, das Gebet wieder neue aufleben lassen. Oder ich spreche mit anderen über Themen des Glaubens, so begeistert wie über meine Hobbies oder die Ergebnisse des letzten Bundesliga-Spieltags. Ich höre Musik oder einen Podcast. Oder ich besuche ein Angebot meiner Kirchengemeinde und treffe mich mit anderen, um Gemeinschaft zu haben, untereinander und mit Gott. Ich bin mir sicher, es finden sich viele Wege und Du deinen.

Nun wünsche ich Euch und Ihnen, dass genau diese Erfahrungen als geliebtes Kind Gottes möglich sind.

 

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Volker Peterek leitet das Referat für Jugend und Gemeindepädagogik des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein.

27. August 2023

Confession-Fashion oder Glaube in Mode
von Pfarrerin Claudia Latzel-Binder, Bad Berleburg

 

Schick! Ich staune manches Mal. Bei Gottesdiensten mit mehreren Konfessionen oder bei internationalen Kirchentreffen sind die Gewänder oft ein echter Hingucker. Ich weiß natürlich, dass sie als liturgische Kleidung eine tiefere Symbolik haben und von der Schönheit des Glaubens und der Ewigkeit erzählen. Aber so klamotten-technisch sind sie rein optisch schon eine prachtvolle Modenschau himmlischer Couture. Confession-Fashion! Und im Dresscode der Kollegen geht es da viel spektakulärer zu als bei uns Evangelischen. Klar ist auch bei dem protestantisch klassisch schwarzen Talar nicht alles Jacke wie Hose und es gibt feine kleine Details wie den gefütterten Ärmelaufschlag oder die Form des Beffchens, der weißen Halsbinde. Naja, aber eben alles gediegen. Seit er 1811 für alle reformierten, unierten und lutherischen Pfarrer (damals noch keine *innen) eingeführt wurde, hat sich wenig an ihm verändert. Zeitloses Design. Ich trage ihn nicht ungern, weil ich durch den Talar nicht über meine eigene Kleidung nachdenken muss und er in Gottesdiensten und gerade bei Amtshandlungen deutlich markiert, in welcher Funktion ich das tue. Es hat Gemeinden insgesamt auch viele Diskussionen erspart darüber, ob die Pfarrperson jeweils angemessen angezogen ist. Ich finde es auch recht normal, denn andere Berufsgruppen kennen ebenfalls Berufskleidung oder einheitliche Outfits im Dienst. Alles in allem ist für die Kirchen der Reformation die Frage nach der Amtstracht ein sogenanntes „Adiaphoron“, also eine weltliche Ordnung, nicht heilsentscheidend und damit nachgeordnet. Deswegen gibt es da eine relative Freiheit und auch Gottesdienste ganz ohne Talar, gerade wenn er mit Gemeindegliedern gestaltet wird. Das Priestertum aller Glaubenden ist der höhere Wert und dem entspricht eben keine besondere Kleidung. Von Jesus selbst wird nur an einer Stelle erzählt, dass er beim Predigen oder Gottesdienst-Feiern ein besonderes Gewand anlegte, und das war die Schürze zur Fußwaschung beim Letzten Abendmahl. Es ist für mich der Hinweis, dass wir Kirchenleute in erster Linie einen dienenden Auftrag haben. Da passt das schlichtere Ornat. Bei dem, was es dazu sonst noch im frommen Kleiderschrank gibt, fällt mir die Konfektionsgröße Jesaja 61,10 ein: „Gott hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.“ Das ist wahrhaft himmlischer Style. Und der zeigt sich konkret an der Beschaffungs-Mentalität der realen Stoffteile auf den Kleiderbügeln, die hoffentlich als Fair Fashion in der gesamten Lieferkette gerechte Arbeitsbedingungen und konsequenten Umweltschutz aufweisen. So wird meines Erachtens auch im weltweiten Kontext Glaube anziehend, denn Gerechtigkeit kommt nicht aus der Mode. Okay, nach solchen Überlegungen bin ich amtstrachtsmäßig wieder geerdet und sehr zufrieden. Aber hingucken werde ich weiter.

 

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Claudia Latzel-Binder arbeitet beim oikos-Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen.

20. August 2023

Hoffnung kennt kein „zu spät“
von Pfarrer Dietrich Hoof-Greve, Obersdorf

 

Tatü - tata - tatü - tata, zu - spät - zu - spät - immer wieder mal wird dieser zynische Spruch aus Kindertagen bei mir angetriggert, wenn ich den markanten Klang eines Martinshorns höre. Irgendwo sind sie auf einer Fahrt mit Sondersignal unterwegs, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, um einzugreifen, um Unheil, Krankheit und wie so oft auch den Tod zu verhindern. Jede Sekunde zählt dann. Wir hören nur die durchdringende, ohrenbetäubende Klangfolge der Sirenen mit der Tonfolge „a“ und „d“ und wir wissen sofort: irgendwo brennt‘s. Irgendjemand braucht Hilfe, schafft es nicht alleine, bedarf unverzüglich der Unterstützung. Tatü - tata - tatü - tata“ - die Fanfare signalisiert, dass irgendwo gerade nichts normal ist, die Grenzen der Komfortzone erreicht sind. Die schrillen Töne konfrontieren mich mit Grenzen, Versagen, Vergänglichkeit anderer.

„Zu spät - zu spät!“ - so kann auch nur jemand denken, der innerlich weit weg ist von der Brisanz des Augenblicks, vielleicht gaffend auf der anderen Seite der Autobahn oder im klimatisierten Büro einer Großstadt. Aber zugedeckt mit einer Folie, dankbar für den Ersthelfer, der mich versorgt, wird die Zeit endlos bis endlich die vertrauten Signale zu hören sind. Jetzt sind sie da. Jetzt wird sich gekümmert. Gott-sei-dank waren sie rechtzeitig.

 „Aus tiefer Not schrei ich zu dir…“ das Wochenlied für die kommende Woche aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch mit der Nr. 299 macht nachdenklich. Es findet sich auch im Gotteslob (Nr. 277), denn angelehnt an Psalm 130 hat es Martin Luther geschafft, etwas in Wort und Melodie zu kleiden, was wir alle gut kennen, dieses Stoßgebet, diese verzweifelte Suche nach Halt, nach Rettung nach Klarheit in unübersichtlichen Zeiten. „Da ist so viel, Gott, wo du gebraucht wirst.“ Und da ist das Eingeständnis der eigenen Ohnmacht und des Versagens.

Hoffende sperren sich deshalb gegen ein „zu spät - zu spät“. Die Sehnsucht bleibt, dass alles gut wird. Jetzt und am Ende aller Tage.

Wie wäre es denn, wenn wir immer dann, wenn wir ein Martinshorn hören, uns ab jetzt an dieses Gebet aus dem 130 Psalm erinnern lassen? „a“ - „d“ … ad dominum… zu Gott! „Aus der Tiefe, Herr rufe ich zu dir: Pass auf Gott! Beruhige die Gemüter der Krawallmacher, wenn die Polizei zur Streitschlichtung eintrifft. Schieb die Autos zu einer Rettungsgasse auseinander, wenn diese verletzte Frau auf der Straße liegt. Gib den Helferinnen und Helfern Kraft und Besonnenheit, das jetzt Notwendige zu tun und dann auch die verstörenden Bilder zu verarbeiten. Tröste die ältere Dame, die noch gar nicht realisiert, dass für ihren Mann jede Hilfe nun zu spät kam.“

Was die Kirchenglocken können, kann das Martinshorn auch: Menschen daran erinnern, wem wir unser Leben zu verdanken haben, und uns einladen, um seine Hilfe zu flehen.

 

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Dietrich Hoof-Greve ist Leiter der Telefonseelsorge Siegen.

13. August 2023

„So, wie ich es gern habe“
von Pfarrer Jaime Jung, Erndtebrück

 

Ich bin gewiss nicht der Einzige, der sich in den letzten Tagen und Wochen über den Sommer in unserer Region geärgert hat. Viel Regen, wenig Sonne, zu kalt für die Jahreszeit. Und das war immer wieder Gesprächsthema - naja, über das Wetter unterhält man sich gern und viel zu oft. Als ob die Aufregung darüber etwas ändern würde. Jeder weiß ja: Ob‘s morgen regnerisch, sonnig, windig, kalt oder warm wird, das ist eine der paar Sachen, auf die wir wenig oder gar keinen Einfluss haben. Hätten wir aber gern, die Kontrolle darüber - so wie wir Menschen auch sonst alles gern unter Kontrolle haben wollen.

Genau darauf hat mich neulich jemand aufmerksam gemacht: „Lasst uns bitte aufhören, uns über das Wetter zu beschweren. Es ist so wie es ist.“ Und dann hat mir diese Person später sogar eine Erzählung zum Thema zugeschickt, von Anthony de Mello: Ein Wanderer fragte einen Schäfer: „Wie wird das Wetter heute?“ Der Schäfer: „So, wie ich es gern habe.“ „Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es liebt?“ Der Schäfer: „Ich habe die Erfahrung gemacht, mein Freund, dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gern möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag. Was immer geschieht, an uns liegt es, Glück oder Unglück darin zu sehen.“

Oft erfahren wir erst im Nachhinein, dass vermeintliches Glück gar keins war und dass ein offensichtliches Unglück am Ende Glück bedeuten kann. So sollten wir nicht zu schnell urteilen, was im Leben schlecht läuft. Manchmal entdecken wir, dass schwere Zeiten im Leben im Nachhinein ein Geschenk waren. Nicht immer, aber oft. Um beim Thema „Wetter“ zu bleiben: Ich kann mich über den regnerischen Tag ärgern - oder dankbar dafür sein, dass die Natur davon profitieren wird. Nicht alles muss sofort und genau so geschehen, wie ich es will.

Vor Allem dürfen wir vertrauen, dass auch in schwierigen Zeiten Gott bei uns ist. An den sonnigen und auch an den stark bewölkten Tagen unseres Lebens. In dieser Hinsicht reden wir nicht von Glück oder Zufall, sondern von Segen. Gott beschenkt uns mit seinem Segen immer wieder neu. Sein Segen ist wie die wertvollen Regentropfen - alles ist davon abhängig. Ob wir all diesen Segen erkennen und dankbar dafür sind, das darf jeder Mensch für sich selbst beantworten.

Das ist meine Zuversicht: Ich bin in guten Händen aufgehoben und geborgen, komme was wolle. So werde ich versuchen, weniger übers Wetter zu jammern. Ich lasse mich von dem Schäfer aus der Erzählung erinnern: Ich darf darauf vertrauen, dass Gottes Wille für mein Leben geschehen wird, und nicht immer mein Wille. Denn er behält alles in seiner Hand: Die Welt, unser Leben und auch das Wetter. Bessere Aussichten kann es gar nicht geben.

 

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6. August 2023

„Lass dich durch nichts erschrecken“
von Gemeindepädagoge Daniel Seyfried, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu und mit der nächsten Woche hält vielerorts wieder der Alltag Einzug. Und doch beginnt für manche etwas Neues. Einige fangen eine Ausbildung an, ein Studium oder eine neue Arbeit. Wieder andere gehen nun auf weiterführende Schulen oder kommen in den Kindergarten. Und dann gibt es auch noch die Schulanfänger, für die ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihre Einschulung?

Die meisten Kinder sind voller Vorfreude auf die Schule und können den ersten Schultag kaum erwarten. Nun gehören sie zu den Großen und lernen endlich lesen, schreiben und rechnen. Aufgeregt und fröhlich gehen sie dem ersten Schultag entgegen.

Mittlerweile ist es in Deutschland ein guter Brauch, den ersten Schultag auch zu feiern. Die Kinder sind aus dem Kindergartenalter herausgewachsen, und es beginnt „der Ernst des Lebens“, wie es oft heißt. Und dabei ist es wichtig, Kindern Mut zu machen für all das Neue, was nun auf sie zukommt, und sie beim Lernen zu unterstützen. So ein kleiner Mutmacher ist in dem Zusammenhang die Schultüte. Sie gehört zumindest im deutschsprachigen Raum beim ersten Schultag dazu und soll den Kindern den Abschied aus dem Kindergarten und den Beginn der Schulzeit versüßen. Die Schultüten werden teilweise selbst gebastelt und mit individuellen Motiven versehen, die oftmals Interessen und Gaben der Kinder aufnehmen. Vor allem für die Kinder hat die Schultüte eine besondere Bedeutung. Stolz tragen sie diese nach Hause, damit alle es sehen können, dass sie nun ein Schulkind sind.

Vielleicht können wir von den Kindern und ihren Schultüten lernen, das Leben zu feiern. Gerade dann, wenn Neues, Unbekanntes und vielleicht auch Herausforderndes bevorsteht. Dann sind wir eingeladen, einen Moment inne zu halten und auf Gott zu blicken. Wir können erkennen, was wir bisher mit seiner Hilfe geschafft und erreicht haben. Zugleich werden wir erleben, wie Gott uns stärkt und segnet für all das, was kommen wird. Es wäre doch gut, wenn auch wir dann eine Art Schultüte bekommen, die uns das Leben versüßt und auf Gottes Wirken hinweist.

Bei allem, was das Leben mit sich bringt an Schönem und Schwierigem, an Neuem und Bekanntem können wir darauf vertrauen, dass Gott bei uns ist, uns Kraft gibt und uns segnet. So bekommt auch Josua von Gott zugesagt: „Sei mutig und entschlossen! Hab keine Angst und lass dich durch nichts erschrecken; denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst!“ (Josua 1,9 Gute Nachricht Bibel) Dadurch können auch wir, wie die Kinder mit ihren Schultüten, mutig und hoffnungsvoll, voller Freude dem entgegen gehen, was Gott für uns bereithält.

Ich wünsche den Kindern einen gesegneten Schuleintritt und ein fröhliches Lernen und uns, dass wir Gottes Beistand und Segen täglich neu erleben.

 

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30. Juli 2023

Wasser reinigt und erfrischt, rettet und verbindet
von Pfarrerin Berit Nolting, Bad Berleburg-Berghausen

 

„Hast Du auch genug getrunken?“ - wie oft haben Sie in den letzten Wochen diesen Satz gesagt oder zu hören bekommen? Auch wenn es nervt, das Trinken ist für uns wichtig. Und von wie vielen Menschen habe ich in den vergangenen Tagen schon gehört, dass sie ins Krankenhaus mussten, weil sie ausgedörrt und durcheinander waren. Sie hatten nicht genug getrunken.

 Ja, Wasser ist wichtig. Ich sehe das auch, wenn ich durch unseren Garten oder die Natur gehe. Vieles könnte besser wachsen, viele Blumen könnten schöner blühen, wenn sie mehr Wasser bekämen. Aber wir wollen ja auch Wasser sparen - und gießen deshalb viel weniger. Und die im Frühjahr frisch gesetzten kleinen Bäume im Wald? Viele von ihnen sollen schon vertrocknet sein, weil es nicht genug geregnet hat. Wasser ist wichtig. Wir merken es auch nach einem heißen Tag. Wie gut tut dann eine Dusche oder ein Sprung ins Freibad-Becken. Wie schön ist es, zu planschen und zu spritzen mit Wasser, das Freude bringt. 

Währenddessen brennen derzeit an vielen Stellen in Südeuropa und Nordafrika Wälder und Landschaften. Feuerwehren sind in Fahrzeugen, Hubschraubern und Flugzeugen mit Wasser unterwegs und versuchen, die Brände zu löschen und dabei Dörfer und Städte zu retten. Ganz wichtig ist an dieser Stelle das Wasser. Es rettet nicht nur Güter, sondern auch Leben. Wasser ist nicht nur lebensnotwendig für uns und unsere Umwelt, es kann auch retten. 

Und außerdem ist Wasser auch noch ein Zeichen der Verbundenheit. 

Getauft wird mit Wasser. Schon Johannes der Täufer hat die Menschen und auch Jesus im Fluss Jordan getauft, sie im Wasser untergetaucht. Bis heute werden Täuflinge mit Wasser benetzt - auch in Ländern, in denen es nur wenig Wasser gibt. Wasser als Zeichen der Verbundenheit der Christen auf der ganzen Welt. Wasser als Zeichen: Der alte Mensch ist weg, abgewaschen, der neue Mensch fängt als Christ nochmal neu an. Wie gut tut es, neu anzufangen, ganz frisch und sauber wieder zu starten.

In der Kirche ist Taufe etwas Einmaliges. In der evangelischen und katholischen Kirche wird niemand ein zweites Mal getauft. Als getaufte Christen können wir im Gebet immer wieder das Abwaschen, das Abgeben all der Dinge erfahren, die uns belasten und beschmutzen. Durch Jesu Tod am Kreuz ist uns vergeben und ein Neuanfang immer wieder möglich. Und dabei verbindet alle Christen das Wasser der Taufe. Das Wasser, das lebenswichtig ist, das reinigt und erfrischt, das Leben rettet und schenkt.

 

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23. Juli 2023

Befreit zu Freude und Zuversicht
von Pfarrer Peter Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit. Gott nahm in seine Hände meine Zeit.“ Hanns Dieter Hüsch begann mit diesen Worten eine seiner Psalmen-Übertragungen. Tage, an denen ich genauso empfinden kann, tun gut. Aber nicht der erste Teil des Zitats ist dabei für mich das Entscheidende, sondern dieses „Gott nimmt meine Zeit in seine Hände“. Das lässt mich heiter sein. Obwohl mich schon das Gefühl überkommt, kein Recht auf Heiterkeit zu haben.

Wir machen alle so viele Fehler in unserem Leben. Wir sagen die falschen Worte, treffen Entscheidungen, die wir später bereuen. Oder wir lassen uns durch das Weltgeschehen in einen Abgrund ziehen. Die Armen werden immer ärmer. Der Hunger in der Welt nimmt zu. Es ist kein Ende des Krieges in der Ukraine abzusehen. Und wir verzweifeln bei dem Ringen darum, wie wir den CO²-Fußabdruck senken können. Das alles macht uns betroffen und müde. Wie eine zentnerschwere Last liegen die Nachrichten auf unseren Schultern.

Wir müssen lernen zu unterscheiden. Wo kann ich etwas Gutes bewirken? Mit welcher Geste kann ich einem anderen Menschen den Tag verzaubern? Wo kann ich die guten Bemühungen unserer Gesellschaft unterstützen? Aber all das andere, die großen Probleme dürfen wir Gott in die Hand legen. Wir müssen es auch tun, denn sonst zerbrechen wir an der Überforderung, werden immer unzufriedener und aggressiver. 

Und noch etwas anderes dürfen wir Gott in die Hand legen: welchen Wert am Ende unserer Tage unser eigenes Leben für die Menschen um uns herum hat. Wie oft wird aus etwas gut Gemeintem etwas Schlechtes. Wir schätzen die Folgen unserer Worte und Werke falsch ein. Uns fehlen Einsicht und Weitblick, können nur einen kleinen Ausschnitt wahrnehmen. Da erleichtert es mich ungemein, dass jemand an meiner Seite ist, der aus meinen Fehlern noch etwas machen kann, was zum Segen wird. Wenn ich mein Leben Gott anvertraue, dann bin ich schon heute befreit. 

Wir alle brauchen diese Befreiung. Nicht damit wir anschließend die Hände in den Schoß legen. Sondern damit wir mit Freude und Zuversicht daran arbeiten können, dass die Welt etwas menschlicher wird.

 

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16. Juli 2023

Viel mehr als eine Kraftquelle fürs Leben
von Pfarrerin Christine Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Kennen Sie das? In einer Entspannungsübung dürfen Sie sich einen persönlichen Wohlfühl-Ort vorstellen, einen Ort, an dem Sie zutiefst entspannen und loslassen können. Eine gute Anleiterin führt Sie noch tiefer hinein: Was ist dort zu sehen? Was können Sie hören? Fühlen Sie etwas?

Es gibt Orte, die sind Labsal für unsere Seele, Orte, über die wir sagen: Da bin ich gern! Manchmal braucht es dafür nur einen bestimmten Duft!
Mir geht es so mit dem Duft von frisch gebackenem Brot! Wie hab‘ ich es genossen, am vergangenen Samstag in einem kleinen Holzstand auf dem Girkhäuser Brotmarkt zu stehen, an drei Seiten umgeben von Regalbrettern, auf denen sich Laib an Laib frisch gebackene Backhaus-Brote reihten! 
Brot gehört zu unseren Grund-Nahrungsmitteln. Kaum irgendwo wird so viel Brot gegessen wie in Deutschland, und nirgendwo gibt es so viele verschiedene Brotsorten. Es kann so vielfältig belegt oder als Zubrot zu vielerlei Gerichten gereicht werden.
Das Brot vom Brotmarkt in Girkhausen ist dabei einzigartig. Wie früher wird es in der Mitte des Dorfes im Backhaus gebacken, das fast 250 Jahre alt ist. Wie früher wird der Teig rechtzeitig angesetzt, sorgsam geknetet und per Hand zu Laiben geformt. Wie früher werden die Laibe in den rechtzeitig angeheizten Backhaus-Ofen geschoben. Und wie früher ist es das Brot, das uns Kraft zum Leben gibt. Das Besondere hier: Ich kenne die Menschen, die den Teig vorbereiten, die ihn kneten, die ihn in den Ofen schieben und wieder herausholen. Ich kenne viele der Menschen, die das Brot dann mit nach Hause nehmen, voller Achtung, weil sie wissen, dass es sorgsam und liebevoll bereitet wurde. 

Wasser und Brot reichen, um zu überleben. Darum berührt es ganz tiefe Schichten in uns, wenn Jesus sagt, dass er uns lebendiges Wasser schenkt, ein Wasser, das in uns zu einer Quelle wird, die unaufhörlich fließt, bis zum wahren Leben (Johannes 4). Mit dem Herzen verstehen wir, was Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern.“ (Johannes 6, 35)
Brot gegen den Hunger. Brot für die Welt. Brot als letztes geteiltes Stück, das - eine Geschichte, die mich als Kind sehr beeindruckt hat - in den Hungerjahren der Nachkriegszeit von liebender Hand an die Kleinen ausgeteilt wird; und als die Kinder nachfragen: „Mutter, was isst denn du?“, erhalten sie die Antwort: „Der Duft des Brotes macht mich satt.“ 

Brot schenkt viel mehr als Kraft für den Körper. Brot ist ein Symbol dafür, dass der Mensch arbeiten muss, um Nahrung zu bekommen. Brot ist ein Symbol dafür, dass es einfache Dinge sind, die satt machen. Brot ist ein Symbol dafür, dass uns die Herstellung des Brotes mit den unzähligen Generationen vor uns verbindet - und hoffentlich mit unzähligen Generationen nach uns, denn: Von Kuchen können Menschen nicht satt werden!

 

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9. Juli 2023

Im Miteinander das Evangelium leben
von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück

 

Wer würde die Kirche vermissen, wenn sie von jetzt auf gleich auf einmal verschwinden würde? Ein paar doch bestimmt, oder?

Hier auf dem Land ist ja sowieso noch alles in Ordnung?! Pustekuchen. Das ist es ganz und gar nicht. 

Auch in Wittgenstein büßen wir als Kirche ganz schön an Selbstverständlichkeit ein. Die Austrittszahlen steigen und mittlerweile kenne ich als Pfarrerin die Menschen sogar, deren Namen ich da vom Amtsgericht übermittelt bekomme. Da tut es nochmal doppelt weh. Ehrenamtliche sind am Limit. Die Hauptamtlichen kooperieren und helfen sich gegenseitig aus, wo die Personaldecke viel zu dünn ist. Kurzum: Wir leben und arbeiten mit und in der Kirche längst nicht mehr so, wie noch zu Vollversorgungszeiten.

Das Prinzip der Volkskirche bröckelt und wir haben noch kein neues gefunden. Events und größere Veranstaltungen funktionieren ganz gut. Kirche, wie man sie sonst nicht kennt oder zu kennen meint. Das zieht die Menschen an. Tauffeste oder Gottesdienste an besonderen Orten oder zu außergewöhnlichen Ereignissen.

Hat das dann noch etwas mit dem Evangelium, mit Jesus oder Gott zu tun?

Ich glaube schon, denn warum sollte es nichts damit zu tun haben? Nirgends steht ja, dass das Evangelium nur in einer aus Stein gemauerten Kirche gepredigt und nur in einer Gemeinde mit mindestens drei regelmäßig stattfindenden Gruppen pro Woche rechtmäßig verbreitet werden kann. Ganz im Gegenteil. In der Bibel war das alles noch viel improvisierter. Als die Kirche gegründet wurde - übrigens nicht von Jesus, sondern von einem bunten Haufen Menschen, die an Pfingsten gerade in Jerusalem waren - da waren es so wenige Menschen, dass sie zunächst gar nicht so auffielen. Die Institution „Kirche“ ist in einem Zeitraum von Jahrhunderten entstanden. Sie hat sich also auch immer verändern müssen, den äußeren Umständen entsprechend. Jetzt sind wir gerade wieder an einem solchen Punkt. Die Faktoren Mitglieder, ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitende stellen uns vor große Herausforderungen. Es gilt, die Kirche in eine sichere Zukunft zu bringen. Nicht jede Gemeinde einzeln für sich, sondern - am besten - alle zusammen. Denn alles andere können wir uns nicht mehr leisten. Auch das ist ein urbiblisches Prinzip: Einer trage des anderen Last.

Gegeneinander geht nicht. Im Miteinander, mitten unter den Menschen, da ist der richtige Ort, um das Evangelium zu feiern und zu leben. In welcher neuen Form auch immer, dieser Punkt bleibt. Jetzt und allezeit!

 

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2. Juli 2023

Fliegen wir los!
von Vikarin Carmen Jäger, Bad Berleburg

 

Vieles hat mich in den letzten Tagen beschäftigt. Zum Beispiel die Frage, ob manche Menschenleben mehr wert sind als andere. Die Frage, warum nach manchen Verunglückten gesucht und andere noch nicht einmal vermisst werden. Die Frage, ob ein machtgieriger Mann einen anderen machtgierigen Mann einschüchtern und ihn vielleicht zum Aufhören bringen kann. Oder ob zwei machtgierige Männer noch mehr Unheil anrichten als einer allein.

Ich habe mich auch gefragt, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Die Gesellschaft in einem Land, in dem ein Pfarrer im Fernsehen den Satz „Gott ist queer“ sagt und zum ersten Mal ein Landrat aus den Reihen der AfD gewählt wird.

Was hält eine Kirche zusammen, die so vielfältig ist wie diese Gesellschaft? Die weit ist und engstirnig. Bunt und eintönig. Lebendig und ausgebrannt. Und ist unsere Kirche überhaupt noch ein Spiegel der Gesellschaft oder ist sie nur eine von den vielen Blasen, in denen sich nur noch Gleichgesinnte begegnen?

Vieles hat mich beschäftigt, während ich vor der Hitze geflohen bin, die mich lähmt und müde macht. Je heißer es ist, desto weniger Menschen habe ich draußen getroffen. Denen scheint es wie mir zu gehen: Während der Mittagshitze mache ich die Jalousien runter, lege die Füße hoch, trinke kühlen Tee und warte ab. Wird vorübergehen. Die Hitze. Bestimmt auch der Krieg in der Ukraine, die Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken, die U-Boote, die nicht mehr auftauchen, die Linksradikalen und die Neonazis. Alles wird vorübergehen. Also warum aufstehen und etwas tun?

Vieles hat mich in den letzten Tagen beschäftigt. Und ich frage mich, was habe ich dem entgegenzusetzen? Ist es noch sinnvoll, dass ich von dem einen, der den Tod besiegt hat, rede? Ist sie noch brauchbar, die Geschichte von Gott, die Menschen erschaffen hat und gutes Leben für alle will? Ist sie noch lebendig, die Hoffnung auf eine Kraft, die es möglich macht, Feinde zu lieben?

Und während ich so dasitze und zweifle, findet mich ein Satz. Er ist von Anita Roddick und geht so: „Wenn du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas bewirken zu können, dann versuche mal, mit einer Mücke im Zimmer einzuschlafen.“

Genial einfach. Einfach genial. Dieser Satz hat mich ermutigt, mich gestärkt und aufgerichtet. Ich will eine Mücke sein im großen Getümmel dieser Welt. Eine Mücke gegen das „immer weiter so“ und gegen das Nichtstun. Eine Hoffnungsmücke in den Schlafzimmern der Verzweifelten, die sie dazu bringt, aufzustehen. Eine Mutmücke, die die Ängstlichen sticht, dass sie über sich hinauswachsen. Eine Mahnmücke, die um die Kopfkissen der Egozentriker schwirrt bis sie aufwachen und die anderen sehen. Eine Liebesmücke, die mit ihrem Surren die Kluft zwischen Zerstrittenen überwindet.

Es gibt kein „zu klein“. Also auf! Fliegen wir los!

 

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25. Juni 2023

Die Welt ist nicht genug!
von Pfarrer Rafael Dreyer, Wemlighausen

 

Endlich Ferien. Was wäre eine gute Urlaubslektüre? Neben einer „Geschichte Russlands“ von Orlando Figes, und „Home in the World“ von Amartya Sen habe ich mir das Buch „Warum ich kein Atheist bin. Glaube für Skeptiker“ des Wittenberger Pfarrers Alexander Garth vorgenommen, der im Berliner Osten neue Gemeinden gepflanzt hat. Bei einer Umfrage auf dem Leipziger Hauptbahnhof antworteten Jugendliche auf die Frage, ob sie sich christlich oder atheistisch einstufen würden: „Weder noch, normal halt.“ Das Thema ist abgehakt, die Frage nach Gott veraltet. Atheismus und Areligiosität sind keine ostdeutschen Phänomene, sondern typisch westeuropäisch. Der globale Trend geht in die andere Richtung: Die Welt wird religiöser und kirchlicher, nicht nur in der ökonomisch ärmeren südlichen Hemisphäre, auch in wohlhabenden Ländern wie Südkorea. 

Es tun sich daher Gräben auf. In einem christlichen Fundamentalismus können sich Christen unsensibel und arrogant gegenüber religionslosen Menschen äußern. Jesus selbst hatte weniger Probleme mit Gottlosen, Heiden, offensichtlichen Sündern. Viele von ihnen waren seine Freunde. Es waren religiöse Eiferer und Hardliner, die ihn ans Kreuz brachten. Doch die Diffamierung von Gläubigen durch religionslose Menschen ist nicht weniger böse. Christen werden als realitätsferne Naivlinge geschmäht, als wissenschaftsfeindliche Spinner verlacht. Wir können in dieser Welt nur friedlich leben, wenn wir die Meinung des anderen achten, ohne allerdings die eigene Überzeugung zu verleugnen! 

Gerade setzt sich ein schwammiger Toleranzbegriff durch. Toleranz wird mit Gleichgültigkeit und Indifferenz verwechselt. Als tolerant gilt, wer alles gleich richtig und gleich gut (oder schlecht) findet, ob Christus, Mohammed oder Buddha. Jeder, der nicht bereit ist, alle religiösen und weltanschaulichen Wahrheiten hierarchiefrei nebeneinanderzustellen, muss sich vorwerfen lassen, intolerant zu sein. Wer seinen Jesus oder seinen Mohammed als den einzig richtigen Weg bekennt, den halten wir für nicht dialogfähig. Dabei bildet ein eigener Standpunkt erst die Voraussetzung für ein Gespräch. Man könnte das Glaubensbekenntnis des areligiösen Menschen so zusammenfassen: „Die Welt ist genug!“ Mehr gibt es nicht, mehr brauchen wir nicht. Doch wie kommt es dazu, dass ein areligiöser, an der Gottesfrage nicht interessierter Mensch, nach Gott fragt? Diesem Gott von ganzem Herzen zu dienen? Es verändert sich die fundamentale Weltsicht. Aus „Die Welt ist genug“, wird „Die Welt ist nicht genug“. So wie unsere Fingerabdrücke unterschiedlich sind, so hat jeder Christ seinen eigenen Weg zu Gott. Wie war es bei Dir? Wo gehst Du hin? Woher kommst Du? Sicher kein leichter Weg. Erzähl es mir! „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Weg.“ (Psalm 119).

 

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18. Juni 2023

Durchdrungen von der Liebe Gottes
von Pfarrer Jaime Jung, Erndtebrück

 

Als ich so etwa 17 Jahre alt war, kämpfte ich oft mit Gedanken und Gefühlen, wenn es darum ging, was ich im Leben werden soll. Ich wollte ja Vieles machen und werden: nicht nur Pfarrer, sondern gerne auch Schriftsteller, Mediengestalter, Lehrer und vielleicht noch Tierarzt - und das ist nicht die ganze Liste. Es war eine schwierige Phase, meine Lebensaufgabe zu entdecken. Mein Lebens- und Berufsweg verlief danach nicht gerade, und das war auch gut so. Heute bin ich gerne Pfarrer und kann nebenbei noch viele andere Sachen machen, die mir Spaß bereiten und guttun. Nicht jede Entscheidung ist unwiderruflich, man darf ja umkehren und sich überraschen lassen. Das Leben besteht aus Entscheidungen und deren Konsequenzen - und aus ganz, ganz viel Segen. Aber das erkennt man meistens erst im Nachhinein.

In der letzten Zeit bin ich bewusst langsamer geworden und versuche, leichter durchs Leben zu gehen. Ich möchte nicht zu einer Maschine werden, die nur funktioniert. Kein Mensch möchte das. Viel mehr als überleben wollen wir leben. Das ist, was in der Bibel als „Leben in Fülle“ beschrieben wird: Zu spüren, dass man wertvoll ist, dass das eigene Leben einen Sinn hat. Und genauso auch das Leben der Anderen. Das ist die Erfüllung des Gebots Jesu, das von uns verlangt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Achte also auf Andere und auch auf dich - denn jedes Leben hat seinen Sinn.

Erfülltes Leben - das ist für mich manchmal ein Zustand, ein Moment: eine intensive, konzentrierte Arbeit - und nichts kann mich ablenken. Wenn ich dann irgendwann fertig bin mit Schreiben, mit Aufräumen, mit der Gartenarbeit, dann erfüllt mich plötzlich ein gutes Gefühl. Öfters ist es eine Situation, ein Erlebnis. Wenn ich mal Pause mache und den Augenblick genieße. Wenn ich spüre: Mein Leben ist ein Geschenk! Ich darf es annehmen und mich darüber freuen.

Erfülltes Leben - das kann eine Nachricht aufs Handy von meiner Nichte sein: „Hey, ich denke an dich. Du bist mir wichtig.“ Oder sich für zehn Minuten das Gesicht von der Juni-Sonne streicheln lassen. Einfach für den Moment aufmerksam sein. Innehalten. Wahrnehmen, was gerade ist. Und sehr dankbar dafür sein. Dankbar sein, für alles, was war, für alles, was ist, und sogar für alles, was noch kommt. Auch dankbar dafür sein, dass nicht alles, was man sich mit 17 Jahren gewünscht hat, in Erfüllung gegangen ist. Vieles ist ganz anders gekommen, sogar besser als man es sich hätte erdenken können. Es tut gut zu spüren: Auch wenn ich enttäuscht werde oder wenig Kraft habe, kann ich mir sicher sein, dass ich selbst dann von Gott getragen werde, und mein Leben wertvoll und sinnvoll ist. Ich darf ein erfülltes Leben führen, neue Wege gehen, egal in welchem Alter, weil unser Leben durchdrungen ist von der Liebe dessen, der unser Gott ist.

 

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11. Juni 2023

Einfach mal die Dankesmomente erkennen
von Pfarrer Dr. Andres Kroh, Wolzhausen

 

Wenn wir einmal heute einen Moment innehalten. Was sind das eigentlich für Dinge, die uns zurzeit bewegen? Wenn wir auf die zurückliegende Woche schauen, was geht uns dann ganz besonders durch den Kopf?

Das ist natürlich bei jedem von uns anders. Vielleicht ist es ein Besuch, den wir schon länger erwartet haben. Vielleicht haben wir uns auf jemanden gefreut, den oder die wir lange nicht gesehen haben. Sicherlich können wir heute viel über das Handy oder Festnetz-Telefon kommunizieren, aber ein direktes Gespräch und ein persönlicher Kontakt ist doch noch einmal etwas anderes. Vielleicht beschäftigt uns auch etwas, was wir schon länger gerne geklärt hätten. Vielleicht hat das für uns zurzeit auch eine ganz hohe Dringlichkeit. Oder es ist etwas, was ich mit meinen Angehörigen oder Freunden gerne einmal besprochen hätte.

Solche Dinge, das wissen wir, sind sehr wichtig für uns, sie gehören zu unserem Alltag. Manchmal bestimmen diese Dinge auch unseren Alltag, manchmal stressen sie uns auch oder gehen uns sogar auf die Nerven. Wenn wir jetzt nochmal zu dem Punkt komme, dass wir einen Moment innehalten, dann habe ich eine ganz bestimmte Absicht. Denke wir einen Moment mal an etwas, wofür wir Danke sagen würden oder Danke sagen möchten. Nur einen kurzen Moment, wir können diesen Moment auch den Dankesmoment nennen.

Also, wofür möchte ich heute Danke sagen, wofür bin ich heute dankbar? Unsere Antworten würden natürlich auch hier ganz unterschiedlich ausfallen. Jeder und jede von uns hätte einen anderen Dankesmoment. Vielleicht gibt es den einen oder die andere, der oder die einfach Danke sagen möchte für einen neuen Tag. Oder vielleicht gibt es jemanden, der Danke sagen möchte für ein nettes Gespräch. Oder vielleicht gibt es jemanden, der Danke sagen möchte, dass er eine Operation gut überstanden hat.

Ein Kirchenlied handelt von dem Danken. „Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag, Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.“ Ja, auch das ist ein Grund zum Danke sagen. Danke, dass ich meine Sorgen Gott anvertrauen darf. Ich darf das. Das hinter uns liegende Pfingstfest macht uns das nochmal klar. Gottes Geist beschenkt uns mit ganz unterschiedlichen Gaben. Eine Gabe ist ganz bestimmt heute in unserer Zeit, dass ich mich über etwas freue und dafür Gott danke. Eine andere Gabe könnte auch sein, dass ich mich mit einem Menschen mitfreuen kann. Wenn diesem Menschen irgendetwas sehr Schönes widerfahren ist. Es gibt viele Dinge in unserem Alltag, die uns erfreuen können. Es gibt viele kleine Dankesmomente, vielleicht sogar manchmal auch größere Dankesmomente. Wenn wir sie erkennen, dann wird auch unser Alltag etwas heller und fröhlicher.

 

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4. Juni 2023

„Jetzt ist die Zeit“
von Pfarrer Peter Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

An diesem Wochenende habe ich zwei Tauf-Gottesdienste zu halten, die neue Konfirmandengruppe kommt zum ersten Unterricht und am Ende des Tages steht ein Abend-Gottesdienst an. Ihr Tagesablauf sieht ganz anders aus, aber auch Sie haben sich manches vorgenommen. Wenn da uns dann jemand fragt „Kannst Du mal eben…“ oder wenn die Forderung „Du musst heute unbedingt noch…“ im Raum steht, dann verlieren wir durchaus mal die Beherrschung und fragen genervt: „Wann soll ich das denn noch machen!“ Wir sind eingespannt zwischen Erwartungen von außen und Zielen, die wir uns selber gesetzt haben. Oft hetzen wir von Aufgabe zu Aufgabe, erledigen das zu Leistende auch ganz gut. Aber am Ende eines Tages sind wir zerschlagen, müde und fragen uns, was wir an diesem Tag bewegt haben. Wir bräuchten mal eine Auszeit, in der wir zu Ruhe kommen können und uns neu sortieren. 

Eine solche Auszeit will ab Mittwoch auch der Kirchentag in Nürnberg sein: mitten im Gewohnten eine Unterbrechung. Statt Küche aufräumen eine Bibelarbeit, statt Gedränge im Supermarkt ein Gang über den Markt der Möglichkeiten (bei dem es zugegebenermaßen auch gedrängt voll ist), statt Drei-Gänge-Menü zum Mittagessen nur mit einem Brötchen in der Hand beim Offenen Singen sitzen. Nachmittags keine Berieselung mit Radio oder Fernsehen, sondern mit dabei sein, wenn bekannte und unbekannte Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kirche die brennenden Fragen unserer Zeit diskutieren. Und am Abend landet man - eigentlich schon unterwegs zum Schlafplatz - in einem Konzert oder einer Lesung, die einen anrührt. Natürlich machen wir uns vorher Stress und arbeiten ein Programm aus, welche Veranstaltungen wir alle besuchen wollen. Aber nach der ersten Erfahrung mit dem bekannten Kirchentagsschild „Halle wegen Überfüllung geschlossen“ fangen wir an, uns treiben zu lassen. Dann, ja dann - beginnt die Auszeit.

Ich weiß es: Kaum einer von Ihnen hat eine Karte für den Kirchentag. Aber vielleicht bekamen Sie bei meinen Worten Lust auf eine Auszeit. Und ich möchte Sie ermutigen: Nehmen Sie sie sich! Jetzt! Denn: „Jetzt ist die Zeit“, wie das Kirchentagsmotto sagt. Wenn wir auf Dauer nur funktionieren, ist niemandem gedient, uns nicht und auch denen nicht, die uns brauchen. Und vielleicht wird uns in dieser krisengeschüttelten Zeit mit einem Mal klar, was wirklich wichtig ist, und was zählen würde, auch wenn der heutige Tag mein letzter wäre.

 

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28. Mai 2023

Gott sieht die Begabungen
von Pfarrer Steffen Post, Bad Laasphe

 

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth" (Sacharja 4, 6) - so lautet der biblische Leitvers zum Pfingstfest. Ein durchaus herausforderndes Motto. „Viel hilft viel“ ist in der Regel unsere Devise. Wer über Macht, Kraft und das nötige Geld verfügt, setzt sich am Ende durch und kann seine Ziele erreichen.

 

Im Sport kann man manchmal anderes erleben. Wenn ich in diesen Tagen auf die Tabellen der drei höchsten deutschen Fußballigen schaute, ergaben sich ein paar spannende Überraschungen: Wer hätte zum Abschluss der Hinrunde am elften Meistertitel des FC Bayern München gezweifelt? Plötzlich hatte der BvB zwei Punkte Vorsprung und griff gestern noch nach der Meisterschale. Am anderen Ende der Tabelle musste die mit vielen Millionen aufgepumpte Hertha aus Berlin den Weg in die 2. Liga antreten, während der Stadtrivale Union Berlin neben dem SC Freiburg um den Einzug in die Champions League kämpfte. Zwei Vereine, die nicht über kräftige Sponsoren verfügen, sondern mit klugen Trainern und Sachverstand in der Führungsetage ihre Mittel gezielt eingesetzt haben. In der 2. Liga muss mit dem HSV der eigentliche Krösus um den Aufstieg bangen, weil Darmstadt 98 und der 1. FC Heidenheim sportlich mehr Punkte gesammelt haben. Und sollte den Hanseaten erneut der Aufstieg nicht gelingen, können sie sich in der nächsten Saison mit dem Liga-Neuling SV Elversberg messen, der erst als vierter Verein den Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Liga geschafft hat.

 

Nun ist Pfingsten ja so etwas wie der Geburtstag der Kirche und da fällt mein Blick an diesem Wochenende auf die Mannschaft, mit der Gott in der Welt unterwegs ist. Das war schon von Anfang an kein Team mit Stars und Sternchen. Bereits im Alten Testament hat sich Gott eher Bankdrücker ausgesucht: einen Mose, der nicht besonders gut reden konnte, einen Jeremia, der sich zu jung für seine Aufgabe hielt, und einen Amos, der sich eher als Botaniker verstand, denn als wortgewandter Prediger. Im Neuen Testament hält Gott die junge Maria prädestiniert dafür, Jesus auf die Welt zu bringen. Er ruft Petrus in seine Mannschaft, der zunächst eher durch Stellungsfehler auffält und gelegentlich ins Abseits rennt, und formt später durch ein hartes Trainingsprogramm aus einem Saulus einen Paulus.

 

An Pfingsten staune ich über diese Mannschaft, die Gott sich erwählt, und darüber, wie er Menschen wahrnimmt: Er sieht die Begabungen und nicht die Macken, das Herz und nicht die Muskeln.

Durch die Taufe darf auch ich zu dieser Mannschaft Gottes gehören. Auch mir gilt sein freundlicher Blick, seine positive Einschätzung. Ich bin in Gottes Augen angesehen. So wahrgenommen, kann ich dann meine Mitmenschen in den Blick nehmen: freundlich, wertschätzend, aufmunternd. Das fördert das Zusammenspiel und den Teamgeist.

 

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21. Mai 2023

ER schenke uns Mut und Kraft
von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück

 

Ein frischer Erdbeerkuchen mit Sahne, ein Steak auf den Punkt gebraten, ein Ausritt in den Sonnenuntergang, ein frischbezogenes Bett, Verbundenheit zu besonderen Menschen, ein Abend voller Freude und Lachen, das Gefühl, angekommen und gehalten zu sein. Das ist für mich der Himmel auf Erden. Das ist ja ein sehr individuelles Gefühl. Für jeden Menschen anders, manchmal verbindet uns da auch ein Gefühl. Jedenfalls würde ich sagen: Der Himmel auf Erden ist keine messbare Größe. Ist er nie. Und deshalb ist es wahrscheinlich so verlockend, ihn komplett ergründen und genau über ihn Bescheid zu wissen.

Es gibt ja Menschen, die können einem die genauen Zulassungs-Voraussetzungen sagen. Die wissen genau, wer in den Himmel rein kommt und wer nicht. Wenn ich so etwas höre, dann wundere ich mich immer. Denn ich finde, der Himmel ist für Menschen, für uns Geschöpfe überhaupt nicht einsehbar, erfassbar, berechenbar. Und da bin ich heilfroh drüber.

Einerseits. Kein Mensch kann darüber verfügen oder gar entscheiden, wer welchen Platz wo im Himmel bekommt. Oder ob überhaupt. Gott sei Dank ist das keine menschliche Angelegenheit. Andererseits leide ich total darunter, nichts Genaues über den Himmel zu wissen. Ein klitzekleiner Hinweis würde ja schon reichen. Damit ich mir ganz sicher sein könnte, dass er auch wirklich da ist.

Aber da geht es ja schon los: Kein Mensch würde sich mit nur einem kleinen Stück vom Himmel zufrieden stellen lassen. Würden einmal Details bekannt werden, dann würde jeder sofort alles haben wollen. Es gäbe einen Kampf, ein Hauen und Stechen um das Wissen über den Himmel. Und das entspricht überhaupt nicht dem, was den Himmel ausmacht. Wahrscheinlich wissen wir deswegen nichts. Wahrscheinlich können wir deshalb den Himmel nur glauben. Wahrscheinlich macht Gott das extra. Nicht, weil er uns klein und unmündig halten will, sondern weil es uns gnadenlos überfordern würde, über den Himmel verfügen zu können. Und Gott ist eben nicht gnadenlos, sondern voller Gnade. 

Himmelfahrt liegt hinter uns. Der Feiertag, an dem wir daran denken, dass unser Blick sich am besten nach oben richtet. Das ist keine leichte Sache, aber lebenswichtig. Denn wenn ich den Blick gen Himmel richte, dann richte ich mich automatisch auf, dann werde ich groß, ja, dann hab' ich fast sogar eine stolze Haltung. Und genau diese Haltung ist die, die Gott für mich, für jeden einzelnen Menschen im Sinn hat. Er hat den Himmel auf die Erde geholt, damit wir uns aufrichten können. Vor ihm, untereinander, in diesem Leben. ER schenke uns auch Mut und Kraft, Rückgrat für alles und gegen jeden, der uns niederdrücken will!

 

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14. Mai 2023

So einfach ist das?!
von Pfarrerin Christine Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Vielleicht sind wir einfach zu viele. Vielleicht ist unsere Weltkugel zu klein für über 8 Milliarden Menschen. Die letzten Rückzugsorte der Wildtiere werden rücksichtslos von uns Menschen in Beschlag genommen für unsere eigenen Zwecke. Und vielleicht sind es zu viele Veränderungen, die in immer schnellerem Abstand von uns zu bewältigen sind. Und vielleicht zu viele Ängste, die auf uns einstürmen. Mag sein, das alles überfordert uns.
Wir bezahlen es teuer mit neuartigen Viren, mit Verlust der Artenvielfalt, mit steigendem Stresspegel, mit zunehmender Aggressivität.
Unwillkürlich teilen wir gegenwärtig unsere erlebte Zeit in eine Zeit „vor“ und eine Zeit „nach Corona“. Menschen, die viel mit anderen Menschen zu tun haben, sagen mir: „Nach Corona sind die Menschen garstiger geworden.“ So berichten es Menschen, die an der Supermarktkasse sitzen, so erzählen es Sprechstundenhilfen, Bahnbeamte und viele andere Berufsgruppen. Vielleicht erleben Sie das auch in Ihrem Alltag.
Das Gute ist: Wir können etwas dagegen tun! Es gibt eine sogenannte „Goldene Regel“ für unser Miteinander, die unser Zusammenleben sofort positiv beeinflusst. Diese Goldene Regel findet sich in allen fünf großen Weltreligionen, im Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam. Sie heißt so: Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt! (Matthäus 7, 12)
Tatsächlich verändert das Befolgen der Goldenen Regel auf der Stelle unser Miteinander. Ich möchte, dass mir freundlich begegnet wird, also bin ich freundlich. Ich möchte, dass man wahrhaftig mit mir redet, mir respektvoll begegnet, mir gegenüber Rücksicht nimmt, also – Sie wissen, wie dieser Satz beendet werden will. Auch in unseren Sprichwörterschatz ist diese Goldene Regel eingegangen: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!
Heute ist Muttertag, ein Tag, der uns aufmerksam macht, dass ein anderer Mensch, der uns selbstverständlich und täglich Gutes tut, auch einmal ein Dankeschön von uns hören mag. Und neben den Eltern gibt es viele andere Menschen, die uns Gutes tun: Auch ihnen gegenüber können wir immer mal wieder unseren Dank ausdrücken. Denn wir wissen ja, wie gut es tut, wenn uns einmal jemand aufrichtig dankt.
Undankbarkeit, Garstigkeit, Herablassung und Rücksichtslosigkeit möchte niemand von uns erleben. Sie sterben aus, wenn keiner von uns sie selbst tut.
So einfach ist das? So einfach ist das!

 

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7. Mai 2023

„Ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst“
von Pfarrer Oliver Lehnsdorf, Bad Berleburg-Oberndorf

 

Heute ist der Sonntag „Kantate“ - auf Deutsch übersetzt: Singet. Es ist der Sonntag der Kirchenmusik. An diesem Tag wird noch einmal die ganz besondere Wichtigkeit der geistlichen Musik hervorgehoben. Dies liegt darin begründet, dass sie christliche Inhalte in einer besonderen Weise thematisieren kann.

Wenn ich an geistliche Lieder denke, dann spüre ich, dass mich nicht nur die Texte ansprechen, sondern auch die Musik. Und durch die Verbindung davon werden nicht nur die Inhalte deutlicher, sondern dadurch wird auch mein Herz noch intensiver berührt. Denn durch die geistliche Musik werden in einer besonderen Weise Emotionen ausgedrückt. Das führt häufig dazu, dass ich geistliche Lieder nicht mehr aus meinem Kopf bekomme und sie eine Zeit lang im Inneren wiederhole. Im Moment ist dies so bei dem Lied „Wo ich auch stehe“ von Andrea Adams-Frey und Albert Frey.

In diesem Lied heißt es im Anfangsteil: „Wo ich auch stehe, du warst schon da. Wenn ich auch fliehe, du bist mir nah. Was ich auch denke, du weißt es schon. Was ich auch fühle, du wirst versteh‘n. Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst. Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst. Herr, du richtest mich wieder auf. Und du hebst mich zu dir hinauf. Ja, ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst.“

Diese Verse sind in Anlehnung an den Psalm 139 verfasst worden. Sie sprechen davon, dass Gott mich im umfassenden Sinn in meinem Leben immer wieder begleitet, und mir schützend zur Seite steht. Ganz gleich, was im Leben auf mich zukommt, Gott ist bei mir und umfängt mich mit seiner Liebe und Güte. Das schenkt mir Trost und Hoffnung.

Und so passt dieses Lied meiner Ansicht nach auch gut in die österliche Zeit, in der wir uns gerade befinden. Denn diese Zeit ist voller Hoffnung, die darauf gründet, dass Jesus Christus durch seine Auferstehung an Ostern den Tod ein für allemal besiegt hat. Gott will, dass wir leben, und das nicht nur hier auf dieser Erde, sondern auch darüberhinaus. Und wenn ich diese Liedverse höre oder selbst singe, dann wird mir diese Wahrheit in einer besonderen Weise deutlich. Dann kann ich gar nicht anders, als Gott dafür zu danken, dass es für uns bei ihm ein Leben nach dem Tod gibt. Darauf vertraue ich, und darauf hoffe ich, und das nicht nur in der österlichen Zeit, sondern auch das ganze Jahr über.

 

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30. April 2023

„Erwachende Natur weckt in mir Hoffnung und Freude“
von Schulreferent Matthias Elsermann, Kreuztal

 

Endlich Frühjahr! Monatelang dominierten die kahlen Äste. Das Gras war ohne Glanz. Doch jetzt ändert es sich: Das Gras sprießt frisch. Grüner Schimmer überzieht sacht die Buchen. Die Blätter des Kastanienbaums vor meinem Bürofenster entfalten sich. Die Blütenstände sind bereits zu sehen. Und morgens früh hört man die Vögel zwitschern.

Endlich Frühjahr! Das Leben erwacht von Neuem.
Natürlich weiß ich, dass das Leben auch im Winter nicht aufgehört hat. Natürlich kenne ich die biologischen, meteorologischen und sonstigen wissenschaftlichen Gründe für die Veränderung der Natur im Frühjahr. Es ist alles erklärbar… - auch die emotionale Wirkung dieser Veränderungen auf mich.

Es bleibt trotzdem für mich ein Wunder. Ich nehme eine Botschaft wahr, die über das sachliche Erklären hinausgeht. Die erwachende Natur weckt in mir Hoffnung und Freude. Ich träume von der Wärme des Sommers! Ich sehne mich nach Bewegung in der Natur ohne dicken Mantel und wärmenden Schal. Ich bewundere die Kraft, die in der Natur liegt, mit der nun die Pflanzen in teils kürzester Zeit Knospen sprießen lassen. Diese Stimmung des dankbaren Staunens trifft der Psalm 104, wenn der Beter in ihm sagt: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ (Psalm 104, 24)

Aber es mischt sich unter die Freude auch Trauer und Sorge: Angesichts von Kriegen und Konflikten in der Ukraine und im Sudan nehmen ich wahr, dass unsere Welt in Unordnung geraten ist. Angesichts des Hungers in der Welt erkenne ich einen himmelschreienden Mangel überlebenswichtiger Güter für Millionen von Menschen. Nachrichten in Zeitung und TV liefern mir das Unglück und Leid so vieler Menschen ins Haus.

Mein Glaube hilft mir, beide Erfahrungen zusammenhalten - das Schöne der erwachenden Natur und das Erschrecken über die kalte Grausamkeit des Leides. Für das Eine, die erwachende Natur, bin ich dankbar. Das Andere, die Not und das Leiden, fordert mein Mitdenken und Handeln. Das Eine schenkt mir die Hoffnung für das Andere. Die Freude über die Natur gibt mir die Zuversicht für das Tätigwerden. Seit Jahrzehnten wissen sich Christen weltweit vereint auf dem Weg für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Dieser Weg ist noch nicht an sein Ziel gekommen. Wir müssen ihn entschlossen weitergehen. Und Gott schenke uns die Kraft für diesen Weg!

 

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23. April 2023

„Nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“
von Pfarrer Thomas Janetzki, Wingeshausen

 

Gerade kann man in fast allen größeren Zeitungen lesen, dass der große amerikanische Fernsehsender „Fox News“ sich mit dem Wahlmaschinen-Hersteller „Dominion Voting Systems“ auf eine Entschädigungssumme von rund 720 Millionen Euro geeinigt hat, um einen Prozess in den USA zu vermeiden. Worum geht es? Fox News hatte nach der Präsidentenwahl 2020 den Vorwurf Donald Trumps, die Wahl sei manipuliert und ihm gestohlen worden, mit Vorwürfen gegen diese Firma unterstützt. Vor Gericht wäre es jetzt um die Überprüfung dieser Behauptungen und um die mögliche Schuld von Redaktionsmitgliedern und Konzernspitze gegangen, über die eine zwölfköpfige Jury hätte befinden müssen.

Da reibt man sich doch unwillkürlich ein wenig verwundert die Augen, oder? Wir wissen ja, dass wir Menschen schon einmal dazu neigen, mit der Wahrheit ein wenig großzügiger umzugehen, oder auch mit einer kleinen Notlüge manchmal schnell bei der Hand sind. Auch das, was wir über andere erzählen, entspricht ja leider nicht immer so ganz der Realität, sondern ist schon mal durch unsere ganz persönliche Brille betrachtet, um es dann weiterzugeben.

Aber ein Vorfall dieses Ausmaßes sollte uns vielleicht noch einmal gerade als Christinnen und Christen nachdenklicher stimmen, was unseren eigenen Umgang mit der Wahrheit betrifft. Die Texte in der Bibel wie das entsprechende Gebot „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“ (2. Mose 20, 16) weisen ja immer wieder darauf hin, wie wichtig ein ehrlicher Umgang mit den anderen Menschen ist; bis hin zum Jakobus-Brief, in dem es an einigen Stellen um die Macht unserer Zunge geht, die viel Gutes, aber auch genauso viel Böses bewirken kann.

Vielleicht schaffen wir es ja, beim nächsten Mal, wenn wir in der Versuchung stehen, die Wahrheit ein wenig oder mehr zu verbiegen, uns symbolisch wirklich auf die Zunge zu beißen und darüber nachzudenken, was wir mit dem, was wir da sagen oder schreiben, anrichten können, bevor es zu spät ist. Es wäre bestimmt für uns alle ein Gewinn im unserem Zusammenleben. In dieser Hoffnung wünsche ich uns allen ein gesegnetes Wochenende!

 

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16. April 2023

Zeugen des auferstandenen Gekreuzigten sein
von Pfarrer Rafael Dreyer, Wemlighausen

 

Nach seiner Auferstehung erscheint Jesus seinen Jüngern: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Matthäus 28, 18 bis 20)

In den letzten Jahren hat der Begriff des Dialogs stets an Beliebtheit gewonnen. Selbst wenn es sich um schwierige Partner handelt, es gilt als tugendhaft, den Dialog nicht abreißen zu lassen. Im Gegensatz dazu hat Mission an Akzeptanz verloren. Sie gilt vielen als überheblich, da man dem anderen etwas zu verkündigen gedenkt, was man für wahrer und besser ansieht, als das, was der andere haben könnte. Daneben hört man den Vorwurf der Intoleranz oder den der Hidden Agenda. Das heißt, man sage nicht offen, was man wolle, sondern versuche andere, irgendwie auf die eigene Seite herüberzuziehen - ohne dass man es zugeben wolle.  

Jedoch kann man jemanden, der anderen Menschen religiöse Verkündigungsinhalte weitergeben möchte, keineswegs als intolerant bezeichnen. Das liegt im Begriff der Freiheit begründet: Wenn ich im Gespräch mit einem Gegenüber diesem die Freiheit einräumte, sich für oder gegen meine Position auszusprechen, also entweder seine Anerkennung oder seine Zurückweisung auszudrücken, dann bin ich bereit, auch die mögliche Zurückweisung hinzunehmen, diese also zu erdulden oder zu tolerieren. Dann mir gegenüber den Vorwurf der Intoleranz zu erheben, bevor ich meine Verkündigung überhaupt geäußert habe, würde bedeuten, einem Verständnis von Dialog aufzusitzen, das religiöse Wahrheitsansprüche offensichtlich als unberechtigt betrachtet. Damit würde aber die Meinungsfreiheit, eigene religiöse Wahrheitsansprüche missionarisch zu äußern, sehr eingeschränkt, und das wäre von meinem Gegenüber intolerant.

Als Christen nehmen wir teil an der Mission der Liebe Gottes, die nicht nur beschreibt, was wir bezeugen, die Liebe Gottes, die wir in Jesus erfahren haben, sondern auch wie wir dieses Zeugnis abgeben sollen. Christen sind aufgerufen, Zeugen des auferstandenen Gekreuzigten zu sein (Lukas 24, 48). Das heißt, von sich wegzuweisen, hin zu dem, was wir bezeugen. Das aber bedeutet, dass Formen von Überheblichkeit fehl am Platz sind. Zweitens sind Zeugen nicht nur Menschen, die eine Botschaft abliefern, sondern sie stehen als ganze Menschen dafür ein. Sie rühmen sich etwas, das auf sie zugekommen ist, das sie verändert hat, dem sie etwas verdanken. Es wohnt ihnen eine Kraft inne: „Denn schäme ich mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes…“ (Römer 1, 16) Muslime sagen mir, dass es ihnen leichter fällt, mit überzeugten Christen in einen Dialog zu treten, als mit solchen Zeitgenossen, die sich für ihre christlichen Wurzeln schämen.

 

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9. April 2023

Der Herr ist wahrhaftig auferstanden
von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück

 

Wie formuliere ich meinen Glauben? So, dass man es verstehen kann. Keine Aneinanderreihung von theologischen Sätzen, die man ohne Nachschlagewerk sowieso nicht begreift. Und wie kann ich es sagen, dass es sich auch echt anhört? Gerade an Ostern ist das besonders schwierig. Das Grab war leer! Der Herr ist auferstanden! Wie soll das denn gehen? Das kann doch gar nicht wahr sein. Tja, so ist dann nun mal: Wenn es um Ostern und die Auferstehung geht, dann bleibt uns nichts als der Glaube. Punkt. Oder besser: Doppelpunkt. Denn daraus ergibt sich ja ganz viel. Der Glaube an die Auferstehung, an das hell strahlende Osterwunder ist ja der Ausgangspunkt für alles andere. Wenn ich nicht daran glauben würde, dann würde ich auch nicht diese Zeilen schreiben.

Wäre Ostern nicht passiert, dann hätte sich nach einigen Jahren damals niemand mehr an diese Bewegung um den Zimmermann aus Nazareth erinnert. Dann wäre er einer von vielen Predigern in der damaligen Zeit gewesen. Besonders zwar, aber eben auch nur so bedeutsam, bis er gefangen genommen und zum Tode verurteilt wurde. Wie ein Verbrecher. Was muss das für ein Gefühl gewesen sein damals, für seine Anhänger. Und Anhängerinnen, denn es waren ja auch Frauen dabei. So viel hatten sie investiert und dann war nichts draus geworden. Ganz im Gegenteil. Es war ja fast peinlich, das man zu ihm gehört hatte. Petrus leugnete sogar, je mit ihm zu tun gehabt zu haben. Alles war am Ende. Die Zukunftsvisionen im Keim erstickt. Pläne zunichte gemacht. Eine ganz große Gemeinschaft wollten sie sein. Ich kann das Gefühl gut nachvollziehen. So eine Lethargie, wenn man gar nicht mehr weiß, woher noch Motivation und Kraft herkommen sollen. Dann fühle ich mich wie gelähmt. Wenn der Blick in die Zukunft nur dunkel und verworren erscheint und so gar kein Silberstreif zu erkennen ist, an welchem Horizont auch immer. Da tu und macht man, ist kreativ und mutig, unermüdlich und lernbereit, freundlich und zugewandt und der Blick in die helle Zukunft bleibt doch verschlossen.

Wäre also Ostern nicht passiert… Ja - wäre etwas absolut Unglaubliches nicht passiert, das gegen alle Fakten und Bedingungen der Gegenwart gesprochen hat, dann hätte es keine Aussicht auf Zukunft gegeben. Dann hätte die Aussichtslosigkeit gesiegt und die Welt sich nicht verändert. Die Welt hat sich aber verändert. Weil Menschen geglaubt haben. Zuerst nur wenige, dann immer mehr und ganz viele und jetzt wohl wieder weniger. Ostern ist der Grund, immer einen Weg zu gehen. Nie bei dem stehen zu bleiben, was mich lähmt und gefangen nimmt. Es gibt immer noch etwa mehr, wofür es sich zu leben, glauben und lieben lohnt. Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

 

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2. April 2023

Menschen aus den Ecken holen
von Pfarrer Peter Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Eine junge Mitarbeiterin im Betrieb bittet um ein kleineres Büro mit weniger Kolleginnen um sich herum. Die vielen privaten Gespräche, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, würden sie ständig ablenken und ermüden. Ein Lehrling bringt seinen Ausbilder an den Rand der Verzweiflung, weil das Werkzeug immer in einer bestimmten Reihenfolge im Schubfach liegen muss. Eine weitere Mitarbeiterin steht in der Pause immer draußen, Kopfhörer auf und Augen geschlossen, statt mit den Kolleginnen Gemeinschaft zu pflegen. Und in einem vierten Beispiel beantwortet ein Kollege die ihm gestellten Fragen immer offen und ausführlich, auch wenn es sich um eine Frage handelt, auf die eigentlich keine Antwort erwartet wird.

Es kann sich bei solchen Menschen um Autist*innen handeln. Dabei ist es sehr unterschiedlich, in welchen Bereichen und in welchem Maß die Abweichung vom üblichen Verhalten zu beobachten ist. Manche Autist*innen haben ausgeprägte Ticks. Bei anderen offenbart sich die Andersartigkeit erst in Stresssituationen. Allen gemeinsam ist, dass sich das landläufig richtige Verhalten im Miteinander mit anderen nicht wie von selbst ergibt. Verhaltensweisen müssen eingeübt werden. Dabei liegt die Grenze des Lernbaren darin, dass alle Signale von außen, Stimmen, Bilder, Gerüche, in gleicher Intensität und Wichtigkeit wahrgenommen werden. Bei einer Party aus dem Stimmengewirr herauszuhören, was die Freundin gesagt hat, ist eine kaum lösbare Herausforderung. Darum gilt Autismus auch als Behinderung.

Inzwischen suchen manche Firmen gerade nach Menschen mit diesem Handicap. Warum? Weil sie - wenn die Arbeitsbedingungen stimmen - fokussierter und gewissenhafter arbeiten. Soziale Bedürfnisse lenken sie nicht ab. Sie lieben es, sich in ihre Arbeit vertiefen zu können. Und sie haben bei kreativen Prozessen keine Schere im Kopf: Alles ist denkbar.

Der heutige Welt-Autismus-Tag macht auf die speziellen Probleme dieser Menschen aufmerksam. Wir können viel dazu beitragen, dass Menschen mit Autismus im Alltag besser zurecht kommen. Neben dem Verständnis für manch freches Verhalten gehört in jedem Fall auch die Reduzierung von Außenreizen dazu. Zugleich führt uns die Beschäftigung mit dem Autismus zu der Erkenntnis, dass Menschen mit Handicaps gerade aufgrund ihrer Einschränkung an anderen Stellen besondere Gaben haben. Dies auch bei anderen Behinderungen zu entdecken und zu nutzen, bereichert nicht nur unser Miteinander, sondern holt Behinderte aus den Ecken heraus, in die sie nicht hineingehören.

 

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26. März 2023

Von großen Plänen und kleinen Samen
von Pfarrer Jaime Jung, Erndtebrück

 

„Wenn Gott dein Partner ist, dann mach’ große Pläne”, so schrieb mal der Prediger Dwight L. Moody. Ein ermutigender Satz, der nicht nur bei den großen, sondern auch bei den kleinen Dingen des Lebens Sinn macht.

Ich gestalte gerade einen Garten neu. Ein relativ großer Garten, der im Laufe der Jahre von den Vorbesitzern nur noch als Rasenfläche benutzt wurde, mit drei oder vier struppigen Sträuchern am Rande. Die Lage ist hervorragend - meiner Berechnung nach, wird dort bald die Sonne den ganzen Tag den Boden und die Pflanzen aufwärmen. Eine Tatsache: Es gibt dort noch keine Pflanzen, keine Wege, keine Sitzecke. Nur in meinem Kopf und auf dem Papier, wo ich den künftigen Garten skizziert habe: In der Mitte soll ein rundes Beet für Rosen entstehen, von Buchsbäumen umrandet. Drumherum, abwechselnde runde Wege und weitere abgerundete Beete, wie eine Art Labyrinth aus Grün und Blüten, aus Gemüse und Blattsalat. So mein Plan.

Neues Gartenwerkzeug habe ich schon, auch eine Schubkarre und sogar einige Tüten mit Blumensamen, Ableger von Buchsbäumen und kleine Kartoffeln im Keller, die viel zu schnell austreiben und bald in die Erde müssten. Ich spüre in mir die Begeisterung und stelle mir vor, wie es in ein paar Monaten oder sogar Jahren alles wunderschön aussehen wird. Denn es wird schön aussehen, daran zweifle ich nicht. Vielleicht nicht genau wie in meinen Vorstellungen, aber die jetzige Rasenfläche wird sich bald in etwas Neueres, Schöneres verwandeln.

Ich hätte warten können, bis sich die Fläche eventuell von allein ändert, bis der Wind oder die Vögel Blumensamen von irgendwo hierher mit sich tragen und diese dann in meinem Garten zufällig gedeihen. Aber ich mag nicht warten bis das passiert - wenn es überhaupt passieren würde.

Ich handle! Ich folge meinen Entwurf, ich markiere die Fläche, ich grabe um, pflanze ein, säe und gieße. Und dann erst warte ich weiter auf die Verwandlung. Natürlich braucht mein Garten dann dazu noch das Sonnenlicht, den Regen, den Tau, die Regenwürmer. Dennoch möchte ich meinen Teil dazu beitragen, damit aus meinem Plan Realität wird. 

„Wenn Gott dein Partner ist, dann mach’ große Pläne”, heißt es ja. Ich glaube fest daran, dass Gott nicht nur mein Partner bei den Veränderungen ist, sondern, dass er die Macht besitzt, mein Leben, die Natur oder sonst was zu verändern. Gott braucht mich nicht, dennoch zählt er auf mich und auf meinen Einsatz, sei es um eine Bodenfläche zu verändern oder um meinen Mitmenschen beizustehen und sie zu unterstützen, eine Lebenslage neu zu gestalten. 

In der Bibel liest man: „Der Mensch macht viele Pläne, aber es geschieht, was Gott will.“ 

So mache ich Pläne, handle da, wo es mir möglich ist, und lege alles Weitere in Gottes Hand. Er wird schon für das Wachsen und Gedeihen sorgen.

 

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19. März 2023

Gottes Zusage: „Aber meine Gnade soll nicht von dir weichen“
von Pfarrer Dr. Andres Kroh, Wolzhausen

 

Es ist besonders ein Ereignis, das mich gerade bewegt. Das schreckliche Ereignis betrifft unmittelbar unseren Kreis Siegen-Wittgenstein. Wir leben eigentlich in einer Region, die bislang vor furchtbaren Straftaten und schwerer Gewalt relativ verschont geblieben ist. So dachte ich bis zum letzten Sonntag. Dann hörte ich die Meldung, dass ein zwölfjähriges Mädchen aus Freudenberg tot aufgefunden wurde. Das Mädchen ist durch eine entsetzliche Gewalttat aus ihrem Leben gerissen worden. Was bei diesem Verbrechen zusätzlich absolut verstörend ist, ist die Tatsache, dass die Tat von zwei anderen Mädchen begangen wurde. Es lässt einen fassungslos zurück, was Luise angetan wurde. Wie kann eine solche unfassbare Tat geschehen? Immer wieder taucht die Frage nach dem Warum auf. Warum wurde einem so jungen Menschen das Leben genommen? Ich denke dabei auch an die Eltern und Geschwister von Luise, an ihre Verwandten, Freunde, Klassenkameradinnen und -kameraden, Lehrerinnen und Lehrer. Luise hatte noch ihr ganzes Leben vor sich.

Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen“ (Jesaja 54, 10), sagt Gott in der Bibel den Menschen zu. Ich wünsche mir, dass tatsächlich Berge weichen, die Berge voller Gewalt und Zerstörungswut. Im weiteren Zusammenhang taucht dann unwillkürlich die Frage auf, in welcher Gesellschaft wir heute leben. Ich frage mich, ob sie sich gerade auf dem Weg befindet, immer gewaltbereiter, radikaler und zerstörerischer zu werden. Für mich steht dann auch das Thema der ethischen Werte und Vorstellungen im Raum. Welche werden in unserem Land eigentlich vertreten? Was zählt ein Menschenleben?

In diesem Zusammenhang möchte ich an christliche Wertvorstellungen erinnern. In vielen Gemeinden werden oft die folgenden spirituellen Zeilen gesungen und gebetet. „In die Nacht der Welt hast du uns gestellt, deine Freude auszubreiten. In der Traurigkeit, mitten in dem Leid lass‘ uns deine Boten sein.“ Indem Kirchengemeinden an den göttlichen Friedensbund erinnern, erinnern sie zugleich daran, dass menschliches Leben einen sehr hohen Stellenwert hat. Denn das Leben kommt von Gott und ist auf ihn bezogen. Gott hat das Leben geschenkt, es ist ein hohes Gut. In einem anderen tiefgründigen Text aus dem Bereich Spiritualität und Seelsorge heißt es: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ Mögen die Luises Angehörigen einen Weg finden, mit ihrem Verlust, ihren Schmerz und ihrer Trauer umzugehen. Und möge Gott in seinem Erbarmen den Angehörigen in den jetzt folgenden Tagen und Wochen einen Weg in ihrer Verzweiflung aufzeigen.

 

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12. März 2023

Beim nächsten Kran an Gott denken
von Gemeindepädagoge Daniel Seyfried, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Als wir neulich unterwegs waren, haben wir einen großen, sechsachsigen, mobilen Autokran gesehen. Allein schon die Ausmaße dieses gigantischen Gefährts sind beeindruckend. Es ist aber auch faszinierend zu beobachten, wie alles funktioniert und welche technischen Baugruppen zum Einsatz kommen. Gerade mich als Technik-Interessierten spricht das Zusammenspiel der vielen Komponenten an, die dann große Lasten bewegen können. Es ist schon spannend, so einen großen Autokran in Aktion zu sehen, wie er in die richtige Position gefahren und ausgerichtet wird. Oder wie dann Lasten von 300 Tonnen aufgenommen werden können, um diese präzise in eine Höhe von 100 Metern zu heben. Und manchmal merkt oder hört man, wie die Maschine unter den Belastungen ächzt. Es ist zu spüren, welche Kräfte hier wirken.

Mich beschäftigt dieses Bild von den schweren Lasten, die gehoben werden. Die Bauteile sind so schwer, dass sie von Menschenhand keinen Millimeter bewegt werden können. Doch dieser Koloss schafft es.

Und irgendwie lassen sich auch Parallelen zu unserem Leben erkennen. Auch wir sind immer wieder Belastungen ausgesetzt. Manchmal sind es kleine Dinge, die uns umtreiben und Sorgen bereiten, die vielleicht schnell und einfach gelöst werden können. Dann gibt es aber Belastungen, die unerträglich für uns sind. Es sind meist Situationen die uns enorm viel Kraft rauben und in denen wir nicht wissen, wie es weiter gehen wird. Das sind die Momente, in denen wir uns ohnmächtig fühlen und feststellen, dass wir Hilfe brauchen. Genau in diesen Momenten hilft uns ein Blick auf Gott. So heißt es in Jesaja 43, 4b: „Gott spricht: Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Um mit dem Bild zu sprechen: Gott kann in unserem Leben wie so ein Autokran wirken. Er hilft uns mit seiner Kraft, die Lasten zu tragen. Auch wenn wir uns am Ende fühlen, so ist es Gott noch lange nicht. Er kann Unglaubliches bewirken, selbst wenn wir nicht mehr weiterwissen. Wir sind eingeladen, bei Gott unsere Lasten an den Haken zu hängen und zu erleben, wie er sie wegheben kann. Gottes Zuspruch möchte uns Mut machen und stärken.

Vielleicht denken Sie beim nächsten Kran, den Sie sehen an Gott und erinnern sich an seinen Zuspruch.

 

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5. März 2023

Lassen Sie sich bitte berühren
von Pfarrer Peter Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Ein etwa achtjähriger Junge rennt auf eine vielspurige Straße, um einen Hund zu retten, der hilflos eingeschlossen ist von dem vor und hinter ihm vorbeirasenden Verkehr. Das kleine Filmchen dieser Tat verbreitet sich rasant über das Internet, wird geliket und geteilt. Warum? Der Junge empfindet die Not des Tieres und lässt sich davon anrühren. Und das ruft etwas in den Betrachter*innen wach. Auch sie werden angerührt, fühlen sich beschenkt.

Ähnliches erlebte ich bei einer Beerdigung. Eine Ente war mit der Schar ihrer Küken unterwegs. Auf dem Weg war allerdings ein Gullideckel, und einige der Küken erkannten die Gefahr nicht und fielen in den Schacht. Ohne zu zögern entschuldigte der Bestatter sich bei der Trauergemeinde und rettete erst einmal den Entennachwuchs. Als die Trauerfeier dann mit einer kleinen Verspätung begann, waren alle sichtlich berührt.

Es ist ein Risiko, sich berühren zu lassen. Denn was ist, wenn die Rettungsaktion misslingt oder eines der Küken im Abwasserrohr verschwindet? Dann empfinden wir Schmerz. Denn durch das Sich-anrühren-Lassen ist die trennende Schutzschicht weg. Als Kind wurde mir daher eingetrichtert: „Kümmere Dich nicht darum. Die kommen schon allein zurecht.“ Und wenn es um Bettler ging oder Hausierer, gab es dann noch die Ergänzung, es seien alles Lügner. Bis heute hängt mir das nach. Ich sehe etwas, wo jemand oder eine Situation Hilfe braucht. Aber erst einmal gehe ich weiter, bis dann das Mitgefühl die Oberhand gewinnt über das als Kind Erlernte. Dann drehe ich um und versuche zu helfen.

Natürlich gibt es unzählige Notlagen, bei denen ich nicht helfen kann. Und wenn es um Menschen geht, werde ich auch immer wieder belogen und dadurch enttäuscht. Aber es gab auch Momente, in denen es auf mich ankam. Sie waren es wert, dass ich mich habe anrühren lassen. All die Enttäuschungen wurden dadurch aufgewogen.

Kann ich Sie bitten, sich auch berühren zu lassen von Momenten der Not? Vielleicht tragen Sie selber an einer schweren Last. Und wer weiß, welch bittere Erfahrungen Sie in Ihrem Leben machen mussten. Aber darf Bitterkeit siegen über die Menschlichkeit, darf eine um sich greifende Kälte in der Welt ohne Widerstand unser Handeln bestimmen?

 

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26. Febuar 2023

Auch in Veränderungen ist Gott da
von Pfarrerin Simone Conrad, Wingeshausen

 

„Veränderungen sind am Anfang hart, in der Mitte chaotisch und am Ende wunderbar“ - dieser Spruch pinnt am Board meiner Freundin. Stimmt, habe ich gedacht, als ich da war - und ich bin gerade in der Mitte.

Es ist ja so eine Sache mit den Veränderungen im Leben – bisweilen scheuen wir sie, bisweilen sehnen wir sie herbei, bisweilen sind sie notwendig oder sogar alternativlos. Und dennoch: Veränderungen lösen Unsicherheiten aus und bei manchen auch Ängste. Verständlich, denn ich weiß ja nicht, was auf mich zukommt. Oder was von mir erwartet wird. Oder ob meine Kraft reicht. Es fehlen die vertrauten Abläufe, die gewohnte Umgebung, vielleicht sogar die Menschen, an die ich mich gewöhnt habe, denen ich vertraue. Abschiede gehören zu Veränderungen dazu - und Abschiede sind eben auch schmerzhaft.

Ich persönlich erfahre das gerade bei meinem Abschied aus dem Diakoniepfarramt: so viel ist gewachsen über die Jahre, so viel ist vertraut, so viele Menschen habe ich liebgewonnen. In den Begegnungen der letzten Wochen wird mir noch einmal deutlich, wieviel Grund zur Dankbarkeit ich habe für all das Schöne und Wunderbare, das ich als Diakoniepfarrerin erleben durfte und für all die kostbaren Begegnungen, mit denen ich beschenkt wurde! Von Herzen: Danke!

Und dieser Dank geht - natürlich - an all diejenigen, mit denen ich zusammengearbeitet habe - er gilt aber auch meinem Gott, der mich in diese Aufgabe gestellt und mich begleitet hat. Hier, bei ihm, liegt der Grund, weshalb ich keine Angst habe vor den Veränderungen, die auf mich zukommen: Gott hat bislang in meinem Leben immer einen Plan für mich gehabt. Vielleicht anders, als ich ihn mir ausgedacht hatte. Aber einen Plan, der sich letztlich zum Guten gefügt hat. Und einen Weg, auf dem er mich begleitet hat. Ich bin gewiss: Gott hat einen Plan für jede und jeden von uns. Und er lässt uns auf den Wegen, die er uns führt nicht alleine - er ist an unserer Seite, gerade, wenn es schwierig wird. Oder chaotisch. Oder schmerzhaft. Wir dürfen uns ihm anvertrauen; die Gewissheit der Geborgenheit bei ihm darf unser Haltepunkt sein. Die Konstante im Wandel.

Veränderungen - zwischen Abschied und Anfang, zwischen Unsicherheit und Neugierde, zwischen Dankbarkeit und Wehmut. Aber ohne Angst - denn Gott ist ja bei mir.

 

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19. Februar 2023

Gott IST - mehr weiß ich nicht
von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück

 

Ein Jahr ist es jetzt her, dass die Nachricht über die Kanäle kam: In Europa ist Krieg! Da wollten wir nach den Corona-Jahren endlich mit dem Leben wieder durchstarten und dann das. Die Jecken und Narren waren schon auf alles eingestellt, aber nach den Nachrichten war niemandem nach Schunkeln zumute. Karnevals Veranstaltungen wurden abgesagt - der Schock steckte allen in den Knochen. Und nun? Ein Jahr später? Den Krieg gibt es immer noch, und seine Folgen. Übrigens nicht nur in Europa. Und Naturkatastrophen auch. Bei der Todesbilanz des Erdbebens in der Türkei und Syrien kriegt man das kalte Grausen. Und gefeiert wird trotzdem. Nein, nicht trotzdem. Und gefeiert wird auch!

Ja, Menschen feiern. Menschen leiden. Menschen leben und lachen. Menschen hungern und frieren. Und man mag zum Karneval stehen wie man will: Die eine Frage habe ich mir in den letzten Tagen gestellt: Muss ich eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, wenn es mir gut geht? Kann ich das Leben genießen, auch mit seinem Überfluss, den es mir beschert, wenn andere gar nichts haben? Hilft mein Verzicht den anderen? Kann ich mich herausreden mit dem Gedanken: Alles hat seine Zeit, auch Freud und Leid?

Die Gedanken kommen mir immer mal wieder, und dann möchte ich ganz dringend die Ungerechtigkeiten in der Welt geklärt haben. Und dann kann ich es nicht klären. Und dann merke ich, wie meine Hirnwindungen anfangen zu qualmen und mein Herz ins Stocken gerät: Wieso, verdurri noch mal, geht es Menschen gut und anderen gleichzeitig so schlecht. Warum gibt es das Schlechte, Böse und Schwere überhaupt. Theolog*innen nennen das die Theodizee-Frage: Warum lässt Gott das Leid zu? Könnte er nicht als Allmächtiger, Allgütiger und Allwissender einfach mit dem Finger schnippen und alles wäre wieder gut?

Jetzt bin ich genau wieder da angekommen, wo ich eigentlich nicht hin will. Aber ab und zu ist es ganz gut und heilsam, an diesen Punkt zu gelangen. Manchmal ist es gut, wenn ich um Gott, um meinen Glauben kämpfen muss. Denn dann merke ich, wie wichtig er mir ist. Mir persönlich, damit ich ein Fundament habe. Als Pfarrerin finde ich es - entschuldigt die Formulierung - bisweilen zum Kotzen, dass ich keine Antwort auf diese Frage habe. Denn Menschen stellen sie und erhoffen sich von mir auch eine Antwort. Und ich kann nur glaubend und mitzweifelnd die Schultern zucken und sagen: Ich weiß es nicht. Und dann erzähle ich von meinem Ringen und Kämpfen. Und dann sind wir verbunden und das tut dann gut.

Und solange die Erde steht, halte ich fest an dem, wie Gott sich schon Mose gegenüber geäußert hat: „Ich werde sein, der sein werde!“ Gott IST. Mehr weiß ich nicht und mehr kann ich nicht. Alles andere muss er klären. Dann, wenn es an der Zeit ist.

 

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12. Februar 2023

Wenn niemand mehr weiß, wie Krieg geht
von Vikarin Carmen Jäger, Bad Berleburg

 

Tote, Blutende, Tränenüberströmte. Menschen jeden Alters, jeder Hautfarbe und jeden Geschlechts. So sieht Krieg aus, wenn wir ihn im Fernsehen sehen. Und dabei sehen wir nur einen Bruchteil aller Kriege im Fernsehen. Jemen, Somalia, Myanmar - die Liste wäre beliebig fortzusetzen. „Bewaffnete Auseinandersetzungen“ heißen diese Kriege dann. Tote, Blutende und Tränenüberströmte bringen auch sie hervor. Und gerade dort kämpfen viele Menschen, die jünger sind als 18 Jahre. Weltweit ungefähr 250.000 Kindersoldat*innen töten für Ideologien, die sie nicht verstehen, werden, ohne zu wissen was gut und böse ist, zu Selbstmordattentäter*innen gemacht oder als billige Arbeitskräfte zur Versorgung und Bedürfnisbefriedigung erwachsener Soldat*innen missbraucht. Denn gerade Kinder sind kostengünstig im Unterhalt, furchtlos in der Befehlsausführung und leicht mit Gewalt gefügig zu machen.

„Grausam“, denken wir, wenn wir das lesen. Und übersehen, dass die Waffen, mit denen diese Kinder schießen, hier in Deutschland produziert wurden. „Unglaublich“, sagen wir. Weil wir nicht wissen, dass auch hier in Deutschland 17-Jährige von der Bundeswehr als Freiwillige rekrutiert werden. „Schrecklich“, finden wir das alles. Ohne zu ahnen, wie mangelhaft der Schutz und die Betreuung von asylsuchenden Jugendlichen in Deutschland oft aussieht.

Heute, 12. Februar, ist „Red Hand Day“, der Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldat*innen. Viele Menschen rund um die Welt tauchen an diesem Tag ihre Hände in rote Farbe und hinterlassen Abdrücke. Mit Unterschrift und einer Forderung versehen, werden diese Handabdrücke gesammelt und Politiker*innen übergeben. Wie Stopp-Schilder sehen diese roten Handabrücke aus. Und mit etwas Fantasie lässt sich in den weißen Handflächen zwischen den roten Abdrücken die Gestalt eines Kindes entdecken. Mit Helm und Waffe ist es in der roten Hand sicher aufgehoben.

Wenn ich diese roten Handabdrücke sehe, denke ich an die Hoffnung auf Frieden, dessen Kurzform „Schwerter zu Pflugscharen“ heißt. In der Langform im Buch Micha klingt sie so: „Dann werden sie Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter. Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen. Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet. Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet. Jeder wird unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum. Niemand wird ihren Frieden stören.“ Ich bleibe heute an dem einen Satz hängen: „Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet.“ Niemand. Kein Erwachsener und erst recht keine Kinder.

Das ist also Frieden, wenn keiner mehr weiß, wie das geht mit dem Krieg. Wenn wir das Krieg-Führen einfach verlernt haben. Ich denke, der „Red Hand Day“ ist dazu ein wirklich guter Anfang.

 

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5. Februar 2023

Spielend die Probleme lösen
von Pfarrerin Christine Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

„Lasst uns gemeinsam die Welt zum Besseren verändern - und ich fange an!“ Das wäre doch ein guter Satz für eine grundlegende Veränderung!? Stattdessen leben wir häufig diese Sätze: Was kann ich denn schon tun? Alle Anderen machen ja doch nicht mit! Wenn nur ich mich verändere, ändert sich gar nichts! So können wir reden, wenn wir noch nicht mit dem Rücken zur Wand stehen. Aber in Krisenzeiten ist vieles möglich - das haben wir gelernt!

Vielleicht hilft uns der Spielcharakter zu einer Veränderung: Es ist bewiesen ist, dass Menschen spielend leichter lernen und sich im Spiel auch gerne anstrengen. Lasst uns ein Spiel spielen, vielleicht zunächst zum Thema „Wasser“. Lasst uns spielen, dass morgen der Wasserpreis um das Vierfache erhöht wird, weil Wasser ein kostbares Gut ist. Wer den Wasserverbrauch spürbar verringert, gewinnt. Wer von uns kann das am besten?

Das fängt beim Duschen an. Kann ich es ab und zu durch einfaches Waschen mit dem Waschlappen ersetzen? So hat es meine Oma in Kriegszeiten gemacht. Wie lange muss das Wasser laufen beim Händewaschen? Was kippe ich in die Toilette, um es dann mit mehreren Spülungen verschwinden zu lassen? Fange ich das Wasser auf, das zunächst kalt durch den Küchenhahn kommt, wenn ich abspülen will? Und auch das Wasser vom Gemüsewaschen? Und benutze beides zum Blumengießen? Muss der Rasen im dürren Sommer regelmäßig gesprengt werden? Kann ich für meine Gartenblumen das Regenwasser vom Dach in einer Regentonne sammeln? Oder eine Zisterne im Garten graben?
Wie oft und mit welchem langen oder kürzeren Waschprogramm wasche ich meine Wäsche? Mit welchen Putzmitteln säubere ich meine Wohnung? Kann ich riskieren, dass Öl ins Grundwasser gerät, weil ich mein Auto vor der Garage wasche und nicht zur Waschanlage fahre? Wie viel Salz streue ich im Winter, das dann in den Boden kommt und auch das Wasser beeinträchtigt?
Euch fallen bestimmt noch weitere Fragen und clevere Reaktionen dazu ein.

„Ich bin ein Sparfuchs“, hat mal jemand gesagt. Können wir auch Wasser-Sparfüchse werden? Aufmerksam bleiben? Unser Handeln immer wieder hinterfragen - und gegebenenfalls verändern?

In Wahrheit ist es kein Spiel. Wenn wir verlieren, können wir nicht einfach wieder von vorn beginnen. Aber solche Gedanken helfen, die Herausforderungen spielerisch anzugehen. So üben wir uns darin ein, achtsam zu bleiben gegenüber unserem eigenen Handeln.

Gott hat die Welt gut und schön geschaffen. Ich will nicht, dass er mich fragen muss: Was hast du Schlimmes gemacht mit meiner wunderbaren Schöpfung?

 

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29. Januar 2023

„Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben“
von Pfarrer Oliver Lehnsdorf, Bad Laasphe-Oberndorf

 

An diesem Wochenende ist der sogenannte „Letzte Sonntag nach Epiphanias“. Mit ihm endet der Weihnachtsfestkreis, der im Advent begann. In diese Zeit fiel auch das Weihnachtsfest und damit die Erinnerung daran, dass der Gottessohn Jesus Christus in unsere Welt gekommen ist, um uns dadurch zu zeigen, dass er uns bedingungslos liebt. Und das Licht dieser Botschaft leuchtet auch mit in diesen Sonntag hinein. Während des Weihnachtsfestkreises haben uns sehr viele geistliche Lieder begleitet. Es waren die Advents- und Weihnachtslieder und eben auch Lieder für die Epiphanias-Zeit.

Eines der geistlichen Lieder, das in der Epiphanias-Zeit mit am häufigsten verwendet wird, möchte ich nun ein wenig näher beleuchten. Es ist das Lied „Jesus ist kommen“. Die Melodie davon ist in Köthen um 1733 entstanden. Der Text aus dem Jahr 1736 stammt von Johann Ludwig Konrad Allendorf. Da dieses Lied sehr viele Strophen hat, möchte ich mich auf einige zentrale Aussagen davon konzentrieren.

Dieses Lied beleuchtet sehr intensiv, was es bedeutet, dass Jesus Christus zu uns Menschen gekommen ist. In der ersten Strophe heißt es da: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freue; A und O, Anfang und Ende steht da. Gottheit und Menschheit vereinen sich beide; Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah! Himmel und Erde, erzählet’s den Heiden: Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.“ Gleich in der ersten Strophe wird da ein wahres Feuerwerk abgebrannt. Denn es werden dabei sehr wichtige christliche Begriffe und Inhalte thematisiert. Einer davon ist Freude. Das Weihnachtsereignis und alles, was damit zu tun hat, schenkt uns Menschen Freude. Denn es kann uns glücklich machen, dass der ewige Gott durch Jesus zu uns kam und ein Mensch wurde, und damit gezeigt hat, dass er sich in einer ganz besonderen Weise mit uns solidarisiert.

Denn darin einbezogen sind zentrale Dinge unseres Lebens. Davon handelt die achte Strophe dieses Liedes, wo es heißt: „Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben. Hochgelobt sei der erbarmende Gott, der uns den Ursprung des Segens gegeben; dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod. Selig, die ihm sich beständig ergeben! Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.“ Im eigenen Leben ist nicht immer alles schön und gut. Wir haben auch immer wieder Herausforderungen und Sorgen, die uns beschäftigen. Da möchten uns diese Liedverse Trost und Hoffnung zusprechen, indem sie uns darauf hinweisen, dass Gott durch Jesus immer an unserer Seite ist, und das gerade auch in den schwierigen Zeiten unseres Lebens. Das hat zur Folge, dass wir trotz allem immer wieder neu weitermachen können. Möge Gott uns in diesem Sinn immer wieder neu segnen.

 

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22. Januar 2023

Gemeinsam glauben, beten, bangen, hoffen
von Vikarin Carolin Kremendahl, Bad Laasphe

 

Zu den bekanntesten biblischen Heilungsgeschichten gehört die Erzählung von dem Gelähmten, den vier Menschen zu Jesus tragen, der ihn dann heilt. Diese Erzählung ist vor allem eine Glaubensgeschichte.

Bis die Vier mit dem Gelähmten Jesus erreichen, sind Hindernisse auf ihrem Weg: Menschen versperren den Weg, ein volles Haus, kein Zentimeter mehr frei, weil Jesus den Menschen das Wort zuspricht. Das Wort Gottes, das befreit, das heilt. Es ist kein Durchkommen, weil viele Menschen Gotteswort brauchen, weil sie sich nach Worten sehnen, die heil machen, die inneren und äußeren Frieden bewirken, die trösten, die Gutes verheißen und bewirken.

So werden die Träger erfinderisch, gehen einen Umweg. Mit dem Gelähmten steigen sie aufs Flachdach. Dann tragen sie die Schichten aus Lehm und Reisigbündeln ab, graben mühselig ein Loch, durch das der Gelähmte hindurch passt. Mit schmutzigen Händen lassen sie den Gelähmten auf seinem Bett runter. Da, wo Jesus steht. Und der sieht ihren Glauben. Ein Glaube, der mehr als reine Kopfsache ist. Glaube, der vor Beharrlichkeit und Tatendrang strotzt, dem es egal ist, dass dadurch Jesus in seiner Predigt und die Zuhörenden gestört werden. Ihr Glaube, der dreist, ungehörig, aufdringlich und vielleicht unverschämt ist, weil die Vier Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung in Kauf nehmen, um das Ziel zu erreichen und den Gelähmten zu Jesus zu bringen. Anders gesagt: ein Glaube, der kreativ ist.

Die Vier sind nicht allein und lassen den Gelähmten nicht allein. Sie sind eine Gemeinschaft. Jede/r aus der Gruppe glaubt, jede/r hat sein/ihr unverwechselbares Profil. Und vielleicht ist es genau das, was sie ihr Ziel erreichen lässt, was ihren Glauben so stark macht. Dass sie zusammenarbeiten und zusammenhalten, dass das, was sie tun, nicht ihnen selbst, sondern einem anderen dient.

Und dann ist Jesus dran, der das Schweigen der sonst stummen Geschichte bricht: „Kind, deine Sünden sind Dir vergeben.“ Jesus sieht den Gelähmten in einer noch viel tieferen Lähmung und spricht ihn davon frei. Das ist möglich durch Glauben. Manchmal gehört zum Glauben, sich die Hände schmutzig zu machen, gegen die Konventionen, jemandem, auch Jesus und Gott, aufs Dach zu steigen, die Dringlichkeit beharrlich deutlich zu machen, unbequem zu sein, um Dächer aufzureißen, damit der Himmel offensteht und Gottes Licht in die dunkelsten Ecken strahlen zu lassen: dorthin, wo es nötig ist, dorthin, wo Menschen von Angst gelähmt sind. Damit sie sich aufrichten lassen, damit sie Worte hören, die trösten, die frei machen von Schuld und Sünde und von Dingen, die sie von Gott trennen und sie selbst gefangen halten. Erfinderisch und kreativ zu sein und dem Glauben Taten folgen zu lassen. Und das alles in einer Gemeinschaft, die miteinander und füreinander glaubt, betet, bangt und hofft.

 

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15. Januar 2023

Gott füllt Herz und Kopf
von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück

 

Regentropfen, die an mein Fenster klopfen… So ist es nun schon seit Tagen, ja seit Wochen. Das Wetter geht mir auf den Geist. Die Wiesen sind längst überflutet, die Wege im Wald matschig und die Bäche reißend. Und ja, natürlich, es reicht noch lange nicht. Die Experten mahnen, dass die Wasserspeicher in den tieferen Erdschichten noch überhaupt nicht voll sind. Also, weiterhin froh sein über das triste Grau! Und trotzdem nervt es mich.

Kennst Du das auch? Da hat man Sachen im Kopf, also intellektuell, völlig klar durchdacht und auf die Reihe gekriegt, aber gefühlt ist alles ganz anders. Und dann kommt es zum Duell: Kopf oder Herz. Vielleicht ist es nicht immer ganz so krass. Aber es gibt sie doch, die Situationen, in denen es heißt: „Da musst du doch vernünftig sein!“, „So etwas kann man doch nicht aus dem Bauch heraus entscheiden!“. „Alles nur Gefühlsduselei…“

Beim Regen ist es klar. Soll es doch so lange regnen, bis der Borkenkäfer keine Chance hat. Nur bitte ohne gefährliche Überschwemmungen. Aber bei so manchem anderen würde ich gerne mal das Herz gewinnen lassen. Gefühle sind nämlich wichtig. Nur wer fühlt, lebt so richtig. Mit allem Drum und Dran. In guten und in schlechten Zeiten. Ich kann vollkommen glücklich sein und auch vollkommen am Ende und zerbröselt wie ein alter Zwieback. All das kann ich fühlen. All das steckt in meinem Herzen. Und wahrscheinlich kann ein Mensch eine viel größere Bandbreite fühlen als denken. Von dem Unterschied zwischen Frauen und Männern will ich gar nicht erst anfangen.

Wenn es irgendwie ausgewogen sein könnte, eine gesunde Mischung von Kopf und Herz. Hier ein bisschen Glück, da etwas Vernunft, und beides zusammen ist dann einfach nur schön. Wie im Kino.

Ist das realistisch? Ich finde schon. Es wird viel zu viel nur für sich gedacht oder gefühlt. Und dann endet es immer gleich so extrem. Man oder frau sollte beides viel öfter miteinander verbinden. Beim Fühlen das Nachdenken nicht vergessen und beim verkopften Beschreiten eingefahrener Wege das Fühlen nicht.

Mir ist heute ein Bibelvers vor die Füße gefallen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Bibel war runtergefallen und offen bei den Psalmen gelandet. Jedenfalls steht im 20. Psalm ein großartiger Satz, den ich so noch gar nie gelesen hatte. „Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alles, was du dir vornimmst!“ Ja, das steht in der Bibel und ist kein Slogan für ein Coaching-Programm oder so. Gott füllt Herz und Kopf. ER hat uns ja mit Beidem geschaffen. Leider ohne genaue Gebrauchsanweisung, wie ich am besten fühle oder denke. Aber: Er ist auf der Seite meines Herzens und steht zu meinen Wünschen und Plänen. Er sieht mich eben ganz genau.

 

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8. Januar 2023

Alles neu?!
von Superintendent Peter-Thomas Stuberg, Siegen

 

Ob die Vierschanzentournee oder das Neujahrkonzert mit Radetzkymarsch - jeder Jahresanfang hat seine wiederkehrenden Rituale. Auf manchen Bürgersteigen erinnern einige zerfetzte Böller an die Sylvesternacht. Im Wald sind schon erste Radfahrer und Jogger unterwegs. Das neue Jahr fühlt sich noch unangetastet und unschuldig an. Altes wird aus Kellern und Dachböden entsorgt. Das Neue will Gestalt gewinnen. Es soll sich besser anfühlen als alles belastende Alte. Dabei ist diese Hoffnung ja eigentlich trügerisch. Ein Jahreswechsel ändert bei Lichte besehen doch bloß die Zahl im Kalender. Genauso entschlossen könnte man etwa auch im Hochsommer grundlegende Veränderungen an sich vorzunehmen suchen wie üblicherweise zum Jahresbeginn.

Aber mit dem frühen Januar scheint ein besonderer Zauber verbunden zu sein. In den ersten Tagen soll sich einiges, wenn nicht sogar alles verbessern. Einer Umfrage zufolge haben sich über die Hälfte der Deutschen für 2023 vorgenommen, den täglichen Stress zu reduzieren. Dicht dahinter kommt der Wunsch, weniger auf Handy und PC zu starren und lieber mehr echte Kontakte zu pflegen. Außerdem möchten wir laut Umfrage im Ganzen einfacher, sparsamer und mit weniger Konsumgütern auskommen. Hinzu kommt der Klassiker: die Pfunde runter und die Gesundheit rauf. Aber irgendwie setzt sich dann doch der alte Trott wieder durch. Etwas grundlegend Neues ist wohl nur schwer zu verwirklichen.

Da klingt es befremdlich, wenn die Bibel ein echtes Neuwerden in Aussicht stellt. Paulus beschreibt es so: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; siehe alles ist neu geworden.“ Er meint damit keine guten Vorsätze fürs neue Jahr.  Nein, er beschreibt grundsätzlich, dass ein Leben als Christ sich unterscheidet und abhebt von einem bisherigen Leben ohne Christus. Christen sind in Gottes Augen immer wie mit einer Art von neuem und makellosem Kleid überkleidet.

So betrachtet uns Gott gewissermaßen in seiner perfekten Garderobe. Er sieht gerade nicht auf unsere Unzulänglichkeiten und Defizite, auf unsere schwächelnde Realität also. Er sieht in uns Menschen, die er tatsächlich fähig macht zu lieben, auch wenn wir oftmals nur Argwohn und Vergeltung in uns tragen.  Mit seinem Kleid angetan hilft er uns auch dann noch auf etwas Gutes zu hoffen, wenn uns menschlich alles ausweglos erscheint. Er stärkt unser mäßiges Vertrauen auf ihn, selbst wenn wir oft nur noch an ihm zweifeln. Für ihn bekommt nicht einfach nur der Stärkere das Recht, sondern seine Güte obsiegt. In Gottes Kleidern suchen wir zuerst die Möglichkeiten für unsere Welt, nicht das schier Unveränderliche. So wünsche ich uns ein neues Jahr, das unbrauchbares Altes hinter sich lassen kann und das an allen Tagen seinem Neuen Raum gibt.

 

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1. Januar 2023

„Du bist ein Gott, der mich sieht“
von Pfarrer Peter Liedtke, Bad Berleburg-Girkhausen

 

Ein Witz aus Kindertagen: Zum Pfarrhaus gehörte ein großer Obstgarten, mit herrlichen Apfelbäumen. In einem Jahr waren die Äpfel besonders verlockend. Der Pfarrer freute sich auf die Ernte der schönsten Früchte. Doch als er am späten Nachmittag zu seinem Haus zurückkam, waren die besten Äpfel verschwunden. Er ärgerte sich, wusste aber nicht, wer die Äpfel gestohlen hatte. Als die Diebstähle sich in den nächsten Tagen wiederholten, reichte es ihm und er brachte einen Zettel an: „Gott sieht alles.“ Am nächsten Nachmittag fehlten wieder Früchte. Und auf dem Zettel war von Kinderhand geschrieben: „Er petzt aber nicht.“

Ein wichtiger Gedanke zum Verständnis der Jahreslosung 2023: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Nicht allen gefällt die Vorstellung, dass Gott alles sieht. Wir schwindeln schon mal, biegen die Regeln, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Manchmal machen wir sogar große Fehler, für die wir uns lange schämen. Wir werden nur mit ihnen fertig, wenn wir zu hoffen wagen, dass niemand etwas davon mitbekommen hat.

Wenn Gott nun alles sieht, dann bin ich für alle Zeiten der Sünder, der Übeltäter! Das ist doch schrecklich, das darf doch nicht sein! Dabei vergessen wir, dass Gott nicht ist wie eine Horde Mitschüler*innen oder wie Arbeitskolleg*innen oder wie böswillige Nachbar*innen. Gott verspottet uns nicht. Er gibt uns keinen Spitznamen, der den Grund für unsere Scham für alle Zeiten bewahrt.

Gott sieht alles. Aber er verzeiht auch alles - wenn wir ihn darum bitten. Das hat er uns in Jesus gezeigt. Für uns Sünder kam er in die Welt. Von den Hirten, die damals einen zweifelhaften Ruf hatten, und von ein paar verachteten Ausländern ließ er sich in der Nacht der Geburt feiern. Später aß er mit Huren zusammen, berührte Kranke und Verrückte, lud sich sogar bei verhassten Zöllnern ein. Und am Ende seiner Wirkungszeit war er umrahmt von zwei Schwerverbrechern. Gott behaftet uns nicht bei dem, was wir Schlimmes getan haben, wenn wir willens sind, uns zu ändern.

Frei von unnötiger Angst kann die Jahreslosung dann ihre ungeheure Kraft entfalten: Gott sieht Dich und sieht Dir ins Herz. Er wendet sich nicht von Dir ab, sondern wendet sich bewusst Dir zu. Damit Du weißt: Du bist nicht mehr allein. Er geht mit Dir durch Dein Leben und nimmt am Ende Dich mit Freuden zu sich.

 

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